Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844.Sechste Scene. Klara. (allein) Zu! Zu, mein Herz! Quetsch' Dich in Dich ein, daß auch kein Blutstropfe mehr heraus kann, der in den Adern das gefrierende Leben wieder entzünden will. Da hatte sich wieder was, wie eine Hoffnung in Dir aufgethan! Jetzt erst merk' ich's! (lächelnd) Nein, darüber kann kein Mann weg! Und wenn -- Könntest Du selbst darüber hinweg? Hät- test Du den Muth eine Hand zu fassen, die -- Nein, nein, diesen schlechten Muth hättest Du nicht! Du müßtest Dich selbst einriegeln in Deine Hülle, wenn man Dir von außen die Thür öffnen wollte -- Du bist für ewig -- O, daß das aussetzt, daß das nicht immer so fortbohrt, daß zuweilen ein Auf- hören ist! Nur darum dauert's lange! Der Gequälte glaubt auszuruhen, weil der Quäler einhalten muß, um Odem zu schöpfen; es ist ein Aufathmen, wie des Ertrinkenden auf den Wellen, wenn der Strudel, der ihn hinunterzieht, ihn noch einmal wieder ausspeit, um ihn gleich wieder auf's Neue zu fassen, er hat Nichts davon, als den zwiefachen Todeskampf! Sechſte Scene. Klara. (allein) Zu! Zu, mein Herz! Quetſch’ Dich in Dich ein, daß auch kein Blutstropfe mehr heraus kann, der in den Adern das gefrierende Leben wieder entzünden will. Da hatte ſich wieder was, wie eine Hoffnung in Dir aufgethan! Jetzt erſt merk’ ich’s! (lächelnd) Nein, darüber kann kein Mann weg! Und wenn — Könnteſt Du ſelbſt darüber hinweg? Hät- teſt Du den Muth eine Hand zu faſſen, die — Nein, nein, dieſen ſchlechten Muth hätteſt Du nicht! Du müßteſt Dich ſelbſt einriegeln in Deine Hülle, wenn man Dir von außen die Thür öffnen wollte — Du biſt für ewig — O, daß das ausſetzt, daß das nicht immer ſo fortbohrt, daß zuweilen ein Auf- hören iſt! Nur darum dauert’s lange! Der Gequälte glaubt auszuruhen, weil der Quäler einhalten muß, um Odem zu ſchöpfen; es iſt ein Aufathmen, wie des Ertrinkenden auf den Wellen, wenn der Strudel, der ihn hinunterzieht, ihn noch einmal wieder ausſpeit, um ihn gleich wieder auf’s Neue zu faſſen, er hat Nichts davon, als den zwiefachen Todeskampf! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0156" n="88"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Sechſte Scene.</hi> </head><lb/> <sp who="#KLARA"> <speaker><hi rendition="#g">Klara</hi>.</speaker><lb/> <stage>(allein)</stage> <p>Zu! Zu, mein Herz! Quetſch’ Dich in<lb/> Dich ein, daß auch kein Blutstropfe mehr heraus<lb/> kann, der in den Adern das gefrierende Leben wieder<lb/> entzünden will. Da hatte ſich wieder was, wie eine<lb/> Hoffnung in Dir aufgethan! Jetzt erſt merk’ ich’s!</p><lb/> <stage>(lächelnd)</stage> <p>Nein, darüber kann kein Mann weg! Und<lb/> wenn — Könnteſt Du ſelbſt darüber hinweg? Hät-<lb/> teſt Du den Muth eine Hand zu faſſen, die —<lb/> Nein, nein, dieſen ſchlechten Muth hätteſt Du nicht!<lb/> Du müßteſt Dich ſelbſt einriegeln in Deine Hülle,<lb/> wenn man Dir von außen die Thür öffnen wollte —<lb/> Du biſt für ewig — O, daß das ausſetzt, daß<lb/> das nicht immer ſo fortbohrt, daß zuweilen ein Auf-<lb/> hören iſt! Nur darum dauert’s lange! Der Gequälte<lb/> glaubt auszuruhen, weil der Quäler einhalten muß,<lb/> um Odem zu ſchöpfen; es iſt ein Aufathmen, wie<lb/> des Ertrinkenden auf den Wellen, wenn der Strudel,<lb/> der ihn hinunterzieht, ihn noch einmal wieder ausſpeit,<lb/> um ihn gleich wieder auf’s Neue zu faſſen, er hat<lb/> Nichts davon, als den zwiefachen Todeskampf!</p><lb/> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [88/0156]
Sechſte Scene.
Klara.
(allein) Zu! Zu, mein Herz! Quetſch’ Dich in
Dich ein, daß auch kein Blutstropfe mehr heraus
kann, der in den Adern das gefrierende Leben wieder
entzünden will. Da hatte ſich wieder was, wie eine
Hoffnung in Dir aufgethan! Jetzt erſt merk’ ich’s!
(lächelnd) Nein, darüber kann kein Mann weg! Und
wenn — Könnteſt Du ſelbſt darüber hinweg? Hät-
teſt Du den Muth eine Hand zu faſſen, die —
Nein, nein, dieſen ſchlechten Muth hätteſt Du nicht!
Du müßteſt Dich ſelbſt einriegeln in Deine Hülle,
wenn man Dir von außen die Thür öffnen wollte —
Du biſt für ewig — O, daß das ausſetzt, daß
das nicht immer ſo fortbohrt, daß zuweilen ein Auf-
hören iſt! Nur darum dauert’s lange! Der Gequälte
glaubt auszuruhen, weil der Quäler einhalten muß,
um Odem zu ſchöpfen; es iſt ein Aufathmen, wie
des Ertrinkenden auf den Wellen, wenn der Strudel,
der ihn hinunterzieht, ihn noch einmal wieder ausſpeit,
um ihn gleich wieder auf’s Neue zu faſſen, er hat
Nichts davon, als den zwiefachen Todeskampf!
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |