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Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844.

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zeigen soll, denn das hängt nicht von mir ab, aber
ich will lügen, ich will sagen, daß ich mit dem Kopf
gegen den Schrank gefahren, oder daß ich auf dem
Estrich, weil er zu glatt war, ausgeglitten bin, ich
will's thun, bevor noch Einer fragen kann, woher die
blauen Flecke rühren. Heirathe mich -- ich lebe
nicht lange. Und wenn's Dir doch zu lange dauert,
und Du die Kosten der Scheidung nicht aufwenden
magst, um von mir los zu kommen, so kauf' Gift
auf der Apotheke, und stell's hin, als ob's für Deine
Ratten wäre, ich will's, ohne daß Du auch nur zu
winken brauchst, nehmen und im Sterben zu den
Nachbaren sagen, ich hätt's für zerstoßenen Zucker
gehalten!
Leonhard.
Ein Mensch, von dem Du dies Alles erwartest,
überrascht Dich doch nicht, wenn er nein sagt?
Klara.
So schaue Gott mich nicht zu schrecklich an, wenn
ich komme, ehe er mich gerufen hat! Wär's um
mich allein -- ich wollt's ja tragen, ich wollt's ge-
duldig hinnehmen, als verdiente Strafe für, ich weiß
zeigen ſoll, denn das hängt nicht von mir ab, aber
ich will lügen, ich will ſagen, daß ich mit dem Kopf
gegen den Schrank gefahren, oder daß ich auf dem
Eſtrich, weil er zu glatt war, ausgeglitten bin, ich
will’s thun, bevor noch Einer fragen kann, woher die
blauen Flecke rühren. Heirathe mich — ich lebe
nicht lange. Und wenn’s Dir doch zu lange dauert,
und Du die Koſten der Scheidung nicht aufwenden
magſt, um von mir los zu kommen, ſo kauf’ Gift
auf der Apotheke, und ſtell’s hin, als ob’s für Deine
Ratten wäre, ich will’s, ohne daß Du auch nur zu
winken brauchſt, nehmen und im Sterben zu den
Nachbaren ſagen, ich hätt’s für zerſtoßenen Zucker
gehalten!
Leonhard.
Ein Menſch, von dem Du dies Alles erwarteſt,
überraſcht Dich doch nicht, wenn er nein ſagt?
Klara.
So ſchaue Gott mich nicht zu ſchrecklich an, wenn
ich komme, ehe er mich gerufen hat! Wär’s um
mich allein — ich wollt’s ja tragen, ich wollt’s ge-
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[95/0163] zeigen ſoll, denn das hängt nicht von mir ab, aber ich will lügen, ich will ſagen, daß ich mit dem Kopf gegen den Schrank gefahren, oder daß ich auf dem Eſtrich, weil er zu glatt war, ausgeglitten bin, ich will’s thun, bevor noch Einer fragen kann, woher die blauen Flecke rühren. Heirathe mich — ich lebe nicht lange. Und wenn’s Dir doch zu lange dauert, und Du die Koſten der Scheidung nicht aufwenden magſt, um von mir los zu kommen, ſo kauf’ Gift auf der Apotheke, und ſtell’s hin, als ob’s für Deine Ratten wäre, ich will’s, ohne daß Du auch nur zu winken brauchſt, nehmen und im Sterben zu den Nachbaren ſagen, ich hätt’s für zerſtoßenen Zucker gehalten! Leonhard. Ein Menſch, von dem Du dies Alles erwarteſt, überraſcht Dich doch nicht, wenn er nein ſagt? Klara. So ſchaue Gott mich nicht zu ſchrecklich an, wenn ich komme, ehe er mich gerufen hat! Wär’s um mich allein — ich wollt’s ja tragen, ich wollt’s ge- duldig hinnehmen, als verdiente Strafe für, ich weiß

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Zitationshilfe: Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebbel_magdalene_1844/163>, abgerufen am 28.04.2024.