Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844. Meister Anton. Wenn es Ihn nicht trieb, der Dirne die Freude zu machen, wie sollt' es mich treiben? Ich stecke in meinem Hause keine Kerzen an, als die mir selbst ge- hören. Dann weiß ich, daß Niemand kommen kann, der sie wieder ausbläs't, wenn wir eben uns're beste Lust daran haben! Leonhard. Er konnte doch von mir nicht denken -- Meister Anton. Denken? Ueber Ihn? Ueber irgend Einen? Ich hoble mir die Bretter wohl zurecht mit meinem Eisen, aber nie die Menschen mit meinen Gedanken. Ueber die Thorheit bin ich längst hinaus. Wenn ich einen Baum grünen sehe, so denk' ich wohl: nun wird er bald blühen! Und wenn er blüht: nun wird er Früchte bringen! Darin sehe ich mich auch nicht getäuscht, darum geb' ich die alte Gewohnheit nicht auf. Aber über Menschen denke ich Nichts, gar Nichts, nichts Schlimmes, nichts Gutes, dann brauch' ich nicht ab- wechselnd, wenn sie bald meine Furcht, bald meine Hoffnung täuschen, roth oder blaß zu werden. Ich Meiſter Anton. Wenn es Ihn nicht trieb, der Dirne die Freude zu machen, wie ſollt’ es mich treiben? Ich ſtecke in meinem Hauſe keine Kerzen an, als die mir ſelbſt ge- hören. Dann weiß ich, daß Niemand kommen kann, der ſie wieder ausbläſ’t, wenn wir eben unſ’re beſte Luſt daran haben! Leonhard. Er konnte doch von mir nicht denken — Meiſter Anton. Denken? Ueber Ihn? Ueber irgend Einen? Ich hoble mir die Bretter wohl zurecht mit meinem Eiſen, aber nie die Menſchen mit meinen Gedanken. Ueber die Thorheit bin ich längſt hinaus. Wenn ich einen Baum grünen ſehe, ſo denk’ ich wohl: nun wird er bald blühen! Und wenn er blüht: nun wird er Früchte bringen! Darin ſehe ich mich auch nicht getäuſcht, darum geb’ ich die alte Gewohnheit nicht auf. Aber über Menſchen denke ich Nichts, gar Nichts, nichts Schlimmes, nichts Gutes, dann brauch’ ich nicht ab- wechſelnd, wenn ſie bald meine Furcht, bald meine Hoffnung täuſchen, roth oder blaß zu werden. Ich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0096" n="28"/> <sp who="#ANTON"> <speaker><hi rendition="#g">Meiſter Anton</hi>.</speaker><lb/> <p>Wenn es Ihn nicht trieb, der Dirne die Freude<lb/> zu machen, wie ſollt’ es mich treiben? Ich ſtecke in<lb/> meinem Hauſe keine Kerzen an, als die mir ſelbſt ge-<lb/> hören. Dann weiß ich, daß Niemand kommen kann,<lb/> der ſie wieder ausbläſ’t, wenn wir eben unſ’re beſte<lb/> Luſt daran haben!</p> </sp><lb/> <sp who="#LEO"> <speaker><hi rendition="#g">Leonhard</hi>.</speaker><lb/> <p>Er konnte doch von mir nicht denken —</p> </sp><lb/> <sp who="#ANTON"> <speaker><hi rendition="#g">Meiſter Anton</hi>.</speaker><lb/> <p>Denken? Ueber Ihn? Ueber irgend Einen? Ich<lb/> hoble mir die Bretter wohl zurecht mit meinem Eiſen,<lb/> aber nie die Menſchen mit meinen Gedanken. Ueber<lb/> die Thorheit bin ich längſt hinaus. Wenn ich einen<lb/> Baum grünen ſehe, ſo denk’ ich wohl: nun wird er<lb/> bald blühen! Und wenn er blüht: nun wird er Früchte<lb/> bringen! Darin ſehe ich mich auch nicht getäuſcht,<lb/> darum geb’ ich die alte Gewohnheit nicht auf. Aber<lb/> über Menſchen denke ich Nichts, gar Nichts, nichts<lb/> Schlimmes, nichts Gutes, dann brauch’ ich nicht ab-<lb/> wechſelnd, wenn ſie bald meine Furcht, bald meine<lb/> Hoffnung täuſchen, roth oder blaß zu werden. Ich<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [28/0096]
Meiſter Anton.
Wenn es Ihn nicht trieb, der Dirne die Freude
zu machen, wie ſollt’ es mich treiben? Ich ſtecke in
meinem Hauſe keine Kerzen an, als die mir ſelbſt ge-
hören. Dann weiß ich, daß Niemand kommen kann,
der ſie wieder ausbläſ’t, wenn wir eben unſ’re beſte
Luſt daran haben!
Leonhard.
Er konnte doch von mir nicht denken —
Meiſter Anton.
Denken? Ueber Ihn? Ueber irgend Einen? Ich
hoble mir die Bretter wohl zurecht mit meinem Eiſen,
aber nie die Menſchen mit meinen Gedanken. Ueber
die Thorheit bin ich längſt hinaus. Wenn ich einen
Baum grünen ſehe, ſo denk’ ich wohl: nun wird er
bald blühen! Und wenn er blüht: nun wird er Früchte
bringen! Darin ſehe ich mich auch nicht getäuſcht,
darum geb’ ich die alte Gewohnheit nicht auf. Aber
über Menſchen denke ich Nichts, gar Nichts, nichts
Schlimmes, nichts Gutes, dann brauch’ ich nicht ab-
wechſelnd, wenn ſie bald meine Furcht, bald meine
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