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Staats und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheiischen Correspondenten. Nr. 135, Hamburg, 8. Juni 1832.

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[Spaltenumbruch] fahrt zurück und passirten durch unsre Stadt. Auf
den dicht besetzten Wagen entfalteten sie Fahnen, in
Schwarz, Roth und Gold, so wie Cocarden von den
nämlichen Farben. Sie brachten der Freiheit man-
ches Lebehoch aus, und wirkten ohne Zweifel durch
ihre hier und da sehr grell hervortretende Exaltation
aufregend auf die versammelte Menge, welche in den
fremden Gästen Leute zu erblicken glaubte, die mit
dem Steine der Weisen in die Heimath zurückkehr-
ten. "Schwarzbrod und Freiheit!" hörte man eine
Stimme rufen; "Jhr habt keins von beiden!" er-
wiederte eine andre. Man knüpfte Klagen an Kla-
gen, und die Leidenschaften der Menge steigerten sich
mit den wachsenden Volkshaufen. Man tobte gegen
den abermals gesteigerten, für Viele nicht mehr er-
schwinglichen Brodpreis; man schrie über Wucher
und beklagte sich über Mangel an thätiger Vorsorge
von Seiten des Gemeinderaths. Von diesen Bera-
thungen bis zu Handlungen offener Gewalt war nur
ein Schritt, und er ward gethan. Man begann zu-
erst damit, mehrere mit Getreide beladene Wagen,
welche Hrn. Renz dahier, einem Hauptkornhändler,
gehörten, an der Abfahrt zu hindern, sie abzuladen
und ihren ganzen Jnhalt auf dem Mauth-Bureau
niederzulegen. Dieser erste Act fand unter großem
Zulaufe der Menge statt, ging jedoch ziemlich ruhig
und ohne alle auffallenden Excesse vorüber. Auf
gleiche Weise ward nachher mit einem im Hafen vor
Anker liegengen, mit 600 Maltern Getreide befrach-
teten, demselben Kornhändler gehörenden Schiffe, ver-
fahren. Während eine beträchtliche Zahl handfester
Männer mit der Ausleerung des Schiffes sich be-
schäftigte, wogte das Rhein-Ufer von Zuschauern,
welche theilweise ihren Beifall lebhaft genug zu er-
kennen gaben. Damit schien Alles zu Ende zu seyn
und der Rest des Tages einen friedlichen Verlauf
nehmen zu wollen; aber wie sehr hatte man sich ge-
irrt. Gegen 9 Uhr entwickelte sich der Aufstand mit
ne[u] verstärkter Kraft und ging in offenen Aufruhr
über. Alles war auf den Beinen; Viele um ihre
Neugierde zu befriedigen, Andre aber, um selbst-
thätig mitzuwirken. Zuerst gab es einen Auflauf
vor der Wohnung des Bürgermeisters Falkenberg,
vor welcher man einen Freiheitsbaum unter enthu-
siastischen Ausrufungen aufpflanzte. Schlimmer er-
ging es dem am Marktplatze wohnenden Gemeinde-
rathe und Bäckermeister Bandel. Die Menge be-
gnügte sich nicht bloß mit einem drohenden Aufzuge
vor seinem Hause, sondern unterhielt auch einen leb-
haften Steinregen gegen die Fenster. Eine gleiche
Behandlung ward dem oben erwähnten Kornhändler
Renz zu Theil. Dieß alles ging mit einem furcht-
baren Tumult vor sich; es schien in der That, als
wenn sich die Bevölkerung von Worms verdoppelt
oder verdreifacht hätte, so groß war das Getöse, wel-
ches den Luftkreis erfüllte. Eine mit Aexten und
Hebebäumen bewaffnete Anzahl Männer, welche man
bisher an der Spitze bemerkt hatte, entwickelte erst
in dem Augenblicke ihre volle Thatkraft, als ein
Angriff auf das Wohnhaus des Wechslers Levi un-
ternommen und rasch ausgeführt wurde. Erst nach-
dem der Tumult soweit vorgeschritten war, requirirte
der Bürgermeister militärische Hülfe. Es war ge-
gen 11 Uhr. Es erschien eine Patrouille von 60
Mann auf dem Tumultplatze. Da der Aufforderung
zur Ordnung und zum Auseinandergehen keine Folge
geleistet ward, so sah sich das Militär genöthigt,
thätig einzuschreiten und das Bajonet zu gebrauchen.
[Spaltenumbruch] Jene zehn bis zwölf Jndividuen, welche mit ihren
Aexten und Hebebäumen während drei Stunden die
höchste Autorität von Worms repräsentirten, leiste-
ten, von ihrer zahreichen Begleitung unterstützt, an-
fangs Widerstand, wurden aber doch bald zum Wei-
chen gebracht, ungeachtet der Steinwürfe, welchen
die Soldaten sowohl von oben als von den Seiten
ausgesetzt waren. Auf beiden Seiten gab es Ver-
wundete, worunter mehrere mit gefährlichen Stichen
den Kampfplatz verließen. Nachdem das Militär die
Ruhe hergestellt und mehrere der Rädelsführer ver-
haftet hatte, trat die Bürgergarde unter das Ge-
wehr und vereinigte sich mit den Linientruppen zum
gemeinschaftlichen Sicherheitsdienst. Wachen und
Posten wurden verdoppelt und zahlreiche Patrouillen
durchstreiften die Stadt. Dadurch ward die Ruhe
und Ordnung für den Rest der Nacht wieder herge-
stellt und erhalten. Gestern, am Tage nach diesen
aufrührerischen Vorfällen, fand vor der Mairie noch
ein Volksauflauf statt, dessen Zweck kein andrer
war, als die Freilassung der am vergangenen Abend
Verhafteten durchzusetzen. Man beschwichtigte die
aufgeregte Menge durch augenblickliche Befriedigung
ihrer ungestümen Forderung. Die Untersuchung ge-
gen die Strafbaren ist eingeleitet.


Ueber das Hambacher Fest gehen nach und nach
vollständigere Berichte ein, welche den Hergang des
Ganzen und die einzelnen Details näher beleuchten;
aus der Umsicht und Kürze jedoch, womit gewisse
Journale bisher sich darüber ausgesprochen, bemerkt
man die Verlegenheit Mancher, welche den Schein
der Gesetzlichkeit und der constitutionellen Ordnung
noch zu retten bemüht sind, hier aber auf gewaltige
Klippen stoßen, und in die Gefahr gerathen, entwe-
der der Wahrheit nicht die Ehre zu geben, oder bei
den Häuptern und Anhängern der gewaltsamen Par-
tei anzustoßen, oder die eigne Gesinnung auf die eine
oder andre Weise förmlich und unumwunden kund
geben zu müssen. Die Besorgnisse der Freunde des
Friedens, des Vaterlands und der gesetzlichen Frei-
heit, welche jenem Feste keineswegs einen ausschließ-
lichen Charakter von legalem Patriotismus und ein-
facher Feier einer Verfassung weissagten, sind nach
ganz sicherem Berichte leider nur zu sehr gerechtfer-
tigt worden; der wildeste Parteigeist hat sich einer
an und für sich schönen und reinen Jdee bemächtigt,
und die allercompromittirtesten Personen, welche zu-
dringlich sich an die Spitze des Ganzen gestellt,
trugen ihre Privatsache, ihre Privatrache und ihre
Privatzwecke in eine Versammlung mit hinein, de-
ren Bestimmung, dem hierüber erlassenen Programme
gemäß, eine ganz andre war, und bloß deshalb von
Seiten der baierschen Staatsregierung ferner keine
Anfechtung mehr erlitten hatte, nachdem nämlich be-
ruhigende Zusagen auf Ehre und moralische Bürg-
schaft der Veranlasser hin gegeben worden waren.
Jndem wir, was die Geschichte im Zusammenhange
betrifft, auf bereits erschienene Darstellungen verwei-
sen, heben wir besonders den Umstand hervor, daß
die Reden Siebenpfeiffers, Wirths, Wallauers etc.
alles übertreffen, was man seither in irgend einem
der revolutionärsten Länder auf der Tribüne, in
Klubbs und in Journalen vernommen. Vor sämmt-
lichen aber zeichnete sich Dr. Wirth aus, welcher
Marat an schamloser Frechheit, in Gesinnung, De-
clamation und Tendenz, nicht nur erreicht, sondern
übertroffen zu haben scheint, so daß er selbst seine

[Spaltenumbruch] fahrt zurück und paſſirten durch unſre Stadt. Auf
den dicht beſetzten Wagen entfalteten ſie Fahnen, in
Schwarz, Roth und Gold, ſo wie Cocarden von den
nämlichen Farben. Sie brachten der Freiheit man-
ches Lebehoch aus, und wirkten ohne Zweifel durch
ihre hier und da ſehr grell hervortretende Exaltation
aufregend auf die verſammelte Menge, welche in den
fremden Gäſten Leute zu erblicken glaubte, die mit
dem Steine der Weiſen in die Heimath zurückkehr-
ten. “Schwarzbrod und Freiheit!” hörte man eine
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wiederte eine andre. Man knüpfte Klagen an Kla-
gen, und die Leidenſchaften der Menge ſteigerten ſich
mit den wachſenden Volkshaufen. Man tobte gegen
den abermals geſteigerten, für Viele nicht mehr er-
ſchwinglichen Brodpreis; man ſchrie über Wucher
und beklagte ſich über Mangel an thätiger Vorſorge
von Seiten des Gemeinderaths. Von dieſen Bera-
thungen bis zu Handlungen offener Gewalt war nur
ein Schritt, und er ward gethan. Man begann zu-
erſt damit, mehrere mit Getreide beladene Wagen,
welche Hrn. Renz dahier, einem Hauptkornhändler,
gehörten, an der Abfahrt zu hindern, ſie abzuladen
und ihren ganzen Jnhalt auf dem Mauth-Bureau
niederzulegen. Dieſer erſte Act fand unter großem
Zulaufe der Menge ſtatt, ging jedoch ziemlich ruhig
und ohne alle auffallenden Exceſſe vorüber. Auf
gleiche Weiſe ward nachher mit einem im Hafen vor
Anker liegengen, mit 600 Maltern Getreide befrach-
teten, demſelben Kornhändler gehörenden Schiffe, ver-
fahren. Während eine beträchtliche Zahl handfeſter
Männer mit der Ausleerung des Schiffes ſich be-
ſchäftigte, wogte das Rhein-Ufer von Zuſchauern,
welche theilweiſe ihren Beifall lebhaft genug zu er-
kennen gaben. Damit ſchien Alles zu Ende zu ſeyn
und der Reſt des Tages einen friedlichen Verlauf
nehmen zu wollen; aber wie ſehr hatte man ſich ge-
irrt. Gegen 9 Uhr entwickelte ſich der Aufſtand mit
ne[u] verſtärkter Kraft und ging in offenen Aufruhr
über. Alles war auf den Beinen; Viele um ihre
Neugierde zu befriedigen, Andre aber, um ſelbſt-
thätig mitzuwirken. Zuerſt gab es einen Auflauf
vor der Wohnung des Bürgermeiſters Falkenberg,
vor welcher man einen Freiheitsbaum unter enthu-
ſiaſtiſchen Ausrufungen aufpflanzte. Schlimmer er-
ging es dem am Marktplatze wohnenden Gemeinde-
rathe und Bäckermeiſter Bandel. Die Menge be-
gnügte ſich nicht bloß mit einem drohenden Aufzuge
vor ſeinem Hauſe, ſondern unterhielt auch einen leb-
haften Steinregen gegen die Fenſter. Eine gleiche
Behandlung ward dem oben erwähnten Kornhändler
Renz zu Theil. Dieß alles ging mit einem furcht-
baren Tumult vor ſich; es ſchien in der That, als
wenn ſich die Bevölkerung von Worms verdoppelt
oder verdreifacht hätte, ſo groß war das Getöſe, wel-
ches den Luftkreis erfüllte. Eine mit Aexten und
Hebebäumen bewaffnete Anzahl Männer, welche man
bisher an der Spitze bemerkt hatte, entwickelte erſt
in dem Augenblicke ihre volle Thatkraft, als ein
Angriff auf das Wohnhaus des Wechslers Levi un-
ternommen und raſch ausgeführt wurde. Erſt nach-
dem der Tumult ſoweit vorgeſchritten war, requirirte
der Bürgermeiſter militäriſche Hülfe. Es war ge-
gen 11 Uhr. Es erſchien eine Patrouille von 60
Mann auf dem Tumultplatze. Da der Aufforderung
zur Ordnung und zum Auseinandergehen keine Folge
geleiſtet ward, ſo ſah ſich das Militär genöthigt,
thätig einzuſchreiten und das Bajonet zu gebrauchen.
[Spaltenumbruch] Jene zehn bis zwölf Jndividuen, welche mit ihren
Aexten und Hebebäumen während drei Stunden die
höchſte Autorität von Worms repräſentirten, leiſte-
ten, von ihrer zahreichen Begleitung unterſtützt, an-
fangs Widerſtand, wurden aber doch bald zum Wei-
chen gebracht, ungeachtet der Steinwürfe, welchen
die Soldaten ſowohl von oben als von den Seiten
ausgeſetzt waren. Auf beiden Seiten gab es Ver-
wundete, worunter mehrere mit gefährlichen Stichen
den Kampfplatz verließen. Nachdem das Militär die
Ruhe hergeſtellt und mehrere der Rädelsführer ver-
haftet hatte, trat die Bürgergarde unter das Ge-
wehr und vereinigte ſich mit den Linientruppen zum
gemeinſchaftlichen Sicherheitsdienſt. Wachen und
Poſten wurden verdoppelt und zahlreiche Patrouillen
durchſtreiften die Stadt. Dadurch ward die Ruhe
und Ordnung für den Reſt der Nacht wieder herge-
ſtellt und erhalten. Geſtern, am Tage nach dieſen
aufrühreriſchen Vorfällen, fand vor der Mairie noch
ein Volksauflauf ſtatt, deſſen Zweck kein andrer
war, als die Freilaſſung der am vergangenen Abend
Verhafteten durchzuſetzen. Man beſchwichtigte die
aufgeregte Menge durch augenblickliche Befriedigung
ihrer ungeſtümen Forderung. Die Unterſuchung ge-
gen die Strafbaren iſt eingeleitet.


Ueber das Hambacher Feſt gehen nach und nach
vollſtändigere Berichte ein, welche den Hergang des
Ganzen und die einzelnen Details näher beleuchten;
aus der Umſicht und Kürze jedoch, womit gewiſſe
Journale bisher ſich darüber ausgeſprochen, bemerkt
man die Verlegenheit Mancher, welche den Schein
der Geſetzlichkeit und der conſtitutionellen Ordnung
noch zu retten bemüht ſind, hier aber auf gewaltige
Klippen ſtoßen, und in die Gefahr gerathen, entwe-
der der Wahrheit nicht die Ehre zu geben, oder bei
den Häuptern und Anhängern der gewaltſamen Par-
tei anzuſtoßen, oder die eigne Geſinnung auf die eine
oder andre Weiſe förmlich und unumwunden kund
geben zu müſſen. Die Beſorgniſſe der Freunde des
Friedens, des Vaterlands und der geſetzlichen Frei-
heit, welche jenem Feſte keineswegs einen ausſchließ-
lichen Charakter von legalem Patriotismus und ein-
facher Feier einer Verfaſſung weiſſagten, ſind nach
ganz ſicherem Berichte leider nur zu ſehr gerechtfer-
tigt worden; der wildeſte Parteigeiſt hat ſich einer
an und für ſich ſchönen und reinen Jdee bemächtigt,
und die allercompromittirteſten Perſonen, welche zu-
dringlich ſich an die Spitze des Ganzen geſtellt,
trugen ihre Privatſache, ihre Privatrache und ihre
Privatzwecke in eine Verſammlung mit hinein, de-
ren Beſtimmung, dem hierüber erlaſſenen Programme
gemäß, eine ganz andre war, und bloß deshalb von
Seiten der baierſchen Staatsregierung ferner keine
Anfechtung mehr erlitten hatte, nachdem nämlich be-
ruhigende Zuſagen auf Ehre und moraliſche Bürg-
ſchaft der Veranlaſſer hin gegeben worden waren.
Jndem wir, was die Geſchichte im Zuſammenhange
betrifft, auf bereits erſchienene Darſtellungen verwei-
ſen, heben wir beſonders den Umſtand hervor, daß
die Reden Siebenpfeiffers, Wirths, Wallauers ꝛc.
alles übertreffen, was man ſeither in irgend einem
der revolutionärſten Länder auf der Tribüne, in
Klubbs und in Journalen vernommen. Vor ſämmt-
lichen aber zeichnete ſich Dr. Wirth aus, welcher
Marat an ſchamloſer Frechheit, in Geſinnung, De-
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übertroffen zu haben ſcheint, ſo daß er ſelbſt ſeine

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[[5]/0005] fahrt zurück und paſſirten durch unſre Stadt. Auf den dicht beſetzten Wagen entfalteten ſie Fahnen, in Schwarz, Roth und Gold, ſo wie Cocarden von den nämlichen Farben. Sie brachten der Freiheit man- ches Lebehoch aus, und wirkten ohne Zweifel durch ihre hier und da ſehr grell hervortretende Exaltation aufregend auf die verſammelte Menge, welche in den fremden Gäſten Leute zu erblicken glaubte, die mit dem Steine der Weiſen in die Heimath zurückkehr- ten. “Schwarzbrod und Freiheit!” hörte man eine Stimme rufen; “Jhr habt keins von beiden!” er- wiederte eine andre. Man knüpfte Klagen an Kla- gen, und die Leidenſchaften der Menge ſteigerten ſich mit den wachſenden Volkshaufen. Man tobte gegen den abermals geſteigerten, für Viele nicht mehr er- ſchwinglichen Brodpreis; man ſchrie über Wucher und beklagte ſich über Mangel an thätiger Vorſorge von Seiten des Gemeinderaths. Von dieſen Bera- thungen bis zu Handlungen offener Gewalt war nur ein Schritt, und er ward gethan. Man begann zu- erſt damit, mehrere mit Getreide beladene Wagen, welche Hrn. Renz dahier, einem Hauptkornhändler, gehörten, an der Abfahrt zu hindern, ſie abzuladen und ihren ganzen Jnhalt auf dem Mauth-Bureau niederzulegen. Dieſer erſte Act fand unter großem Zulaufe der Menge ſtatt, ging jedoch ziemlich ruhig und ohne alle auffallenden Exceſſe vorüber. Auf gleiche Weiſe ward nachher mit einem im Hafen vor Anker liegengen, mit 600 Maltern Getreide befrach- teten, demſelben Kornhändler gehörenden Schiffe, ver- fahren. Während eine beträchtliche Zahl handfeſter Männer mit der Ausleerung des Schiffes ſich be- ſchäftigte, wogte das Rhein-Ufer von Zuſchauern, welche theilweiſe ihren Beifall lebhaft genug zu er- kennen gaben. Damit ſchien Alles zu Ende zu ſeyn und der Reſt des Tages einen friedlichen Verlauf nehmen zu wollen; aber wie ſehr hatte man ſich ge- irrt. Gegen 9 Uhr entwickelte ſich der Aufſtand mit neu verſtärkter Kraft und ging in offenen Aufruhr über. Alles war auf den Beinen; Viele um ihre Neugierde zu befriedigen, Andre aber, um ſelbſt- thätig mitzuwirken. Zuerſt gab es einen Auflauf vor der Wohnung des Bürgermeiſters Falkenberg, vor welcher man einen Freiheitsbaum unter enthu- ſiaſtiſchen Ausrufungen aufpflanzte. Schlimmer er- ging es dem am Marktplatze wohnenden Gemeinde- rathe und Bäckermeiſter Bandel. Die Menge be- gnügte ſich nicht bloß mit einem drohenden Aufzuge vor ſeinem Hauſe, ſondern unterhielt auch einen leb- haften Steinregen gegen die Fenſter. Eine gleiche Behandlung ward dem oben erwähnten Kornhändler Renz zu Theil. Dieß alles ging mit einem furcht- baren Tumult vor ſich; es ſchien in der That, als wenn ſich die Bevölkerung von Worms verdoppelt oder verdreifacht hätte, ſo groß war das Getöſe, wel- ches den Luftkreis erfüllte. Eine mit Aexten und Hebebäumen bewaffnete Anzahl Männer, welche man bisher an der Spitze bemerkt hatte, entwickelte erſt in dem Augenblicke ihre volle Thatkraft, als ein Angriff auf das Wohnhaus des Wechslers Levi un- ternommen und raſch ausgeführt wurde. Erſt nach- dem der Tumult ſoweit vorgeſchritten war, requirirte der Bürgermeiſter militäriſche Hülfe. Es war ge- gen 11 Uhr. Es erſchien eine Patrouille von 60 Mann auf dem Tumultplatze. Da der Aufforderung zur Ordnung und zum Auseinandergehen keine Folge geleiſtet ward, ſo ſah ſich das Militär genöthigt, thätig einzuſchreiten und das Bajonet zu gebrauchen. Jene zehn bis zwölf Jndividuen, welche mit ihren Aexten und Hebebäumen während drei Stunden die höchſte Autorität von Worms repräſentirten, leiſte- ten, von ihrer zahreichen Begleitung unterſtützt, an- fangs Widerſtand, wurden aber doch bald zum Wei- chen gebracht, ungeachtet der Steinwürfe, welchen die Soldaten ſowohl von oben als von den Seiten ausgeſetzt waren. 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Ueber das Hambacher Feſt gehen nach und nach vollſtändigere Berichte ein, welche den Hergang des Ganzen und die einzelnen Details näher beleuchten; aus der Umſicht und Kürze jedoch, womit gewiſſe Journale bisher ſich darüber ausgeſprochen, bemerkt man die Verlegenheit Mancher, welche den Schein der Geſetzlichkeit und der conſtitutionellen Ordnung noch zu retten bemüht ſind, hier aber auf gewaltige Klippen ſtoßen, und in die Gefahr gerathen, entwe- der der Wahrheit nicht die Ehre zu geben, oder bei den Häuptern und Anhängern der gewaltſamen Par- tei anzuſtoßen, oder die eigne Geſinnung auf die eine oder andre Weiſe förmlich und unumwunden kund geben zu müſſen. Die Beſorgniſſe der Freunde des Friedens, des Vaterlands und der geſetzlichen Frei- heit, welche jenem Feſte keineswegs einen ausſchließ- lichen Charakter von legalem Patriotismus und ein- facher Feier einer Verfaſſung weiſſagten, ſind nach ganz ſicherem Berichte leider nur zu ſehr gerechtfer- tigt worden; der wildeſte Parteigeiſt hat ſich einer an und für ſich ſchönen und reinen Jdee bemächtigt, und die allercompromittirteſten Perſonen, welche zu- dringlich ſich an die Spitze des Ganzen geſtellt, trugen ihre Privatſache, ihre Privatrache und ihre Privatzwecke in eine Verſammlung mit hinein, de- ren Beſtimmung, dem hierüber erlaſſenen Programme gemäß, eine ganz andre war, und bloß deshalb von Seiten der baierſchen Staatsregierung ferner keine Anfechtung mehr erlitten hatte, nachdem nämlich be- ruhigende Zuſagen auf Ehre und moraliſche Bürg- ſchaft der Veranlaſſer hin gegeben worden waren. Jndem wir, was die Geſchichte im Zuſammenhange betrifft, auf bereits erſchienene Darſtellungen verwei- ſen, heben wir beſonders den Umſtand hervor, daß die Reden Siebenpfeiffers, Wirths, Wallauers ꝛc. alles übertreffen, was man ſeither in irgend einem der revolutionärſten Länder auf der Tribüne, in Klubbs und in Journalen vernommen. Vor ſämmt- lichen aber zeichnete ſich Dr. Wirth aus, welcher Marat an ſchamloſer Frechheit, in Geſinnung, De- clamation und Tendenz, nicht nur erreicht, ſondern übertroffen zu haben ſcheint, ſo daß er ſelbſt ſeine

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Zitationshilfe: Staats und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheiischen Correspondenten. Nr. 135, Hamburg, 8. Juni 1832, S. [5]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hc_1350806_1832/5>, abgerufen am 24.11.2024.