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Staats- und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten. Nr. 118, Hamburg, 25. Juli 1789.

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Mit allergnädigster Kayserlichen Freyheit.
Staats- und [Abbildung] Gelehrte
Zei- tung
des Hamburgischen unpartheyischen
CORRESPONDENTEN.

Anno 1789.    (Am Sonnabend, den 25 Julii.)    
Num. 118.



[Beginn Spaltensatz]
Die mit der heutigen Französischen Post angekomme-
nen Briefe aus Paris bringen die Nachricht mit,
daß daselbst große Bewegungen Statt gehabt haben,
nach welchen Herr Necker zurückberufen, und die neu
ernannten Minister ihrer Stellen wieder entlassen wor-
den, wie aus dem folgenden Schreiben mit mehrern
erhellen wird:


Jch hoffe, daß Sie meinen Brief vom 13ten erhal-
ten haben. Es giengen viele Unordnungen bey der
Post vor, aber durch die hier erfolgte glückliche Re-
volution,
wovon ich sogleich reden will, hat ein auf
dem Rathhause der Stadt errichteter beständiger Aus-
schuß 4 Bürger bey der Post ernannt, damit alles da-
selbst richtig und ordentlich zugehe. Gestern haben
diese Bürger daselbst ihre Stellen eingenommen.

Am Montag frühe schien die Stadt Paris mehr einer
mit Sturm eroberten Stadt, als der Hauptstadt des
Königreichs, ähnlich zu seyn. Man begegnete nur be-
waffneten und undisciplinirten Leuten, die sich den
größten Ausschweifungen überließen. Jn der Nacht
hatte man die Boutiken aller Waffenschmiede aufge-
brochen, und aus selbigen alle vorräthigen Gewehre
weggenommen. Des Morgens mußte jeder eine grüne
Cocarde, als das Symbolum der Hoffnung, nehmen.
Bey der Consternation verlohren doch die Bürger den
Kopf nicht. Es war eine allgemeine Versammlung auf
dem Rathhause; (Hotel de ville) verschiedene Ver-
sammlungen waren in den Kirchen, wo die Bürger-
schaft beschloß, sich zu bewaffnen und sich selbst zu
schützen. Vor 4 Uhr des Nachmittags giengen Pa-
trullen in allen Quartieren der Stadt, welche von
der Versammlung auf dem Stadthause abhiengen, wo
unter dem Präsidio des Herrn von Flesselles, Prevot
der Kaufleute, ein immerwährender Ausschuß errichtet
ward, um das zu reguliren, was die Bürgerwache be-
[Spaltenumbruch] trifft. Die Stadt nahm die Französischen Garden und
andere Königl. Truppen in Sold, welche ihre Fahnen
verlassen hatten. Sie errichtete von diesen Truppen
und von den bürgerlichen Truppen eine Miliz von
48000 Mann; und, welches zum Erstaunen war, vom
Dienstag an befanden sich sowol an Soldaten, die ihre
Fahnen verlassen hatten, als an Einwohnern, über
100000 Mann unter den Waffen. Es sind wirklich
116000 bewaffnete Leute, worunter aber wenig Caval-
lerie ist. Man vertheilte diese Truppen Quartierweise,
und die Quartiere wieder Districtweise. Man er-
nannte Officiers, und errichtete eine Casse zur Bezah-
lung der Soldaten und Arbeiter, etc. Man bewog die
Bürger, zu dieser Casse ihre Beyträge zu geben, wozu
jeder seinen Beytrag auch gab und noch überflüßig gie-
bet. Es wurden namhafte Summen dazu geliefert.

Vom Montag früh an begab sich ein Theil des be-
waffneten Volks, ohne Ordnung und ohne Chef, nach
verschiedenen Klöstern und andern Häusern, um zu
sehen, ob sich allda Korn- oder Me[unleserliches Material]magazine befän-
den. Die Carthäuser kamen der Visite zuvor, und
schickten ihr Korn nach der Halle. Jn dem Hause der
Priester von der Mißion des heil Lazarus, in der Vor-
stadt St. Martin, fand man etwa 50 Fuhren Getraide,
die man sogleich nach der Halle schickte. Die Priester
mußten die Wagen besteigen. Dieses Korn ward ver-
kaust, und das Geld den Priestern wiedergegeben.
Montags Abends begab sich eine Menge Räuber nach
dem gedachten Hause des heil. Lazarus, plünderte es,
und wollte das Haus in Brand stecken, aber die Bür-
gerwache eilte herbey, und zerstreuete die Bösewichte,
von welchen viele getödtet und einige sogleich aufge-
henkt wurden. Bey den jetzigen Unruhen hat sich die
Bürgerwache dergleichen Executionen der Räuber er-
laubt. Nie ist in Paris die Ruhe größer gewesen, als
in der Nacht vom Montag auf den Dienstag, und auch

Mit allergnaͤdigſter Kayſerlichen Freyheit.
Staats- und [Abbildung] Gelehrte
Zei- tung
des Hamburgiſchen unpartheyiſchen
CORRESPONDENTEN.

Anno 1789.    (Am Sonnabend, den 25 Julii.)    
Num. 118.



[Beginn Spaltensatz]
Die mit der heutigen Franzoͤſiſchen Poſt angekomme-
nen Briefe aus Paris bringen die Nachricht mit,
daß daſelbſt große Bewegungen Statt gehabt haben,
nach welchen Herr Necker zuruͤckberufen, und die neu
ernannten Miniſter ihrer Stellen wieder entlaſſen wor-
den, wie aus dem folgenden Schreiben mit mehrern
erhellen wird:


Jch hoffe, daß Sie meinen Brief vom 13ten erhal-
ten haben. Es giengen viele Unordnungen bey der
Poſt vor, aber durch die hier erfolgte gluͤckliche Re-
volution,
wovon ich ſogleich reden will, hat ein auf
dem Rathhauſe der Stadt errichteter beſtaͤndiger Aus-
ſchuß 4 Buͤrger bey der Poſt ernannt, damit alles da-
ſelbſt richtig und ordentlich zugehe. Geſtern haben
dieſe Buͤrger daſelbſt ihre Stellen eingenommen.

Am Montag fruͤhe ſchien die Stadt Paris mehr einer
mit Sturm eroberten Stadt, als der Hauptſtadt des
Koͤnigreichs, aͤhnlich zu ſeyn. Man begegnete nur be-
waffneten und undiſciplinirten Leuten, die ſich den
groͤßten Ausſchweifungen uͤberließen. Jn der Nacht
hatte man die Boutiken aller Waffenſchmiede aufge-
brochen, und aus ſelbigen alle vorraͤthigen Gewehre
weggenommen. Des Morgens mußte jeder eine gruͤne
Cocarde, als das Symbolum der Hoffnung, nehmen.
Bey der Conſternation verlohren doch die Buͤrger den
Kopf nicht. Es war eine allgemeine Verſammlung auf
dem Rathhauſe; (Hotel de ville) verſchiedene Ver-
ſammlungen waren in den Kirchen, wo die Buͤrger-
ſchaft beſchloß, ſich zu bewaffnen und ſich ſelbſt zu
ſchuͤtzen. Vor 4 Uhr des Nachmittags giengen Pa-
trullen in allen Quartieren der Stadt, welche von
der Verſammlung auf dem Stadthauſe abhiengen, wo
unter dem Praͤſidio des Herrn von Fleſſelles, Prevot
der Kaufleute, ein immerwaͤhrender Ausſchuß errichtet
ward, um das zu reguliren, was die Buͤrgerwache be-
[Spaltenumbruch] trifft. Die Stadt nahm die Franzoͤſiſchen Garden und
andere Koͤnigl. Truppen in Sold, welche ihre Fahnen
verlaſſen hatten. Sie errichtete von dieſen Truppen
und von den buͤrgerlichen Truppen eine Miliz von
48000 Mann; und, welches zum Erſtaunen war, vom
Dienſtag an befanden ſich ſowol an Soldaten, die ihre
Fahnen verlaſſen hatten, als an Einwohnern, uͤber
100000 Mann unter den Waffen. Es ſind wirklich
116000 bewaffnete Leute, worunter aber wenig Caval-
lerie iſt. Man vertheilte dieſe Truppen Quartierweiſe,
und die Quartiere wieder Diſtrictweiſe. Man er-
nannte Officiers, und errichtete eine Caſſe zur Bezah-
lung der Soldaten und Arbeiter, ꝛc. Man bewog die
Buͤrger, zu dieſer Caſſe ihre Beytraͤge zu geben, wozu
jeder ſeinen Beytrag auch gab und noch uͤberfluͤßig gie-
bet. Es wurden namhafte Summen dazu geliefert.

Vom Montag fruͤh an begab ſich ein Theil des be-
waffneten Volks, ohne Ordnung und ohne Chef, nach
verſchiedenen Kloͤſtern und andern Haͤuſern, um zu
ſehen, ob ſich allda Korn- oder Me[unleserliches Material]magazine befaͤn-
den. Die Carthaͤuſer kamen der Viſite zuvor, und
ſchickten ihr Korn nach der Halle. Jn dem Hauſe der
Prieſter von der Mißion des heil Lazarus, in der Vor-
ſtadt St. Martin, fand man etwa 50 Fuhren Getraide,
die man ſogleich nach der Halle ſchickte. Die Prieſter
mußten die Wagen beſteigen. Dieſes Korn ward ver-
kauſt, und das Geld den Prieſtern wiedergegeben.
Montags Abends begab ſich eine Menge Raͤuber nach
dem gedachten Hauſe des heil. Lazarus, pluͤnderte es,
und wollte das Haus in Brand ſtecken, aber die Buͤr-
gerwache eilte herbey, und zerſtreuete die Boͤſewichte,
von welchen viele getoͤdtet und einige ſogleich aufge-
henkt wurden. Bey den jetzigen Unruhen hat ſich die
Buͤrgerwache dergleichen Executionen der Raͤuber er-
laubt. Nie iſt in Paris die Ruhe groͤßer geweſen, als
in der Nacht vom Montag auf den Dienſtag, und auch

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[[1]/0001] Mit allergnaͤdigſter Kayſerlichen Freyheit. Staats- und [Abbildung] Gelehrte Zei- tung des Hamburgiſchen unpartheyiſchen CORRESPONDENTEN. Anno 1789. (Am Sonnabend, den 25 Julii.) Num. 118. Die mit der heutigen Franzoͤſiſchen Poſt angekomme- nen Briefe aus Paris bringen die Nachricht mit, daß daſelbſt große Bewegungen Statt gehabt haben, nach welchen Herr Necker zuruͤckberufen, und die neu ernannten Miniſter ihrer Stellen wieder entlaſſen wor- den, wie aus dem folgenden Schreiben mit mehrern erhellen wird: Schreiben aus Paris, vom 17 Julii. Jch hoffe, daß Sie meinen Brief vom 13ten erhal- ten haben. Es giengen viele Unordnungen bey der Poſt vor, aber durch die hier erfolgte gluͤckliche Re- volution, wovon ich ſogleich reden will, hat ein auf dem Rathhauſe der Stadt errichteter beſtaͤndiger Aus- ſchuß 4 Buͤrger bey der Poſt ernannt, damit alles da- ſelbſt richtig und ordentlich zugehe. Geſtern haben dieſe Buͤrger daſelbſt ihre Stellen eingenommen. Am Montag fruͤhe ſchien die Stadt Paris mehr einer mit Sturm eroberten Stadt, als der Hauptſtadt des Koͤnigreichs, aͤhnlich zu ſeyn. Man begegnete nur be- waffneten und undiſciplinirten Leuten, die ſich den groͤßten Ausſchweifungen uͤberließen. Jn der Nacht hatte man die Boutiken aller Waffenſchmiede aufge- brochen, und aus ſelbigen alle vorraͤthigen Gewehre weggenommen. Des Morgens mußte jeder eine gruͤne Cocarde, als das Symbolum der Hoffnung, nehmen. Bey der Conſternation verlohren doch die Buͤrger den Kopf nicht. Es war eine allgemeine Verſammlung auf dem Rathhauſe; (Hotel de ville) verſchiedene Ver- ſammlungen waren in den Kirchen, wo die Buͤrger- ſchaft beſchloß, ſich zu bewaffnen und ſich ſelbſt zu ſchuͤtzen. Vor 4 Uhr des Nachmittags giengen Pa- trullen in allen Quartieren der Stadt, welche von der Verſammlung auf dem Stadthauſe abhiengen, wo unter dem Praͤſidio des Herrn von Fleſſelles, Prevot der Kaufleute, ein immerwaͤhrender Ausſchuß errichtet ward, um das zu reguliren, was die Buͤrgerwache be- trifft. Die Stadt nahm die Franzoͤſiſchen Garden und andere Koͤnigl. Truppen in Sold, welche ihre Fahnen verlaſſen hatten. Sie errichtete von dieſen Truppen und von den buͤrgerlichen Truppen eine Miliz von 48000 Mann; und, welches zum Erſtaunen war, vom Dienſtag an befanden ſich ſowol an Soldaten, die ihre Fahnen verlaſſen hatten, als an Einwohnern, uͤber 100000 Mann unter den Waffen. Es ſind wirklich 116000 bewaffnete Leute, worunter aber wenig Caval- lerie iſt. Man vertheilte dieſe Truppen Quartierweiſe, und die Quartiere wieder Diſtrictweiſe. Man er- nannte Officiers, und errichtete eine Caſſe zur Bezah- lung der Soldaten und Arbeiter, ꝛc. Man bewog die Buͤrger, zu dieſer Caſſe ihre Beytraͤge zu geben, wozu jeder ſeinen Beytrag auch gab und noch uͤberfluͤßig gie- bet. Es wurden namhafte Summen dazu geliefert. Vom Montag fruͤh an begab ſich ein Theil des be- waffneten Volks, ohne Ordnung und ohne Chef, nach verſchiedenen Kloͤſtern und andern Haͤuſern, um zu ſehen, ob ſich allda Korn- oder Me_ magazine befaͤn- den. Die Carthaͤuſer kamen der Viſite zuvor, und ſchickten ihr Korn nach der Halle. Jn dem Hauſe der Prieſter von der Mißion des heil Lazarus, in der Vor- ſtadt St. Martin, fand man etwa 50 Fuhren Getraide, die man ſogleich nach der Halle ſchickte. Die Prieſter mußten die Wagen beſteigen. Dieſes Korn ward ver- kauſt, und das Geld den Prieſtern wiedergegeben. Montags Abends begab ſich eine Menge Raͤuber nach dem gedachten Hauſe des heil. Lazarus, pluͤnderte es, und wollte das Haus in Brand ſtecken, aber die Buͤr- gerwache eilte herbey, und zerſtreuete die Boͤſewichte, von welchen viele getoͤdtet und einige ſogleich aufge- henkt wurden. Bey den jetzigen Unruhen hat ſich die Buͤrgerwache dergleichen Executionen der Raͤuber er- laubt. Nie iſt in Paris die Ruhe groͤßer geweſen, als in der Nacht vom Montag auf den Dienſtag, und auch

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Zitationshilfe: Staats- und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten. Nr. 118, Hamburg, 25. Juli 1789, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hc_1182507_1789/1>, abgerufen am 21.11.2024.