Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hebel, Johann Peter: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

demselben heraus, trug ihn auf den großen Marktplatz, wo viel Verkehr und Handel getrieben wird, und setzte sich damit unter die Verkäufer. Wenn nun ein Mann kam, und fragte ihn: "Was habt Ihr denn feil?" so sagte er: Mein zweistöckigtes Haus in der Capuziner-Gasse. Wenn ihr Lust dazu habt, - hier ist ein Muster.

Der Nemliche sagte einmal bey einer Gelegenheit, als von der Kinderzucht die Rede war: "Es ist ein Glück für meine Kinder, daß ich keine habe. Ich könnte so zornig werden, daß ich sie alle todt schlüge."


Der Barbierjunge von Segringen.

Man muß Gott nicht versuchen, aber auch die Menschen nicht. Denn im vorigen Spätjahr kam in dem Wirthshause zu Segringen ein Fremder von der Armee an, der einen starken Bart hatte, und fast wunderlich aussah, also, daß ihm nicht recht zu trauen war. Der sagt zum Wirth, eh' er etwas zu essen oder zu trinken fordert: "Habt ihr keinen Barbier im Ort, der mich rasiren kann?" Der Wirth sagt Ja, und holt den Barbier. Zu dem sagt der Fremde: "Ihr sollt mir den Bart abnehmen, aber ich habe eine kitzliche Haut. Wenn ihr mich nicht ins Gesicht schneidet, so bezahl ich Euch 4 Kronenthaler. Wenn ihr mich aber schneidet, so stech ich euch todt. Ihr wäret nicht der Erste." Wie der erschrockene Mann das hörte, (denn der fremde Herr machte ein Gesicht, als wenn es nicht vexirt wäre, und das spitzige, kalte Eisen lag auf dem Tisch,) so springt er fort und schickt den Gesellen. Zu dem sagt der Herr

demselben heraus, trug ihn auf den großen Marktplatz, wo viel Verkehr und Handel getrieben wird, und setzte sich damit unter die Verkäufer. Wenn nun ein Mann kam, und fragte ihn: „Was habt Ihr denn feil?“ so sagte er: Mein zweistöckigtes Haus in der Capuziner-Gasse. Wenn ihr Lust dazu habt, – hier ist ein Muster.

Der Nemliche sagte einmal bey einer Gelegenheit, als von der Kinderzucht die Rede war: „Es ist ein Glück für meine Kinder, daß ich keine habe. Ich könnte so zornig werden, daß ich sie alle todt schlüge.“


Der Barbierjunge von Segringen.

Man muß Gott nicht versuchen, aber auch die Menschen nicht. Denn im vorigen Spätjahr kam in dem Wirthshause zu Segringen ein Fremder von der Armee an, der einen starken Bart hatte, und fast wunderlich aussah, also, daß ihm nicht recht zu trauen war. Der sagt zum Wirth, eh’ er etwas zu essen oder zu trinken fordert: „Habt ihr keinen Barbier im Ort, der mich rasiren kann?“ Der Wirth sagt Ja, und holt den Barbier. Zu dem sagt der Fremde: „Ihr sollt mir den Bart abnehmen, aber ich habe eine kitzliche Haut. Wenn ihr mich nicht ins Gesicht schneidet, so bezahl ich Euch 4 Kronenthaler. Wenn ihr mich aber schneidet, so stech ich euch todt. Ihr wäret nicht der Erste.“ Wie der erschrockene Mann das hörte, (denn der fremde Herr machte ein Gesicht, als wenn es nicht vexirt wäre, und das spitzige, kalte Eisen lag auf dem Tisch,) so springt er fort und schickt den Gesellen. Zu dem sagt der Herr

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0170" n="162"/>
demselben heraus, trug ihn auf den großen Marktplatz, wo viel Verkehr und Handel getrieben wird, und setzte sich damit unter die Verkäufer. Wenn nun ein Mann kam, und fragte ihn: &#x201E;Was habt Ihr denn feil?&#x201C; so sagte er: Mein zweistöckigtes Haus in der Capuziner-Gasse. Wenn ihr Lust dazu habt, &#x2013; hier ist ein Muster.</p>
        <p>Der Nemliche sagte einmal bey einer Gelegenheit, als von der Kinderzucht die Rede war: &#x201E;Es ist ein Glück für meine Kinder, daß ich keine habe. Ich könnte so zornig werden, daß ich sie alle todt schlüge.&#x201C;</p>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Der Barbierjunge von Segringen.</head><lb/>
        <p>Man muß Gott nicht versuchen, aber auch die Menschen nicht. Denn im vorigen Spätjahr kam in dem Wirthshause zu Segringen ein Fremder von der Armee an, der einen starken Bart hatte, und fast wunderlich aussah, also, daß ihm nicht recht zu trauen war. Der sagt zum Wirth, eh&#x2019; er etwas zu essen oder zu trinken fordert: &#x201E;Habt ihr keinen Barbier im Ort, der mich rasiren kann?&#x201C; Der Wirth sagt Ja, und holt den Barbier. Zu dem sagt der Fremde: &#x201E;Ihr sollt mir den Bart abnehmen, aber ich habe eine kitzliche Haut. Wenn ihr mich nicht ins Gesicht schneidet, so bezahl ich Euch 4 Kronenthaler. Wenn ihr mich aber schneidet, so stech ich euch todt. Ihr wäret nicht der Erste.&#x201C; Wie der erschrockene Mann das hörte, (denn der fremde Herr machte ein Gesicht, als wenn es nicht vexirt wäre, und das spitzige, kalte Eisen lag auf dem Tisch,) so springt er fort und schickt den Gesellen. Zu dem sagt der Herr
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[162/0170] demselben heraus, trug ihn auf den großen Marktplatz, wo viel Verkehr und Handel getrieben wird, und setzte sich damit unter die Verkäufer. Wenn nun ein Mann kam, und fragte ihn: „Was habt Ihr denn feil?“ so sagte er: Mein zweistöckigtes Haus in der Capuziner-Gasse. Wenn ihr Lust dazu habt, – hier ist ein Muster. Der Nemliche sagte einmal bey einer Gelegenheit, als von der Kinderzucht die Rede war: „Es ist ein Glück für meine Kinder, daß ich keine habe. Ich könnte so zornig werden, daß ich sie alle todt schlüge.“ Der Barbierjunge von Segringen. Man muß Gott nicht versuchen, aber auch die Menschen nicht. Denn im vorigen Spätjahr kam in dem Wirthshause zu Segringen ein Fremder von der Armee an, der einen starken Bart hatte, und fast wunderlich aussah, also, daß ihm nicht recht zu trauen war. Der sagt zum Wirth, eh’ er etwas zu essen oder zu trinken fordert: „Habt ihr keinen Barbier im Ort, der mich rasiren kann?“ Der Wirth sagt Ja, und holt den Barbier. Zu dem sagt der Fremde: „Ihr sollt mir den Bart abnehmen, aber ich habe eine kitzliche Haut. Wenn ihr mich nicht ins Gesicht schneidet, so bezahl ich Euch 4 Kronenthaler. Wenn ihr mich aber schneidet, so stech ich euch todt. Ihr wäret nicht der Erste.“ Wie der erschrockene Mann das hörte, (denn der fremde Herr machte ein Gesicht, als wenn es nicht vexirt wäre, und das spitzige, kalte Eisen lag auf dem Tisch,) so springt er fort und schickt den Gesellen. Zu dem sagt der Herr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-12-03T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-12-03T13:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-12-03T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811/170
Zitationshilfe: Hebel, Johann Peter: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen, 1811, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811/170>, abgerufen am 21.11.2024.