Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844.

Bild:
<< vorherige Seite
nun hab' ich einen ruhigen Tod. Ja, Mensch, es
ist kein Hohn, ich danke Dir, mir ist, als hätt' ich
durch Deine Brust bis in den Abgrund der Hölle hin-
unter gesehen, und was auch in der furchtbaren Ewig-
keit mein Loos sey, mit Dir hab' ich Nichts mehr
zu schaffen, und das ist ein Trost! Und wie der
Unglückliche, den ein Wurm gestochen hat, nicht ge-
scholten wird, wenn er sich in Schauder und Ekel die
Adern öffnet, damit das vergiftete Leben schnell aus-
strömen kann, so wird die ewige Gnade sich vielleicht
auch mein erbarmen, wenn sie Dich ansieht, und mich,
was Du aus mir gemacht hast, denn warum könnt'
ich's thun, wenn ich's nimmer, nimmer thun dürfte?
Nur Eins noch: mein Vater weiß von Nichts, er
ahnt Nichts, und damit er nie etwas erfährt, geh'
ich noch heute aus der Welt! Könnt' ich denken, daß
Du --
(sie thut wild einen Schritt auf ihn zu) Doch, das
ist Thorheit, Dir kann's ja nur willkommen seyn,
wenn sie Alle stehen und die Köpfe schütteln und sich
umsonst fragen: warum das geschehen ist!
nun hab’ ich einen ruhigen Tod. Ja, Menſch, es
iſt kein Hohn, ich danke Dir, mir iſt, als hätt’ ich
durch Deine Bruſt bis in den Abgrund der Hölle hin-
unter geſehen, und was auch in der furchtbaren Ewig-
keit mein Loos ſey, mit Dir hab’ ich Nichts mehr
zu ſchaffen, und das iſt ein Troſt! Und wie der
Unglückliche, den ein Wurm geſtochen hat, nicht ge-
ſcholten wird, wenn er ſich in Schauder und Ekel die
Adern öffnet, damit das vergiftete Leben ſchnell aus-
ſtrömen kann, ſo wird die ewige Gnade ſich vielleicht
auch mein erbarmen, wenn ſie Dich anſieht, und mich,
was Du aus mir gemacht haſt, denn warum könnt
ich’s thun, wenn ich’s nimmer, nimmer thun dürfte?
Nur Eins noch: mein Vater weiß von Nichts, er
ahnt Nichts, und damit er nie etwas erfährt, geh’
ich noch heute aus der Welt! Könnt’ ich denken, daß
Du —
(ſie thut wild einen Schritt auf ihn zu) Doch, das
iſt Thorheit, Dir kann’s ja nur willkommen ſeyn,
wenn ſie Alle ſtehen und die Köpfe ſchütteln und ſich
umſonſt fragen: warum das geſchehen iſt!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#KLARA">
            <p><pb facs="#f0169" n="101"/>
nun hab&#x2019; ich einen ruhigen Tod. Ja, Men&#x017F;ch, es<lb/>
i&#x017F;t kein Hohn, ich danke Dir, mir i&#x017F;t, als hätt&#x2019; ich<lb/>
durch Deine Bru&#x017F;t bis in den Abgrund der Hölle hin-<lb/>
unter ge&#x017F;ehen, und was auch in der furchtbaren Ewig-<lb/>
keit mein Loos &#x017F;ey, mit Dir hab&#x2019; ich Nichts mehr<lb/>
zu &#x017F;chaffen, und das i&#x017F;t ein Tro&#x017F;t! Und wie der<lb/>
Unglückliche, den ein Wurm ge&#x017F;tochen hat, nicht ge-<lb/>
&#x017F;cholten wird, wenn er &#x017F;ich in Schauder und Ekel die<lb/>
Adern öffnet, damit das vergiftete Leben &#x017F;chnell aus-<lb/>
&#x017F;trömen kann, &#x017F;o wird die ewige Gnade &#x017F;ich vielleicht<lb/>
auch mein erbarmen, wenn &#x017F;ie Dich an&#x017F;ieht, und mich,<lb/>
was Du aus mir gemacht ha&#x017F;t, denn warum <hi rendition="#g">könnt</hi>&#x2019;<lb/>
ich&#x2019;s thun, wenn ich&#x2019;s nimmer, nimmer thun <hi rendition="#g">dürfte</hi>?<lb/>
Nur Eins noch: mein Vater weiß von Nichts, er<lb/>
ahnt Nichts, und damit er nie etwas erfährt, geh&#x2019;<lb/>
ich noch heute aus der Welt! Könnt&#x2019; ich denken, daß<lb/>
Du &#x2014;</p>
            <stage>(&#x017F;ie thut wild einen Schritt auf ihn zu)</stage>
            <p>Doch, das<lb/>
i&#x017F;t Thorheit, Dir kann&#x2019;s ja nur willkommen &#x017F;eyn,<lb/>
wenn &#x017F;ie Alle &#x017F;tehen und die Köpfe &#x017F;chütteln und &#x017F;ich<lb/>
um&#x017F;on&#x017F;t fragen: warum das ge&#x017F;chehen i&#x017F;t!</p>
          </sp><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[101/0169] nun hab’ ich einen ruhigen Tod. Ja, Menſch, es iſt kein Hohn, ich danke Dir, mir iſt, als hätt’ ich durch Deine Bruſt bis in den Abgrund der Hölle hin- unter geſehen, und was auch in der furchtbaren Ewig- keit mein Loos ſey, mit Dir hab’ ich Nichts mehr zu ſchaffen, und das iſt ein Troſt! Und wie der Unglückliche, den ein Wurm geſtochen hat, nicht ge- ſcholten wird, wenn er ſich in Schauder und Ekel die Adern öffnet, damit das vergiftete Leben ſchnell aus- ſtrömen kann, ſo wird die ewige Gnade ſich vielleicht auch mein erbarmen, wenn ſie Dich anſieht, und mich, was Du aus mir gemacht haſt, denn warum könnt’ ich’s thun, wenn ich’s nimmer, nimmer thun dürfte? Nur Eins noch: mein Vater weiß von Nichts, er ahnt Nichts, und damit er nie etwas erfährt, geh’ ich noch heute aus der Welt! Könnt’ ich denken, daß Du — (ſie thut wild einen Schritt auf ihn zu) Doch, das iſt Thorheit, Dir kann’s ja nur willkommen ſeyn, wenn ſie Alle ſtehen und die Köpfe ſchütteln und ſich umſonſt fragen: warum das geſchehen iſt!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hebbel_magdalene_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hebbel_magdalene_1844/169
Zitationshilfe: Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebbel_magdalene_1844/169>, abgerufen am 28.04.2024.