zu seyn pflegt. Ward in der catholischen Welt die Lücke gehörig ausgefüllt, die dadurch in dem Unter- richt entstand? Konnte sie auch nur plötzlich aus- gefüllt werden? Der große politische Einfluß der Gesellschaft war ohnedem dahin; und es wäre thö- richt zu glauben, daß sie den Gang der großen Weltbegebenheiten noch würde haben leiten können. Aber ob die Rückwirkungen der aufgehobenen Gesellschaft nicht noch nachtheiliger waren, als ihre Wirksamkeit bey einer, durch eine Reform beschränk- ten, Fortdauer hätte seyn können, wird wohl immer ein Problem für die Geschichte bleiben.
77. Während aber bey diesen Vorfällen der We- sten von Europa einer tiefen Ruhe genoß, die durch 1770das freundschaftliche Einverständniß Oestreichs und Preußens, durch die Begebenheiten des Nordens befördert, noch befestigt ward, reifte in dem In- nern der Cabinette immer mehr jene Vergrößerungs- und Arrondirungspolitik, die aus der zerstückel- ten Lage der Preußischen Monarchie hauptsächlich hervorgehend, in den Bedürfnissen und der innern Administration der Reiche so laute Fürsprecher fand, daß sie bald als herrschendes Princip der Politik betrachtet werden mußte. Den ersten, selbst das Zeitalter überraschenden, Beweis davon sollte es im Norden in der ersten Thei-
lung
II. Per. C. I. Geſch. d. ſuͤdl. Eur. Staatenſyſt.
zu ſeyn pflegt. Ward in der catholiſchen Welt die Luͤcke gehoͤrig ausgefuͤllt, die dadurch in dem Unter- richt entſtand? Konnte ſie auch nur ploͤtzlich aus- gefuͤllt werden? Der große politiſche Einfluß der Geſellſchaft war ohnedem dahin; und es waͤre thoͤ- richt zu glauben, daß ſie den Gang der großen Weltbegebenheiten noch wuͤrde haben leiten koͤnnen. Aber ob die Ruͤckwirkungen der aufgehobenen Geſellſchaft nicht noch nachtheiliger waren, als ihre Wirkſamkeit bey einer, durch eine Reform beſchraͤnk- ten, Fortdauer haͤtte ſeyn koͤnnen, wird wohl immer ein Problem fuͤr die Geſchichte bleiben.
77. Waͤhrend aber bey dieſen Vorfaͤllen der We- ſten von Europa einer tiefen Ruhe genoß, die durch 1770das freundſchaftliche Einverſtaͤndniß Oeſtreichs und Preußens, durch die Begebenheiten des Nordens befoͤrdert, noch befeſtigt ward, reifte in dem In- nern der Cabinette immer mehr jene Vergroͤßerungs- und Arrondirungspolitik, die aus der zerſtuͤckel- ten Lage der Preußiſchen Monarchie hauptſaͤchlich hervorgehend, in den Beduͤrfniſſen und der innern Adminiſtration der Reiche ſo laute Fuͤrſprecher fand, daß ſie bald als herrſchendes Princip der Politik betrachtet werden mußte. Den erſten, ſelbſt das Zeitalter uͤberraſchenden, Beweis davon ſollte es im Norden in der erſten Thei-
lung
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><p><pbfacs="#f0460"n="422"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">II.</hi> Per. <hirendition="#aq">C. I.</hi> Geſch. d. ſuͤdl. Eur. Staatenſyſt.</hi></fw><lb/>
zu ſeyn pflegt. Ward in der catholiſchen Welt die<lb/>
Luͤcke gehoͤrig ausgefuͤllt, die dadurch in dem Unter-<lb/>
richt entſtand? <hirendition="#g">Konnte</hi>ſie auch nur ploͤtzlich aus-<lb/>
gefuͤllt werden? Der <hirendition="#g">große</hi> politiſche Einfluß der<lb/>
Geſellſchaft war ohnedem dahin; und es waͤre thoͤ-<lb/>
richt zu glauben, daß ſie den Gang der großen<lb/>
Weltbegebenheiten noch wuͤrde haben leiten koͤnnen.<lb/>
Aber ob die <hirendition="#g">Ruͤckwirkungen</hi> der aufgehobenen<lb/>
Geſellſchaft nicht noch nachtheiliger waren, als ihre<lb/>
Wirkſamkeit bey einer, durch eine Reform beſchraͤnk-<lb/>
ten, Fortdauer haͤtte ſeyn koͤnnen, wird wohl immer<lb/>
ein Problem fuͤr die Geſchichte bleiben.</p><lb/><p>77. Waͤhrend aber bey dieſen Vorfaͤllen der We-<lb/>ſten von Europa einer tiefen Ruhe genoß, die durch<lb/><noteplace="left">1770</note>das freundſchaftliche Einverſtaͤndniß Oeſtreichs und<lb/>
Preußens, durch die Begebenheiten des Nordens<lb/>
befoͤrdert, noch befeſtigt ward, reifte in dem In-<lb/>
nern der Cabinette immer mehr jene Vergroͤßerungs-<lb/>
und Arrondirungspolitik, die <hirendition="#g">aus der zerſtuͤckel-<lb/>
ten Lage der Preußiſchen Monarchie</hi><lb/>
hauptſaͤchlich hervorgehend, in den Beduͤrfniſſen<lb/>
und der innern Adminiſtration der Reiche ſo laute<lb/>
Fuͤrſprecher fand, daß ſie bald als herrſchendes<lb/>
Princip der Politik betrachtet werden mußte. Den<lb/>
erſten, ſelbſt das Zeitalter uͤberraſchenden, Beweis<lb/>
davon ſollte es im Norden in der <hirendition="#g">erſten Thei-</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#g">lung</hi></fw><lb/></p></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[422/0460]
II. Per. C. I. Geſch. d. ſuͤdl. Eur. Staatenſyſt.
zu ſeyn pflegt. Ward in der catholiſchen Welt die
Luͤcke gehoͤrig ausgefuͤllt, die dadurch in dem Unter-
richt entſtand? Konnte ſie auch nur ploͤtzlich aus-
gefuͤllt werden? Der große politiſche Einfluß der
Geſellſchaft war ohnedem dahin; und es waͤre thoͤ-
richt zu glauben, daß ſie den Gang der großen
Weltbegebenheiten noch wuͤrde haben leiten koͤnnen.
Aber ob die Ruͤckwirkungen der aufgehobenen
Geſellſchaft nicht noch nachtheiliger waren, als ihre
Wirkſamkeit bey einer, durch eine Reform beſchraͤnk-
ten, Fortdauer haͤtte ſeyn koͤnnen, wird wohl immer
ein Problem fuͤr die Geſchichte bleiben.
77. Waͤhrend aber bey dieſen Vorfaͤllen der We-
ſten von Europa einer tiefen Ruhe genoß, die durch
das freundſchaftliche Einverſtaͤndniß Oeſtreichs und
Preußens, durch die Begebenheiten des Nordens
befoͤrdert, noch befeſtigt ward, reifte in dem In-
nern der Cabinette immer mehr jene Vergroͤßerungs-
und Arrondirungspolitik, die aus der zerſtuͤckel-
ten Lage der Preußiſchen Monarchie
hauptſaͤchlich hervorgehend, in den Beduͤrfniſſen
und der innern Adminiſtration der Reiche ſo laute
Fuͤrſprecher fand, daß ſie bald als herrſchendes
Princip der Politik betrachtet werden mußte. Den
erſten, ſelbſt das Zeitalter uͤberraſchenden, Beweis
davon ſollte es im Norden in der erſten Thei-
lung
1770
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Heeren, Arnold H. L.: Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Kolonien. Göttingen, 1809, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heeren_staatensystem_1809/460>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.