Hebel, Johann Peter: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen, 1811.niemand zu leid, dachte nur darauf, den Wohlstand der Unterthanen zu vermehren, wurde deßwegen von allen Mächten in Ehren gehalten. Als aber im Jahr 1807. der Engländer sah, daß Rußland und Preußen von ihm abgegangen sey, und mit dem Feind Frieden gemacht habe, und, daß die Franzosen in allen Häfen und festen Plätzen an der Ostsee Meister sind, und die Sache schlimm gehen kann, wenn sie auch noch sollten nach Dänemark kommen, sagte er kein Wort, sondern ließ eine Flotte auslaufen, und niemand wußte wohin. Als aber die Flotte im Sund und an der dänischen Küste und vor der königlichen Haupt- und Residenzstadt Koppenhagen stand, und alles sicher und ruhig war, so machten die Engländer Bericht nach Koppenhagen hinein: "Weil wir so gute Freunde zusammen sind, so gebt uns gutwillig bis zum Frieden eure Flotte, damit sie nicht in des Feindes Hände kommt, und die Festung. Denn es wäre uns entsetzlich leid, wenn wir euch müßten die Stadt über dem Kopf zusammen schießen." Als wenn ein Bürgersmann oder Bauer mit einem andern einen Prozeß hat, und kommt in der Nacht mit seinen Knechten einem Nachbarn vor das Bette, und sagt: "Nachbar, weil ich mit meinem Gevattermann einen Prozeß habe, so müßt Ihr mir bis Ausgangs der Sache eure Rosse in meine Verwahrung geben, daß mein Gegenpart nicht kann darauf zu den Advokaten reiten, sonst zünd ich euch das Haus an, und müßt mir erlauben, daß ich an der Straße mit meinen Knechten in euer Kornfeld stehe, auf daß, wenn der Gevattermann auf seinem eigenen Roß zum Hofgericht reiten will, so verrenn ich ihm den Weg." Der Nachbar niemand zu leid, dachte nur darauf, den Wohlstand der Unterthanen zu vermehren, wurde deßwegen von allen Mächten in Ehren gehalten. Als aber im Jahr 1807. der Engländer sah, daß Rußland und Preußen von ihm abgegangen sey, und mit dem Feind Frieden gemacht habe, und, daß die Franzosen in allen Häfen und festen Plätzen an der Ostsee Meister sind, und die Sache schlimm gehen kann, wenn sie auch noch sollten nach Dänemark kommen, sagte er kein Wort, sondern ließ eine Flotte auslaufen, und niemand wußte wohin. Als aber die Flotte im Sund und an der dänischen Küste und vor der königlichen Haupt- und Residenzstadt Koppenhagen stand, und alles sicher und ruhig war, so machten die Engländer Bericht nach Koppenhagen hinein: „Weil wir so gute Freunde zusammen sind, so gebt uns gutwillig bis zum Frieden eure Flotte, damit sie nicht in des Feindes Hände kommt, und die Festung. Denn es wäre uns entsetzlich leid, wenn wir euch müßten die Stadt über dem Kopf zusammen schießen.“ Als wenn ein Bürgersmann oder Bauer mit einem andern einen Prozeß hat, und kommt in der Nacht mit seinen Knechten einem Nachbarn vor das Bette, und sagt: „Nachbar, weil ich mit meinem Gevattermann einen Prozeß habe, so müßt Ihr mir bis Ausgangs der Sache eure Rosse in meine Verwahrung geben, daß mein Gegenpart nicht kann darauf zu den Advokaten reiten, sonst zünd ich euch das Haus an, und müßt mir erlauben, daß ich an der Straße mit meinen Knechten in euer Kornfeld stehe, auf daß, wenn der Gevattermann auf seinem eigenen Roß zum Hofgericht reiten will, so verrenn ich ihm den Weg.“ Der Nachbar <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0197" n="189"/> niemand zu leid, dachte nur darauf, den Wohlstand der Unterthanen zu vermehren, wurde deßwegen von allen Mächten in Ehren gehalten. Als aber im Jahr 1807. der Engländer sah, daß Rußland und Preußen von ihm abgegangen sey, und mit dem Feind Frieden gemacht habe, und, daß die Franzosen in allen Häfen und festen Plätzen an der Ostsee Meister sind, und die Sache schlimm gehen kann, wenn sie auch noch sollten nach Dänemark kommen, sagte er kein Wort, sondern ließ eine Flotte auslaufen, und niemand wußte wohin. Als aber die Flotte im Sund und an der dänischen Küste und vor der königlichen Haupt- und Residenzstadt Koppenhagen stand, und alles sicher und ruhig war, so machten die Engländer Bericht nach Koppenhagen hinein: „Weil wir so gute Freunde zusammen sind, so gebt uns gutwillig bis zum Frieden eure Flotte, damit sie nicht in des Feindes Hände kommt, und die Festung. Denn es wäre uns entsetzlich leid, wenn wir euch müßten die Stadt über dem Kopf zusammen schießen.“ Als wenn ein Bürgersmann oder Bauer mit einem andern einen Prozeß hat, und kommt in der Nacht mit seinen Knechten einem Nachbarn vor das Bette, und sagt: „Nachbar, weil ich mit meinem Gevattermann einen Prozeß habe, so müßt Ihr mir bis Ausgangs der Sache eure Rosse in meine Verwahrung geben, daß mein Gegenpart nicht kann darauf zu den Advokaten reiten, sonst zünd ich euch das Haus an, und müßt mir erlauben, daß ich an der Straße mit meinen Knechten in euer Kornfeld stehe, auf daß, wenn der Gevattermann auf seinem eigenen Roß zum Hofgericht reiten will, so verrenn ich ihm den Weg.“ Der Nachbar </p> </div> </body> </text> </TEI> [189/0197]
niemand zu leid, dachte nur darauf, den Wohlstand der Unterthanen zu vermehren, wurde deßwegen von allen Mächten in Ehren gehalten. Als aber im Jahr 1807. der Engländer sah, daß Rußland und Preußen von ihm abgegangen sey, und mit dem Feind Frieden gemacht habe, und, daß die Franzosen in allen Häfen und festen Plätzen an der Ostsee Meister sind, und die Sache schlimm gehen kann, wenn sie auch noch sollten nach Dänemark kommen, sagte er kein Wort, sondern ließ eine Flotte auslaufen, und niemand wußte wohin. Als aber die Flotte im Sund und an der dänischen Küste und vor der königlichen Haupt- und Residenzstadt Koppenhagen stand, und alles sicher und ruhig war, so machten die Engländer Bericht nach Koppenhagen hinein: „Weil wir so gute Freunde zusammen sind, so gebt uns gutwillig bis zum Frieden eure Flotte, damit sie nicht in des Feindes Hände kommt, und die Festung. Denn es wäre uns entsetzlich leid, wenn wir euch müßten die Stadt über dem Kopf zusammen schießen.“ Als wenn ein Bürgersmann oder Bauer mit einem andern einen Prozeß hat, und kommt in der Nacht mit seinen Knechten einem Nachbarn vor das Bette, und sagt: „Nachbar, weil ich mit meinem Gevattermann einen Prozeß habe, so müßt Ihr mir bis Ausgangs der Sache eure Rosse in meine Verwahrung geben, daß mein Gegenpart nicht kann darauf zu den Advokaten reiten, sonst zünd ich euch das Haus an, und müßt mir erlauben, daß ich an der Straße mit meinen Knechten in euer Kornfeld stehe, auf daß, wenn der Gevattermann auf seinem eigenen Roß zum Hofgericht reiten will, so verrenn ich ihm den Weg.“ Der Nachbar
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-12-03T13:54:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-12-03T13:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-12-03T13:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |