§. 1. Wahrer Religions-Unterricht, in welchem die Kinder zur Erkenntniß dessen, was zu ihrer Seligkeit und zur christlichen Uebung ihrer Pflichten in den Verhältnissen dieses Lebens gehört, hinlänglich angeleitet, und zur Benutzung dieser Erkenntniß in ihren Gesinnungen und Handlungen gebildet werden, ist die eigentliche Hauptsache des Unterrichts in niedern Schulen auf dem Lande und in den Städten. Der Prediger muß die Kinder aus der Schule in seinen nähern Unter- richt nehmen. Sie müssen daher aus ersterer folgende Arten der Tüchtigkeit mitbringen: a) Fertigkeit im richtig und deutlich Lesen. Hieran fehlt es bisher, allgemein genommen, mehr als man denken sollte. -- b) Hinlängliche Uebung in dem kleinen Catechismus Lutheri, den sie fertig auswendig gelernt haben müssen. -- c) Bekanntschaft mit den Hauptsätzen der Glaubens- und Lebenslehre, so wie sie in dem allgemeinen Catechismus vorgetragen und aus der heiligen Schrift erwiesen sind. -- d) Gehörige Bekanntschaft mit der Bibel, so daß sie die Hauptstellen zur Erklärung und zum Beweis der Grundwahr- heiten auswendig anführen können. Auch müssen sie geübt sein, jede ihnen aufgegebene Stelle in den biblischen Büchern sogleich aufzu- schlagen. -- e) Einen Vorrath auswendig gelernter guter Lieder, damit ihnen im ganzen Leben Erweckungen zur Gottseligkeit, Abrathungen vom Bösen, und Ermunterungen zum Guten im Gemüth bleiben. -- Außer diesen fünf Punkten müssen sie ferner f) einige Fertigkeit, leserlich und orthographisch zu schreiben, und g) einige Uebung in den gemeinsten zum Hauswesen nöthigen Rechnungen erlangt haben.
§. 2. Demzufolge müssen in jeder Land- und niedern Stadt- Schule die hier genannten Punkte als Hauptsache getrieben werden, und durchaus keinen andern Nebenarten des Unterrichts nachstehen. Am wenigsten wird den Schullehrern gestattet, mit Zurücksetzung oder nur nachlässiger Betreibung dieser Hauptstücke, Gegenstände der Natur- geschichte, Geographie etc. mit den Kindern vorzunehmen. Dagegen wird höchsten Orts für ein Schulbuch gesorgt werden, welches alles dasjenige enthält, was außer den vorgenannten Punkten, da, wo die übrigen Umstände der Schule es zulassen, mit den Größern und Ge- übtern vorgenommen werden kann.
§. 3. Wie nun die §. 1. angeführten Punkte den Lehrern in allen niedern Schulen auf dem Lande und in den Städten, als der eigentliche Gegenstand ihres Unterrichts angezeigt worden; so ist es
§. 1. Wahrer Religions-Unterricht, in welchem die Kinder zur Erkenntniß deſſen, was zu ihrer Seligkeit und zur chriſtlichen Uebung ihrer Pflichten in den Verhältniſſen dieſes Lebens gehört, hinlänglich angeleitet, und zur Benutzung dieſer Erkenntniß in ihren Geſinnungen und Handlungen gebildet werden, iſt die eigentliche Hauptſache des Unterrichts in niedern Schulen auf dem Lande und in den Städten. Der Prediger muß die Kinder aus der Schule in ſeinen nähern Unter- richt nehmen. Sie müſſen daher aus erſterer folgende Arten der Tüchtigkeit mitbringen: a) Fertigkeit im richtig und deutlich Leſen. Hieran fehlt es bisher, allgemein genommen, mehr als man denken ſollte. — b) Hinlängliche Uebung in dem kleinen Catechismus Lutheri, den ſie fertig auswendig gelernt haben müſſen. — c) Bekanntſchaft mit den Hauptſätzen der Glaubens- und Lebenslehre, ſo wie ſie in dem allgemeinen Catechismus vorgetragen und aus der heiligen Schrift erwieſen ſind. — d) Gehörige Bekanntſchaft mit der Bibel, ſo daß ſie die Hauptſtellen zur Erklärung und zum Beweis der Grundwahr- heiten auswendig anführen können. Auch müſſen ſie geübt ſein, jede ihnen aufgegebene Stelle in den bibliſchen Büchern ſogleich aufzu- ſchlagen. — e) Einen Vorrath auswendig gelernter guter Lieder, damit ihnen im ganzen Leben Erweckungen zur Gottſeligkeit, Abrathungen vom Böſen, und Ermunterungen zum Guten im Gemüth bleiben. — Außer dieſen fünf Punkten müſſen ſie ferner f) einige Fertigkeit, leſerlich und orthographiſch zu ſchreiben, und g) einige Uebung in den gemeinſten zum Hausweſen nöthigen Rechnungen erlangt haben.
§. 2. Demzufolge müſſen in jeder Land- und niedern Stadt- Schule die hier genannten Punkte als Hauptſache getrieben werden, und durchaus keinen andern Nebenarten des Unterrichts nachſtehen. Am wenigſten wird den Schullehrern geſtattet, mit Zurückſetzung oder nur nachläſſiger Betreibung dieſer Hauptſtücke, Gegenſtände der Natur- geſchichte, Geographie ꝛc. mit den Kindern vorzunehmen. Dagegen wird höchſten Orts für ein Schulbuch geſorgt werden, welches alles dasjenige enthält, was außer den vorgenannten Punkten, da, wo die übrigen Umſtände der Schule es zulaſſen, mit den Größern und Ge- übtern vorgenommen werden kann.
§. 3. Wie nun die §. 1. angeführten Punkte den Lehrern in allen niedern Schulen auf dem Lande und in den Städten, als der eigentliche Gegenſtand ihres Unterrichts angezeigt worden; ſo iſt es
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§. 1. Wahrer Religions-Unterricht, in welchem die Kinder zur
Erkenntniß deſſen, was zu ihrer Seligkeit und zur chriſtlichen Uebung
ihrer Pflichten in den Verhältniſſen dieſes Lebens gehört, hinlänglich
angeleitet, und zur Benutzung dieſer Erkenntniß in ihren Geſinnungen
und Handlungen gebildet werden, iſt die eigentliche Hauptſache des
Unterrichts in niedern Schulen auf dem Lande und in den Städten.
Der Prediger muß die Kinder aus der Schule in ſeinen nähern Unter-
richt nehmen. Sie müſſen daher aus erſterer folgende Arten der
Tüchtigkeit mitbringen: a) Fertigkeit im richtig und deutlich Leſen.
Hieran fehlt es bisher, allgemein genommen, mehr als man denken
ſollte. — b) Hinlängliche Uebung in dem kleinen Catechismus Lutheri,
den ſie fertig auswendig gelernt haben müſſen. — c) Bekanntſchaft
mit den Hauptſätzen der Glaubens- und Lebenslehre, ſo wie ſie in
dem allgemeinen Catechismus vorgetragen und aus der heiligen Schrift
erwieſen ſind. — d) Gehörige Bekanntſchaft mit der Bibel, ſo daß
ſie die Hauptſtellen zur Erklärung und zum Beweis der Grundwahr-
heiten auswendig anführen können. Auch müſſen ſie geübt ſein, jede
ihnen aufgegebene Stelle in den bibliſchen Büchern ſogleich aufzu-
ſchlagen. — e) Einen Vorrath auswendig gelernter guter Lieder, damit
ihnen im ganzen Leben Erweckungen zur Gottſeligkeit, Abrathungen
vom Böſen, und Ermunterungen zum Guten im Gemüth bleiben. —
Außer dieſen fünf Punkten müſſen ſie ferner f) einige Fertigkeit,
leſerlich und orthographiſch zu ſchreiben, und g) einige Uebung in den
gemeinſten zum Hausweſen nöthigen Rechnungen erlangt haben.
§. 2. Demzufolge müſſen in jeder Land- und niedern Stadt-
Schule die hier genannten Punkte als Hauptſache getrieben werden,
und durchaus keinen andern Nebenarten des Unterrichts nachſtehen.
Am wenigſten wird den Schullehrern geſtattet, mit Zurückſetzung oder
nur nachläſſiger Betreibung dieſer Hauptſtücke, Gegenſtände der Natur-
geſchichte, Geographie ꝛc. mit den Kindern vorzunehmen. Dagegen
wird höchſten Orts für ein Schulbuch geſorgt werden, welches alles
dasjenige enthält, was außer den vorgenannten Punkten, da, wo die
übrigen Umſtände der Schule es zulaſſen, mit den Größern und Ge-
übtern vorgenommen werden kann.
§. 3. Wie nun die §. 1. angeführten Punkte den Lehrern in
allen niedern Schulen auf dem Lande und in den Städten, als der
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Heckert, Adolph (Hrsg.): Handbuch der Schulgesetzgebung Preußens. Berlin, 1847, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heckert_schulgesetzgebung_1847/115>, abgerufen am 22.11.2024.
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