Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heeren, Arnold H. L.: Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Kolonien. Göttingen, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Per. B. I. Gesch. d. südl. Eur. Staatensyst.
wie dieß auf ihre Deutschen Länder zurückwirken
würde? So viel schien auf jeden Fall ausgemacht,
daß die Festigkeit des ohnehin so schwachen Reichs-
verbandes nicht dadurch gewinnen konnte. Ließ sich
das Interesse ihrer Kronen und ihrer Fürstenhüthe
immer trennen? Und wenn sie selber es auch wollten,
waren ihre Feinde geneigt dazu? In welche Händel
Europas mußten nicht wenigstens einzelne Deutsche
Staaten dadurch hereingezogen werden? Und wie
leicht alsdann nicht das Ganze?

10. Die Politik überhaupt behielt -- ganz
in den Händen weniger Minister und ihrer Ver-
trauten -- in dieser Periode den vollen Character
der Cabinetspolitik. Nie war noch des Unter-
handelns so viel in Europa gewesen; nie glaubte
man so viel damit ausrichten zu können. Ihre grö-
ßere oder geringere Moralität mußte daher aller-
dings zunächst in einem gewissen Grade von der
Moral der Minister abhangen. So lange sie in-
deß noch auf gewisse Grundsätze gebaut blieb, so
lange man der Heiligkeit des rechtmäßigen Besitzes
nicht geradezu zu trotzen wagte, konnte sie auch
den Schein der Moralität nicht entbehren. Selbst
der Regent, und der verworfene Dubois, erscheinen
in ihrem öffentlichen Leben lange nicht so gehässig
als in ihrem Privatleben.

11.

II. Per. B. I. Geſch. d. ſuͤdl. Eur. Staatenſyſt.
wie dieß auf ihre Deutſchen Laͤnder zuruͤckwirken
wuͤrde? So viel ſchien auf jeden Fall ausgemacht,
daß die Feſtigkeit des ohnehin ſo ſchwachen Reichs-
verbandes nicht dadurch gewinnen konnte. Ließ ſich
das Intereſſe ihrer Kronen und ihrer Fuͤrſtenhuͤthe
immer trennen? Und wenn ſie ſelber es auch wollten,
waren ihre Feinde geneigt dazu? In welche Haͤndel
Europas mußten nicht wenigſtens einzelne Deutſche
Staaten dadurch hereingezogen werden? Und wie
leicht alsdann nicht das Ganze?

10. Die Politik uͤberhaupt behielt — ganz
in den Haͤnden weniger Miniſter und ihrer Ver-
trauten — in dieſer Periode den vollen Character
der Cabinetspolitik. Nie war noch des Unter-
handelns ſo viel in Europa geweſen; nie glaubte
man ſo viel damit ausrichten zu koͤnnen. Ihre groͤ-
ßere oder geringere Moralitaͤt mußte daher aller-
dings zunaͤchſt in einem gewiſſen Grade von der
Moral der Miniſter abhangen. So lange ſie in-
deß noch auf gewiſſe Grundſaͤtze gebaut blieb, ſo
lange man der Heiligkeit des rechtmaͤßigen Beſitzes
nicht geradezu zu trotzen wagte, konnte ſie auch
den Schein der Moralitaͤt nicht entbehren. Selbſt
der Regent, und der verworfene Dubois, erſcheinen
in ihrem oͤffentlichen Leben lange nicht ſo gehaͤſſig
als in ihrem Privatleben.

11.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0358" n="320"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Per. <hi rendition="#aq">B. I.</hi> Ge&#x017F;ch. d. &#x017F;u&#x0364;dl. Eur. Staaten&#x017F;y&#x017F;t.</hi></fw><lb/>
wie dieß auf ihre Deut&#x017F;chen La&#x0364;nder zuru&#x0364;ckwirken<lb/>
wu&#x0364;rde? So viel &#x017F;chien auf jeden Fall ausgemacht,<lb/>
daß die Fe&#x017F;tigkeit des ohnehin &#x017F;o &#x017F;chwachen Reichs-<lb/>
verbandes nicht dadurch gewinnen konnte. Ließ &#x017F;ich<lb/>
das Intere&#x017F;&#x017F;e ihrer Kronen und ihrer Fu&#x0364;r&#x017F;tenhu&#x0364;the<lb/>
immer trennen? Und wenn &#x017F;ie &#x017F;elber es auch wollten,<lb/>
waren ihre Feinde geneigt dazu? In welche Ha&#x0364;ndel<lb/>
Europas mußten nicht wenig&#x017F;tens einzelne Deut&#x017F;che<lb/>
Staaten dadurch hereingezogen werden? Und wie<lb/>
leicht alsdann nicht das Ganze?</p><lb/>
                <p>10. Die <hi rendition="#g">Politik</hi> u&#x0364;berhaupt behielt &#x2014; ganz<lb/>
in den Ha&#x0364;nden weniger Mini&#x017F;ter und ihrer Ver-<lb/>
trauten &#x2014; in die&#x017F;er Periode den vollen Character<lb/>
der <hi rendition="#g">Cabinetspolitik</hi>. Nie war noch des Unter-<lb/>
handelns &#x017F;o viel in Europa gewe&#x017F;en; nie glaubte<lb/>
man &#x017F;o viel damit ausrichten zu ko&#x0364;nnen. Ihre gro&#x0364;-<lb/>
ßere oder geringere Moralita&#x0364;t mußte daher aller-<lb/>
dings zuna&#x0364;ch&#x017F;t in einem gewi&#x017F;&#x017F;en Grade von der<lb/>
Moral der Mini&#x017F;ter abhangen. So lange &#x017F;ie in-<lb/>
deß noch auf gewi&#x017F;&#x017F;e Grund&#x017F;a&#x0364;tze gebaut blieb, &#x017F;o<lb/>
lange man der Heiligkeit des rechtma&#x0364;ßigen Be&#x017F;itzes<lb/>
nicht geradezu zu trotzen wagte, konnte &#x017F;ie auch<lb/>
den Schein der Moralita&#x0364;t nicht entbehren. Selb&#x017F;t<lb/>
der Regent, und der verworfene <hi rendition="#g">Dubois</hi>, er&#x017F;cheinen<lb/>
in ihrem o&#x0364;ffentlichen Leben lange nicht &#x017F;o geha&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig<lb/>
als in ihrem Privatleben.</p><lb/>
                <fw place="bottom" type="catch">11.</fw><lb/>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[320/0358] II. Per. B. I. Geſch. d. ſuͤdl. Eur. Staatenſyſt. wie dieß auf ihre Deutſchen Laͤnder zuruͤckwirken wuͤrde? So viel ſchien auf jeden Fall ausgemacht, daß die Feſtigkeit des ohnehin ſo ſchwachen Reichs- verbandes nicht dadurch gewinnen konnte. Ließ ſich das Intereſſe ihrer Kronen und ihrer Fuͤrſtenhuͤthe immer trennen? Und wenn ſie ſelber es auch wollten, waren ihre Feinde geneigt dazu? In welche Haͤndel Europas mußten nicht wenigſtens einzelne Deutſche Staaten dadurch hereingezogen werden? Und wie leicht alsdann nicht das Ganze? 10. Die Politik uͤberhaupt behielt — ganz in den Haͤnden weniger Miniſter und ihrer Ver- trauten — in dieſer Periode den vollen Character der Cabinetspolitik. Nie war noch des Unter- handelns ſo viel in Europa geweſen; nie glaubte man ſo viel damit ausrichten zu koͤnnen. Ihre groͤ- ßere oder geringere Moralitaͤt mußte daher aller- dings zunaͤchſt in einem gewiſſen Grade von der Moral der Miniſter abhangen. So lange ſie in- deß noch auf gewiſſe Grundſaͤtze gebaut blieb, ſo lange man der Heiligkeit des rechtmaͤßigen Beſitzes nicht geradezu zu trotzen wagte, konnte ſie auch den Schein der Moralitaͤt nicht entbehren. Selbſt der Regent, und der verworfene Dubois, erſcheinen in ihrem oͤffentlichen Leben lange nicht ſo gehaͤſſig als in ihrem Privatleben. 11.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heeren_staatensystem_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heeren_staatensystem_1809/358
Zitationshilfe: Heeren, Arnold H. L.: Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Kolonien. Göttingen, 1809, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heeren_staatensystem_1809/358>, abgerufen am 09.05.2024.