Stoff der feste Kern, um welchen der Schüler selbst sein Wissen und Können zu sammeln, sich darüber klar und desselben froh zu werden im Stande ist; und mit Gewißheit ist anzunehmen, daß er ein reiches Eigenthum, dessen er sich in Folge einer plan- und mög- lichst gleichmäßigen Entwickelung des Erinnerungs-, Beobachtungs- und Urtheilsvermögens, also bei allmählig gesteigerter, wahrhafter Selbstthätigkeit, in seinem ganzen Umfange und in allen einzelnen Momenten bewußt worden ist, über das Schulleben hinaus- trägt. 11. Im Allgemeinen ergiebt sich schon aus dem Vorstehenden, daß das formale und das materielle Bildungselement an sich gleichmäßig berücksichtigt sind, daß es aber, je nach der vorwaltenden Bestimmung der betreffenden Unterrichtsanstalt, in die Willkühr des Lehrenden (oder Lernenden) gestellt bleibt, durch Er- weiterung und fleißige praktische Anwendung des Normalstoffes dem materiellen, oder durch Beschränkung des Stoffes und tieferes Ein- dringen in dessen Bestandtheile dem formalen Zwecke das Ueber- gewicht zu verleihen. 12. Daß eine solche Concentration des Stoffes noch im Besondern für Prosodik und Metrik, in den neueren Sprachen für die Aussprache, in der Muttersprache für die Ortho- graphie, im Griechischen und Hebräischen für die Accentuation etc. sich fruchtbar erweise, und daß in Zukunft durch analoge Uebertragung der Methode auf andere Lehrzweige und in die Elementar- schule für den Gesammtunterricht Einheit, Sicherung und Beschleu- nigung gewonnen werden solle, kann hier nur mit einem Worte an- gedeutet werden.
Ob freilich die aufgeführten Vortheile sämmtlich und vollständig erreicht werden, das hängt begreiflich von dem Eifer und Geschicke der Lehrer, von dem Einverständnisse der Collegen und von begünstigenden Umständen ab. Vorerst ist es genug, wenn hier Erfolge zu erringen sind, die die Natur des herkömmlichen Verfahrens auch bei den größten, gewissenhaftesten Anstrengungen unmöglich machte. Daß aber diese Erfolge nicht blos in der Phantasie des Urhebers der Methode und seiner Freunde existiren, dafür legt die Praxis selbst bereits hin- reichend Zeugniß ab. Unter den mehr als achtzig Gymnasien, die seit einigen Jahren den Vorschlag nach und nach in ihre Praxis aufge- nommen haben, bin ich im Stande, aus zuverlässigen Quellen folgende neun als solche aufzuführen, in welchen derselbe in größerem Umfange
Stoff der feſte Kern, um welchen der Schüler ſelbſt ſein Wiſſen und Können zu ſammeln, ſich darüber klar und deſſelben froh zu werden im Stande iſt; und mit Gewißheit iſt anzunehmen, daß er ein reiches Eigenthum, deſſen er ſich in Folge einer plan- und mög- lichſt gleichmäßigen Entwickelung des Erinnerungs-, Beobachtungs- und Urtheilsvermögens, alſo bei allmählig geſteigerter, wahrhafter Selbſtthätigkeit, in ſeinem ganzen Umfange und in allen einzelnen Momenten bewußt worden iſt, über das Schulleben hinaus- trägt. 11. Im Allgemeinen ergiebt ſich ſchon aus dem Vorſtehenden, daß das formale und das materielle Bildungselement an ſich gleichmäßig berückſichtigt ſind, daß es aber, je nach der vorwaltenden Beſtimmung der betreffenden Unterrichtsanſtalt, in die Willkühr des Lehrenden (oder Lernenden) geſtellt bleibt, durch Er- weiterung und fleißige praktiſche Anwendung des Normalſtoffes dem materiellen, oder durch Beſchränkung des Stoffes und tieferes Ein- dringen in deſſen Beſtandtheile dem formalen Zwecke das Ueber- gewicht zu verleihen. 12. Daß eine ſolche Concentration des Stoffes noch im Beſondern für Proſodik und Metrik, in den neueren Sprachen für die Ausſprache, in der Mutterſprache für die Ortho- graphie, im Griechiſchen und Hebräiſchen für die Accentuation ꝛc. ſich fruchtbar erweiſe, und daß in Zukunft durch analoge Uebertragung der Methode auf andere Lehrzweige und in die Elementar- ſchule für den Geſammtunterricht Einheit, Sicherung und Beſchleu- nigung gewonnen werden ſolle, kann hier nur mit einem Worte an- gedeutet werden.
Ob freilich die aufgeführten Vortheile ſämmtlich und vollſtändig erreicht werden, das hängt begreiflich von dem Eifer und Geſchicke der Lehrer, von dem Einverſtändniſſe der Collegen und von begünſtigenden Umſtänden ab. Vorerſt iſt es genug, wenn hier Erfolge zu erringen ſind, die die Natur des herkömmlichen Verfahrens auch bei den größten, gewiſſenhafteſten Anſtrengungen unmöglich machte. Daß aber dieſe Erfolge nicht blos in der Phantaſie des Urhebers der Methode und ſeiner Freunde exiſtiren, dafür legt die Praxis ſelbſt bereits hin- reichend Zeugniß ab. Unter den mehr als achtzig Gymnaſien, die ſeit einigen Jahren den Vorſchlag nach und nach in ihre Praxis aufge- nommen haben, bin ich im Stande, aus zuverläſſigen Quellen folgende neun als ſolche aufzuführen, in welchen derſelbe in größerem Umfange
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Stoff der feſte Kern, um welchen der Schüler ſelbſt ſein Wiſſen
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reiches Eigenthum, deſſen er ſich in Folge einer plan- und mög-
lichſt gleichmäßigen Entwickelung des Erinnerungs-, Beobachtungs-
und Urtheilsvermögens, alſo bei allmählig geſteigerter, wahrhafter
Selbſtthätigkeit, in ſeinem ganzen Umfange und in allen einzelnen
Momenten bewußt worden iſt, über das Schulleben hinaus-
trägt. 11. Im Allgemeinen ergiebt ſich ſchon aus dem Vorſtehenden,
daß das formale und das materielle Bildungselement an
ſich gleichmäßig berückſichtigt ſind, daß es aber, je nach
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die Willkühr des Lehrenden (oder Lernenden) geſtellt bleibt, durch Er-
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materiellen, oder durch Beſchränkung des Stoffes und tieferes Ein-
dringen in deſſen Beſtandtheile dem formalen Zwecke das Ueber-
gewicht zu verleihen. 12. Daß eine ſolche Concentration des Stoffes
noch im Beſondern für Proſodik und Metrik, in den neueren
Sprachen für die Ausſprache, in der Mutterſprache für die Ortho-
graphie, im Griechiſchen und Hebräiſchen für die Accentuation ꝛc.
ſich fruchtbar erweiſe, und daß in Zukunft durch analoge Uebertragung
der Methode auf andere Lehrzweige und in die Elementar-
ſchule für den Geſammtunterricht Einheit, Sicherung und Beſchleu-
nigung gewonnen werden ſolle, kann hier nur mit einem Worte an-
gedeutet werden.
Ob freilich die aufgeführten Vortheile ſämmtlich und vollſtändig
erreicht werden, das hängt begreiflich von dem Eifer und Geſchicke der
Lehrer, von dem Einverſtändniſſe der Collegen und von begünſtigenden
Umſtänden ab. Vorerſt iſt es genug, wenn hier Erfolge zu erringen
ſind, die die Natur des herkömmlichen Verfahrens auch bei den
größten, gewiſſenhafteſten Anſtrengungen unmöglich machte. Daß aber
dieſe Erfolge nicht blos in der Phantaſie des Urhebers der Methode
und ſeiner Freunde exiſtiren, dafür legt die Praxis ſelbſt bereits hin-
reichend Zeugniß ab. Unter den mehr als achtzig Gymnaſien, die ſeit
einigen Jahren den Vorſchlag nach und nach in ihre Praxis aufge-
nommen haben, bin ich im Stande, aus zuverläſſigen Quellen folgende
neun als ſolche aufzuführen, in welchen derſelbe in größerem Umfange
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Heckert, Adolph (Hrsg.): Handbuch der Schulgesetzgebung Preußens. Berlin, 1847, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heckert_schulgesetzgebung_1847/179>, abgerufen am 22.11.2024.
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