Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hebel, Johann Peter: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

Geld habe ich gefunden. Dieß wirds wohl seyn! So nimm dein Eigenthum zurück! "So sprach er mit dem heitern Blick eines ehrlichen Mannes und eines guten Gewissens, und das war schön. Der andere machte auch ein fröhliches Gesicht, aber nur, weil er sein verlohren geschätztes Geld wieder hatte. Denn wie es um seine Ehrlichkeit aussah, das wird sich bald zeigen. Er zählte das Geld, und dachte unterdessen geschwinde nach, wie er den treuen Finder um seine versprochene Belohnung bringen könnte. "Guter Freund", sprach er hierauf, "es waren eigentlich 800 Thlr. in dem Tuch eingenähet. Ich finde aber nur noch 700 Thlr. Ihr werdet also wohl eine Naht aufgetrennt und eure 100 Thlr. Belohnung schon heraus genommen haben. Da habt ihr wohl daran gethan. Ich danke euch." Das war nicht schön. Aber wir sind auch noch nicht am Ende. Ehrlich währt am längsten und Unrecht schlägt seinen eigenen Herrn. Der ehrliche Finder, dem es weniger um die 100 Thlr. als um seine unbescholtene Rechtschaffenheit zu thun war, versicherte, daß er das Päcklein so gefunden habe, wie er es bringe, und es so bringe, wie ers gefunden habe. Am Ende kamen sie vor den Richter. Beyde bestunden auch hier noch auf ihrer Behauptung, der eine, daß 800 Thlr. seyen eingenäht gewesen, der andere, daß er von dem Gefundenen nichts genommen und das Päcklein nicht versehrt habe. Da war guter Rath theuer. Aber der kluge Richter, der die Ehrlichkeit des einen und die schlechte Gesinnung des andern zum Voraus zu kennen schien, grief die Sache so an: Er ließ sich von beiden über das was sie aussagten, eine

Geld habe ich gefunden. Dieß wirds wohl seyn! So nimm dein Eigenthum zurück! „So sprach er mit dem heitern Blick eines ehrlichen Mannes und eines guten Gewissens, und das war schön. Der andere machte auch ein fröhliches Gesicht, aber nur, weil er sein verlohren geschätztes Geld wieder hatte. Denn wie es um seine Ehrlichkeit aussah, das wird sich bald zeigen. Er zählte das Geld, und dachte unterdessen geschwinde nach, wie er den treuen Finder um seine versprochene Belohnung bringen könnte. „Guter Freund“, sprach er hierauf, „es waren eigentlich 800 Thlr. in dem Tuch eingenähet. Ich finde aber nur noch 700 Thlr. Ihr werdet also wohl eine Naht aufgetrennt und eure 100 Thlr. Belohnung schon heraus genommen haben. Da habt ihr wohl daran gethan. Ich danke euch.“ Das war nicht schön. Aber wir sind auch noch nicht am Ende. Ehrlich währt am längsten und Unrecht schlägt seinen eigenen Herrn. Der ehrliche Finder, dem es weniger um die 100 Thlr. als um seine unbescholtene Rechtschaffenheit zu thun war, versicherte, daß er das Päcklein so gefunden habe, wie er es bringe, und es so bringe, wie ers gefunden habe. Am Ende kamen sie vor den Richter. Beyde bestunden auch hier noch auf ihrer Behauptung, der eine, daß 800 Thlr. seyen eingenäht gewesen, der andere, daß er von dem Gefundenen nichts genommen und das Päcklein nicht versehrt habe. Da war guter Rath theuer. Aber der kluge Richter, der die Ehrlichkeit des einen und die schlechte Gesinnung des andern zum Voraus zu kennen schien, grief die Sache so an: Er ließ sich von beiden über das was sie aussagten, eine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0067" n="59"/>
Geld habe ich gefunden. Dieß wirds wohl seyn! So nimm dein Eigenthum zurück! &#x201E;So sprach er mit dem heitern Blick eines ehrlichen Mannes und eines guten Gewissens, und das war schön. Der andere machte auch ein fröhliches Gesicht, aber nur, weil er sein verlohren geschätztes Geld wieder hatte. Denn wie es um seine Ehrlichkeit aussah, das wird sich bald zeigen. Er zählte das Geld, und dachte unterdessen geschwinde nach, wie er den treuen Finder um seine versprochene Belohnung bringen könnte. &#x201E;Guter Freund&#x201C;, sprach er hierauf, &#x201E;es waren eigentlich 800 Thlr. in dem Tuch eingenähet. Ich finde aber nur noch 700 Thlr. Ihr werdet also wohl eine Naht aufgetrennt und eure 100 Thlr. Belohnung schon heraus genommen haben. Da habt ihr wohl daran gethan. Ich danke euch.&#x201C; Das war nicht schön. Aber wir sind auch noch nicht am Ende. Ehrlich währt am längsten und Unrecht schlägt seinen eigenen Herrn. Der ehrliche Finder, dem es weniger um die 100 Thlr. als um seine unbescholtene Rechtschaffenheit zu thun war, versicherte, daß er das Päcklein so gefunden habe, wie er es bringe, und es so bringe, wie ers gefunden habe. Am Ende kamen sie vor den Richter. Beyde bestunden auch hier noch auf ihrer Behauptung, der eine, daß 800 Thlr. seyen eingenäht gewesen, der andere, daß er von dem Gefundenen nichts genommen und das Päcklein nicht versehrt habe. Da war guter Rath theuer. Aber der kluge Richter, der die Ehrlichkeit des einen und die schlechte Gesinnung des andern zum Voraus zu kennen schien, grief die Sache so an: Er ließ sich von beiden über das was sie aussagten, eine
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[59/0067] Geld habe ich gefunden. Dieß wirds wohl seyn! So nimm dein Eigenthum zurück! „So sprach er mit dem heitern Blick eines ehrlichen Mannes und eines guten Gewissens, und das war schön. Der andere machte auch ein fröhliches Gesicht, aber nur, weil er sein verlohren geschätztes Geld wieder hatte. Denn wie es um seine Ehrlichkeit aussah, das wird sich bald zeigen. Er zählte das Geld, und dachte unterdessen geschwinde nach, wie er den treuen Finder um seine versprochene Belohnung bringen könnte. „Guter Freund“, sprach er hierauf, „es waren eigentlich 800 Thlr. in dem Tuch eingenähet. Ich finde aber nur noch 700 Thlr. Ihr werdet also wohl eine Naht aufgetrennt und eure 100 Thlr. Belohnung schon heraus genommen haben. Da habt ihr wohl daran gethan. Ich danke euch.“ Das war nicht schön. Aber wir sind auch noch nicht am Ende. Ehrlich währt am längsten und Unrecht schlägt seinen eigenen Herrn. Der ehrliche Finder, dem es weniger um die 100 Thlr. als um seine unbescholtene Rechtschaffenheit zu thun war, versicherte, daß er das Päcklein so gefunden habe, wie er es bringe, und es so bringe, wie ers gefunden habe. Am Ende kamen sie vor den Richter. Beyde bestunden auch hier noch auf ihrer Behauptung, der eine, daß 800 Thlr. seyen eingenäht gewesen, der andere, daß er von dem Gefundenen nichts genommen und das Päcklein nicht versehrt habe. Da war guter Rath theuer. Aber der kluge Richter, der die Ehrlichkeit des einen und die schlechte Gesinnung des andern zum Voraus zu kennen schien, grief die Sache so an: Er ließ sich von beiden über das was sie aussagten, eine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-12-03T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-12-03T13:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-12-03T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811/67
Zitationshilfe: Hebel, Johann Peter: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen, 1811, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811/67>, abgerufen am 23.11.2024.