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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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Erstes Buch. §. 79.
II. Keine Nation, kein Individuum derselben hat das Recht,
sich ein von der Mannschaft verlassenes Schiff einer frem-
den Nation anzueignen, sofern nicht eine Eigenthumsdere-
liction dem Eigenthümer gegenüber erweislich oder der-
selbe durch Klageverjährung ausgeschlossen ist. 1 Im Fall
der Wiedererlangung ist er dem Retter einen Findungs-
und Rettungslohn schuldig. 2
III. Keine Nation und kein Individuum darf sich gegen die Per-
sonen und Güter der Schiffbrüchigen vergreifen. Das s. g.
Strandrecht ist ein Schandrecht. Nur ein Anspruch für
Rettung und Bergung ist begründet; 3 ein Eigenthum an
den gestrandeten Sachen erst durch Ablauf der Verjährung
zu gewinnen. Dennoch wird hierin der kalten Immora-
lität der Küstenbewohner noch Vieles nachgesagt. 4
IV. Jedes in das Wassergebiet eines fremden Staates zugelassene
Schiff darf sich auch der Anstalten und Mittel bedienen,
welche zur Sicherheit der Schiffahrt und zur Verbindung
mit dem Lande für einen erlaubten Verkehr bestimmt sind. 5

1 So richtig Mittermaier, d. Privatr. §. 162. a. E.
2 Die Seegesetze und Seegebräuche sind hierüber noch nicht im Einklang.
Die Britischen Seerichter nehmen ein Derelict an, wenn das Schiff ohne
Hoffnung einer Rückkehr ganz verlassen ist. Jacobson Seerecht, S. 774.
Einzelne Gesetze nehmen hier größere Rücksicht auf den Eigenthümer. Viele
lassen die Frage unentschieden und unterwerfen sie nur den allgemeinen
Grundsätzen von Aufgebung (abandon) des Eigenthums.
3 Das Römische Recht schützte bereits die Schiffbrüchigen und sicherte ih-
nen schleunige Justiz tit. C. de naufrag. Ebenso das Westgothische Ge-
setzbuch und Theodorich d. Gr. Im Mittelalter galt es aber trotz allen
päbstlichen, kaiserlichen, königlichen und vielen anderen Verboten noch als ein
wirkliches Recht. Pütter, Beitr. 118--128. Jetzt giebt es kein Europäi-
sches Land mehr, wo es durch das Gesetz unterstützt würde. S. schon
Jouffroy p. 51. Klüber dr. d. g. §. 77. de Miltitz l. c. I, p. 144. s.
Nur hinsichtlich des Bergelohnes und Verfahrens differiren die Gesetze und
Gebräuche. S. vorzüglich Jacobson Seerecht S. 745 ff. Pöhls, Seerecht
Th. III, S. 968 f.
4 So noch von einer Britischen Parlaments-Commission von 1843. Auch
aus Frankreich hat man Aehnliches vernommen.
5 Jouffroy p. 47. Wheaton, intern. L. I, 4. §. 13. §. 18. Groot II,
2, 15. Pufendorf III, 3, 8.
Erſtes Buch. §. 79.
II. Keine Nation, kein Individuum derſelben hat das Recht,
ſich ein von der Mannſchaft verlaſſenes Schiff einer frem-
den Nation anzueignen, ſofern nicht eine Eigenthumsdere-
liction dem Eigenthümer gegenüber erweislich oder der-
ſelbe durch Klageverjährung ausgeſchloſſen iſt. 1 Im Fall
der Wiedererlangung iſt er dem Retter einen Findungs-
und Rettungslohn ſchuldig. 2
III. Keine Nation und kein Individuum darf ſich gegen die Per-
ſonen und Güter der Schiffbrüchigen vergreifen. Das ſ. g.
Strandrecht iſt ein Schandrecht. Nur ein Anſpruch für
Rettung und Bergung iſt begründet; 3 ein Eigenthum an
den geſtrandeten Sachen erſt durch Ablauf der Verjährung
zu gewinnen. Dennoch wird hierin der kalten Immora-
lität der Küſtenbewohner noch Vieles nachgeſagt. 4
IV. Jedes in das Waſſergebiet eines fremden Staates zugelaſſene
Schiff darf ſich auch der Anſtalten und Mittel bedienen,
welche zur Sicherheit der Schiffahrt und zur Verbindung
mit dem Lande für einen erlaubten Verkehr beſtimmt ſind. 5

1 So richtig Mittermaier, d. Privatr. §. 162. a. E.
2 Die Seegeſetze und Seegebräuche ſind hierüber noch nicht im Einklang.
Die Britiſchen Seerichter nehmen ein Derelict an, wenn das Schiff ohne
Hoffnung einer Rückkehr ganz verlaſſen iſt. Jacobſon Seerecht, S. 774.
Einzelne Geſetze nehmen hier größere Rückſicht auf den Eigenthümer. Viele
laſſen die Frage unentſchieden und unterwerfen ſie nur den allgemeinen
Grundſätzen von Aufgebung (abandon) des Eigenthums.
3 Das Römiſche Recht ſchützte bereits die Schiffbrüchigen und ſicherte ih-
nen ſchleunige Juſtiz tit. C. de naufrag. Ebenſo das Weſtgothiſche Ge-
ſetzbuch und Theodorich d. Gr. Im Mittelalter galt es aber trotz allen
päbſtlichen, kaiſerlichen, königlichen und vielen anderen Verboten noch als ein
wirkliches Recht. Pütter, Beitr. 118—128. Jetzt giebt es kein Europäi-
ſches Land mehr, wo es durch das Geſetz unterſtützt würde. S. ſchon
Jouffroy p. 51. Klüber dr. d. g. §. 77. de Miltitz l. c. I, p. 144. s.
Nur hinſichtlich des Bergelohnes und Verfahrens differiren die Geſetze und
Gebräuche. S. vorzüglich Jacobſon Seerecht S. 745 ff. Pöhls, Seerecht
Th. III, S. 968 f.
4 So noch von einer Britiſchen Parlaments-Commiſſion von 1843. Auch
aus Frankreich hat man Aehnliches vernommen.
5 Jouffroy p. 47. Wheaton, intern. L. I, 4. §. 13. §. 18. Groot II,
2, 15. Pufendorf III, 3, 8.
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[140/0164] Erſtes Buch. §. 79. II. Keine Nation, kein Individuum derſelben hat das Recht, ſich ein von der Mannſchaft verlaſſenes Schiff einer frem- den Nation anzueignen, ſofern nicht eine Eigenthumsdere- liction dem Eigenthümer gegenüber erweislich oder der- ſelbe durch Klageverjährung ausgeſchloſſen iſt. 1 Im Fall der Wiedererlangung iſt er dem Retter einen Findungs- und Rettungslohn ſchuldig. 2 III. Keine Nation und kein Individuum darf ſich gegen die Per- ſonen und Güter der Schiffbrüchigen vergreifen. Das ſ. g. Strandrecht iſt ein Schandrecht. Nur ein Anſpruch für Rettung und Bergung iſt begründet; 3 ein Eigenthum an den geſtrandeten Sachen erſt durch Ablauf der Verjährung zu gewinnen. Dennoch wird hierin der kalten Immora- lität der Küſtenbewohner noch Vieles nachgeſagt. 4 IV. Jedes in das Waſſergebiet eines fremden Staates zugelaſſene Schiff darf ſich auch der Anſtalten und Mittel bedienen, welche zur Sicherheit der Schiffahrt und zur Verbindung mit dem Lande für einen erlaubten Verkehr beſtimmt ſind. 5 1 So richtig Mittermaier, d. Privatr. §. 162. a. E. 2 Die Seegeſetze und Seegebräuche ſind hierüber noch nicht im Einklang. Die Britiſchen Seerichter nehmen ein Derelict an, wenn das Schiff ohne Hoffnung einer Rückkehr ganz verlaſſen iſt. Jacobſon Seerecht, S. 774. Einzelne Geſetze nehmen hier größere Rückſicht auf den Eigenthümer. Viele laſſen die Frage unentſchieden und unterwerfen ſie nur den allgemeinen Grundſätzen von Aufgebung (abandon) des Eigenthums. 3 Das Römiſche Recht ſchützte bereits die Schiffbrüchigen und ſicherte ih- nen ſchleunige Juſtiz tit. C. de naufrag. Ebenſo das Weſtgothiſche Ge- ſetzbuch und Theodorich d. Gr. Im Mittelalter galt es aber trotz allen päbſtlichen, kaiſerlichen, königlichen und vielen anderen Verboten noch als ein wirkliches Recht. Pütter, Beitr. 118—128. Jetzt giebt es kein Europäi- ſches Land mehr, wo es durch das Geſetz unterſtützt würde. S. ſchon Jouffroy p. 51. Klüber dr. d. g. §. 77. de Miltitz l. c. I, p. 144. s. Nur hinſichtlich des Bergelohnes und Verfahrens differiren die Geſetze und Gebräuche. S. vorzüglich Jacobſon Seerecht S. 745 ff. Pöhls, Seerecht Th. III, S. 968 f. 4 So noch von einer Britiſchen Parlaments-Commiſſion von 1843. Auch aus Frankreich hat man Aehnliches vernommen. 5 Jouffroy p. 47. Wheaton, intern. L. I, 4. §. 13. §. 18. Groot II, 2, 15. Pufendorf III, 3, 8.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/164>, abgerufen am 22.11.2024.