Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844.
und die Unwissenheit aufgedeckt zu sehen. Das gab doppelte Bezahlung. Da waren die Schreiber oben auf und machten das Bier theuer. Jetzt ist's anders, jetzt müssen wir Alten, die wir uns nicht auf's Lesen und Schreiben verstehen, uns von neunjährigen Buben ausspotten lassen! Die Welt wird immer klüger, vielleicht kommt noch einmal die Zeit, wo Einer sich schämen muß, wenn er nicht auf dem Seil tanzen kann! Klara. Es läutet! Mutter. Nun, Kind, ich will für Dich beten! Und was Deinen Leonhard betrifft, so liebe ihn, wie er Gott liebt, nicht mehr, nicht weniger. So sprach meine alte Mutter zu mir, als sie aus der Welt ging, und mir den Segen gab, ich habe ihn lange genug be- halten, hier hast Du ihn wieder! Klara. (reicht ihr einen Strauß) Da! Mutter. Der kommt gewiß von Karl!
und die Unwiſſenheit aufgedeckt zu ſehen. Das gab doppelte Bezahlung. Da waren die Schreiber oben auf und machten das Bier theuer. Jetzt iſt’s anders, jetzt müſſen wir Alten, die wir uns nicht auf’s Leſen und Schreiben verſtehen, uns von neunjährigen Buben ausſpotten laſſen! Die Welt wird immer klüger, vielleicht kommt noch einmal die Zeit, wo Einer ſich ſchämen muß, wenn er nicht auf dem Seil tanzen kann! Klara. Es läutet! Mutter. Nun, Kind, ich will für Dich beten! Und was Deinen Leonhard betrifft, ſo liebe ihn, wie er Gott liebt, nicht mehr, nicht weniger. So ſprach meine alte Mutter zu mir, als ſie aus der Welt ging, und mir den Segen gab, ich habe ihn lange genug be- halten, hier haſt Du ihn wieder! Klara. (reicht ihr einen Strauß) Da! Mutter. Der kommt gewiß von Karl! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#MUTTER"> <p><pb facs="#f0080" n="12"/> und die Unwiſſenheit aufgedeckt zu ſehen. Das gab<lb/> doppelte Bezahlung. Da waren die Schreiber oben<lb/> auf und machten das Bier theuer. Jetzt iſt’s anders,<lb/> jetzt müſſen wir Alten, die wir uns nicht auf’s Leſen<lb/> und Schreiben verſtehen, uns von neunjährigen Buben<lb/> ausſpotten laſſen! Die Welt wird immer klüger,<lb/> vielleicht kommt noch einmal die Zeit, wo Einer ſich<lb/> ſchämen muß, wenn er nicht auf dem Seil tanzen kann!</p> </sp><lb/> <sp who="#KLARA"> <speaker><hi rendition="#g">Klara</hi>.</speaker><lb/> <p>Es läutet!</p> </sp><lb/> <sp who="#MUTTER"> <speaker><hi rendition="#g">Mutter</hi>.</speaker><lb/> <p>Nun, Kind, ich will für Dich beten! Und was<lb/> Deinen Leonhard betrifft, ſo liebe ihn, wie er Gott<lb/> liebt, nicht mehr, nicht weniger. So ſprach meine<lb/> alte Mutter zu mir, als ſie aus der Welt ging, und<lb/> mir den Segen gab, ich habe ihn lange genug be-<lb/> halten, hier haſt Du ihn wieder!</p> </sp><lb/> <sp who="#KLARA"> <speaker><hi rendition="#g">Klara</hi>.</speaker><lb/> <stage>(reicht ihr einen Strauß)</stage> <p>Da!</p> </sp><lb/> <sp who="#MUTTER"> <speaker><hi rendition="#g">Mutter</hi>.</speaker><lb/> <p>Der kommt gewiß von Karl!</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [12/0080]
und die Unwiſſenheit aufgedeckt zu ſehen. Das gab
doppelte Bezahlung. Da waren die Schreiber oben
auf und machten das Bier theuer. Jetzt iſt’s anders,
jetzt müſſen wir Alten, die wir uns nicht auf’s Leſen
und Schreiben verſtehen, uns von neunjährigen Buben
ausſpotten laſſen! Die Welt wird immer klüger,
vielleicht kommt noch einmal die Zeit, wo Einer ſich
ſchämen muß, wenn er nicht auf dem Seil tanzen kann!
Klara.
Es läutet!
Mutter.
Nun, Kind, ich will für Dich beten! Und was
Deinen Leonhard betrifft, ſo liebe ihn, wie er Gott
liebt, nicht mehr, nicht weniger. So ſprach meine
alte Mutter zu mir, als ſie aus der Welt ging, und
mir den Segen gab, ich habe ihn lange genug be-
halten, hier haſt Du ihn wieder!
Klara.
(reicht ihr einen Strauß) Da!
Mutter.
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Zitationshilfe: | Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebbel_magdalene_1844/80>, abgerufen am 17.02.2025. |