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[Hebel, Johann Peter]: Allemannische Gedichte. Karlsruhe, 1803.

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de freusch di druf, doch in de Dörne hangts!
Was denksch derzu? Zum Erste sagi so:
Wenn Wermeth in di Freudebecher fließt
und wenn e scharfe Schmerz dur's Lebe zuckt,
verschrick nit drab, und stell di nit so fremd!
Di eigeni Mutter selig, tröst sie Gott,
sie het der 's Zeichen in der Chindheit ge;
drum denk: "Es isch e Wienechtchindli-
Baum,
nooch by nenander wohne Freud und Leid."
Zum Zweyte sagi das: Es wär nit gut,
wenns auderst wär. Was us de Dorne
luegt,
sieht gar viel gattiger und schöner us,
und 's fürnehmst isch, me het au länger dra.
's wär iust, as wemme Zuckerbrod und Nuß,
und was am Bäumli schön und glitz'rig
hangt,
uf eimol in e Suppeschüßle thät,
und stellti 's umme: "Iß so lang de magsch,
"und näumis do isch!" Wärs nit Uh-
verstand?
Zum
de freuſch di druf, doch in de Doͤrne hangts!
Was denkſch derzu? Zum Erſte ſagi ſo:
Wenn Wermeth in di Freudebecher fließt
und wenn e ſcharfe Schmerz dur’s Lebe zuckt,
verſchrick nit drab, und ſtell di nit ſo fremd!
Di eigeni Mutter ſelig, troͤſt ſie Gott,
ſie het der ’s Zeichen in der Chindheit ge;
drum denk: „Es iſch e Wienechtchindli-
Baum,
nooch by nenander wohne Freud und Leid.“
Zum Zweyte ſagi das: Es waͤr nit gut,
wenns auderſt waͤr. Was us de Dorne
luegt,
ſieht gar viel gattiger und ſchoͤner us,
und ’s fuͤrnehmſt iſch, me het au laͤnger dra.
’s waͤr iuſt, as wemme Zuckerbrod und Nuß,
und was am Baͤumli ſchoͤn und glitz’rig
hangt,
uf eimol in e Suppeſchuͤßle thaͤt,
und ſtellti ’s umme: „Iß ſo lang de magſch,
„und naͤumis do iſch!“ Waͤrs nit Uh-
verſtand?
Zum
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[96/0114] de freuſch di druf, doch in de Doͤrne hangts! Was denkſch derzu? Zum Erſte ſagi ſo: Wenn Wermeth in di Freudebecher fließt und wenn e ſcharfe Schmerz dur’s Lebe zuckt, verſchrick nit drab, und ſtell di nit ſo fremd! Di eigeni Mutter ſelig, troͤſt ſie Gott, ſie het der ’s Zeichen in der Chindheit ge; drum denk: „Es iſch e Wienechtchindli- Baum, nooch by nenander wohne Freud und Leid.“ Zum Zweyte ſagi das: Es waͤr nit gut, wenns auderſt waͤr. Was us de Dorne luegt, ſieht gar viel gattiger und ſchoͤner us, und ’s fuͤrnehmſt iſch, me het au laͤnger dra. ’s waͤr iuſt, as wemme Zuckerbrod und Nuß, und was am Baͤumli ſchoͤn und glitz’rig hangt, uf eimol in e Suppeſchuͤßle thaͤt, und ſtellti ’s umme: „Iß ſo lang de magſch, „und naͤumis do iſch!“ Waͤrs nit Uh- verſtand? Zum

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Zitationshilfe: [Hebel, Johann Peter]: Allemannische Gedichte. Karlsruhe, 1803, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_gedichte_1803/114>, abgerufen am 05.05.2024.