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Staats und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheiischen Correspondenten. Nr. 108, Hamburg, 5. Mai 1848.

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[Spaltenumbruch] schuß von wenigstens 50,000 Seelen ebenfalls zu einem
Abgeordneten berechtigt.

Die Wahl geschieht durch das Volk (nicht durch
die Ständeversammlungen), ob aber direct oder in-
direct (durch Wahlmänner) bleibt der Gesetzgebung
der einzelnen Staaten überlassen.

Wähler ist jeder volljährige selbständige Staatsan-
gehörige mit Ausschluß der wegen eines entehrenden
Verbrechens Verurtheilten, w[ä]hlbar jeder Wahlbe-
rechtigte nach vollendetem 30. Lebensjahre. Die nä-
heren Bestimmungen bleiben einer von Reichswegen
zu erlassenden Wahlordnung vorbehalten. Beamte
bedürfen zu der auf sie gefallenen Wahl keine Ge-
nehmigung.

§. 14. Die Reichsräthe und die Mitglieder des
Unterhauses beziehen Reise- und Tagegelder aus der
Reichskasse.

§. 15. Jedes Mitglied des Reichstags mit Ein-
schluß der §. 12 No. 1 und 2 erwähnten Stellver-
treter und Abgeordneten vertritt ganz Deutschland
und ist an Jnstructionen nicht gebunden.

§. 16. Zu der Gültigkeit eines Reichstagsbeschlus-
ses gehört die Uebereinstimmung beider Häuser.

Das Recht des Gesetzvorschlags, der Beschwerde
und der Addresse, desgleichen die Anklage der Mini-
ster steht jedem Hause für sich zu.

Der Voranschlag des Reichshaushalts ist stets zu-
erst dem Unterhause zur Beschlußnahme vorzulegen,
deren Ergebniß das Oberhaus nur im Ganzen ver-
werfen, in den einzelnen Ansätzen nicht verändern darf.

§. 17. Zu einem Beschlusse eines jeden Hauses
gehört die Gegenwart von wenigstens einem Drit-
tel seiner Mitglieder und die absolute Mehrheit der
Stimmen.

§. 18. Der Reichstag versammelt sich von Rechts-
wegen jährlich einmal zu einer ordentlichen Sitzung
in Frankfurt a. M., die am .... ihren Anfang nimmt.
Außerordentliche Sitzungen können durch den Kaiser
zu jeder Zeit berufen werden (s. o. §. 8). Eine Ver-
tagung des Reichstags durch den Kaiser darf nicht
über sechs Wochen ausgedehnt werden; einer Auf-
lösung soll die Anordnung neuer Wahlen binnen 14
Tagen nachfolgen, widrigenfalls tritt der Reichstag
drei Monate nach der Auflösung in seiner alten Ge-
stalt zusammen, wenn die Zeit der ordentlichen Sitzung
nicht früher fällt. Die Sitzungen beider Häuser sind
öffentlich.

§. 19. Die Mitglieder des Reichstags können der
Verpflichtung an den Verhandlungen desselben Theil
zu nehmen, nur von dem betreffenden Hause des
Reichstags selbst entbunden werden.

§. 20. Sie können -- außer in dem Falle der Er-
greifung auf frischer That bei peinlichen Verbrechen,
während ihrer Anwesenheit auf dem Reichstage und
auf der Hin- und Herreise -- nicht ohne Zustimmung
des Hauses, dem sie angehören, verhaftet werden.
Auch können sie wegen ihrer Aeußerungen im Hause
an keinem Orte zur Rechenschaft gezogen werden.

§. 21. Die Reichsminister haben nur Stimmrecht
in dem einen oder andern Hause, wenn sie Mitglie-
der desselben sind. Sie haben Zutritt in jedem Hause
und müssen auf ihr Verlangen gehört werden. Jedes
Haus kann die Gegenwart der Minister verlangen.

C) Das Reichsgericht.

§. 22. Das Reichsgericht besteht aus 21 Mitglie-
dern. Sie werden zu einem Drittel vom Reichsober-
haupt, zu einem Drittel vom Oberhause, zu einem
Drittel vom Unterhause auf Lebenszeit ernannt, und
wählen aus ihrer Mitte den Präsidenten und den
Vicepräsidenten. Unvereinbar mit der Stelle eines
Reichsrichters ist die Mitgliedschaft des Ober- und
Unterhauses und die Bekleidung jedes anderen Reichs-
oder Staatsamtes.

§. 23. Das Reichsgericht hat seinen Sitz in Nürn-
berg. Seine Sitzungen sind öffentlich.

§. 24. Die Zuständigkeit des Reichsgerichts um-
faßt Folgendes:

a) Streitigkeiten jeder Art, politische und rechtliche,
zwischen den einzelnen deutschen Staaten oder
zwischen regierenden Fürsten, insofern sie nicht
in das Gebiet der Reichsregierungssachen gehören,
und mit Vorbehalt der gewillkührten Austräge.
b) Streitigkeiten über Thronfolge, Regierungsfähig-
keit und Regentschaft in den deutschen Staaten
unter demselben Vorbehalte.
c) Klagsachen von Privatpersonen gegen regierende
deutsche Fürsten, insofern es an der Zuständig-
keit eines Landesgerichtes fehlt.
d) Klagsachen von Privatpersonen gegen deutsche
Staaten, bei welchen die Verpflichtung, der For-
derung Genüge zu leisten, zwischen mehreren
Staaten zweifelhaft oder bestritten ist.
e) Streitigkeiten zwischen der Regierung eines ein-
zelnen Staates und dessen Ständen über die
Gültigkeit oder Auslegung der Landesverfassung.
f) Alle Klagen gegen den Reichsfiscus und dessen
einzelne Zweige.
g) Entscheidungen in oberster Jnstanz über die nach
der Verfassung eines jeden Landes zu beurthei-
lenden Beschwerden wegen verweigerter oder ge-
hemmter Rechtspflege.
h) Anklagen gegen die Reichsminister oder die Lan-
desminister durch eines der Häuser des Reichs-
tags; desgleichen Anklagen gegen die Landesmini-
ster durch die Landstände wegen Verletzung der
Reichs[-] oder beziehungsweise Landes-Grundgesetze.
Die Frage wegen Ausdehnung des Anklagerechts
auf andere Fälle bleibt der näheren Bestimmung
eines Reichsgesetzes vorbehalten.
i) Criminalgerichtsbarkeit für Urtheilsfällung durch
Geschworne in Fällen des Hoch- und Landesver-
raths gegen das Reich, sowie bei Majestätsver-
brechen gegen das Reichsoberhaupt.

Der in diesen Fällen dem Reichsoberhaupt zustehen-
den Begnadigung muß ein Gutachten des Reichsge-
richts vorhergehen.

Außerdem hat das Reichsgericht auf Erfordern der
Reichsregierung wegen angeblicher Verletzung reichs-
gesetzlich verbürgter Rechte durch Gesetze oder Regie-
rungshandlungen der einzelnen Staaten Gutachten
zu geben.

Die Vollziehung der reichsgerichtlichen Sprüche be-
stimmt ein künftiges Reichsgesetz. (Schluß folgt.)




Jtalien.

Daß die Oesterreicher in der Lombardei wirklich
Fortschritte machen, sieht man deutlicher, als aus den
nur zu sehr im eigenen Jnteresse entstellenden öster-
reichischen Berichten, aus der Neuen Zürcher Zeitung,
die nicht minder zu Gunsten der Lombarden die That-
sachen zu modificiren pflegt. Sie schreibt: "Mailand.
Laut Berichten vom 23 April, hatte der piemontesi-
sche General Sonnaz vom Hauptquartier zu Volta
aus eine Recognoscirung auf dem linken Mincioufer
vorgenommen. Die Vorposten drangen bis Villa-
franca vor, ohne einen Feind anzutreffen." Einem
Schreiben vom 24 April entheben wir Folgendes:
"Die Oesterreicher halten sich in ihren Nestern von
Peschiera, Mantua, Legnago und Verona eingeschlos-
sen. Um sie daraus zu vertreiben oder gefangen zu
nehmen, bedarf es mehr Geld und Muth." Laut
Bulletin vom 23 April, hat General Allemandi von
Brescia geschrieben, daß drei seiner Schaaren, die
über Stenico hinaus waren, von überlegenen Streit-
kräften angegriffen, sich in bester Ordnung Tione zu-
rückgezogen haben. Der General hat Verstärkungen
dahin entsandt, darunter ein regul[ä]res Bataillon.
Karl Albert lehnte es dagegen ab, weitere Corps zur
Verfügung des Generals Allemandi zu stellen, indem
er für seine wichtigen Operationen am Mincio seine
ganze Mannschaft nöthig habe. -- Die Stadt Treviso
ist von den österreichischen Truppen wieder erobert
worden. Ein Pfarrer, welcher die Bauern von
Jammico anführte, ist von den Croaten in Stücke ge-
hauen worden.

Briefe aus Bologna melden,
daß die päpstlichen Truppen unter dem General Len-
tulus über den Po gegangen sind. Die Republik
Venedig hatte dem General Durando vor der Abreise
[Spaltenumbruch] seiner Truppen 100,000 Fr. zugeschickt. Die Tosca-
ner, die Modeneser und ein Bataillon Neapolitaner
standen 7 Meilen von Mantua und hielten Borgo-
forte und Governolo besetzt. Ein Decret der provi-
sorischen Regierung von Parma verordnet, daß die
Truppen dieses Staates gleich in die Lombardei ein-
rücken und sich unter den Befehl Carl Alberts stellen
sollen. Eine Colonne modenesischer Freiwilliger war
gleichfalls über den Po gegangen. Der Ex-Herzog
von Parma soll Willens seyn, sich nach der Schweiz
zurückzuziehen. Carl Albert hat mit Zustimmung
der provisorischen Regierung in Modena ein Lager
für Kriegsvorrath errichtet. Die modenesischen Trup-
pen werden dem sardinischen Heere einverleibt werden.

Admiral Baudin ist heute
auf dem Dreimaster Friedland in Begleitung von
zwei anderen Kriegsschiffen ersten Ranges und zwei
Dampf-Fregatten im Golf von Spezia eingelaufen; wei-
tere Schiffe werden binnen Kurzem erwartet.    (A. Z.)

Der Fürst von Colobrano,
Gaetano Carafa, ist am 18 d. (aus Neapel) in Rom
mit dem Auftrage angekommen, die Einberufung einer
föderalen Tagsatzung in Rom zu beschleunigen. Eine
schöne und heilige Sendung; damit aber die neue
Tagsatzung von allen Völkern Jtaliens als eine höchste
Behörde anerkannt werde, soll der Ursprung dieser
Versammlung und deren Zweck klar und bestimmt
auseinander gesetzt werden. Dieselbe muß aus den
volksvertretenden Kammern des gesammten Jtaliens
hervorgehen, damit sie den wahren Willen der Na-
tion ausdrücke. Es wird ihr obliegen, entschieden
und ohne Appell die Fürsten- und die Gebiets-Frage
zu erledigen, mit einem Worte, ein neues Grund-
gesetz für Jtalien festzustellen.


Jn Tivoli wurden am 12 April die Jesuiten durch
einen Volkstumult vertrieben; in Rom, wo der Papst
aus seinem Privatvermögen 4000 Scudi zur Verthei-
lung an die Armen für Ostern hergegeben hat, ist es
ruhig. Der Contemporaneo macht in Bezug auf
Hrn. Forbin Janson darauf aufmerksam, daß die
französische Republik formell noch nicht vom heil.
Stuhle anerkannt ist. Die römische Zeitung berichtet
jetzt zuweilen, dieser oder jener Principe u. s. w. habe
seiner Patrimonial-Gerichtsbarkeit entsagt. Was
mag solche Entsagung zunächst hervorgerufen haben?

Ferdinand II. protestirt
aufs Neue gegen die Erklärung des sicilischen Gene-
ral-Parlaments vom 13 d. Er nennt sie "illegale,
irrita e nulla e di niun valore."
Jm General-Par-
lament zu Palermo sollen die Parteien keinesweges
freundschaftlich einander gegenüberstehen, ja es soll
Syrakus, welches jetzt ganz von K. neapolitanischen
Truppen geräumt ist, sich entschieden für König Fer-
dinand und die Constitution ausgesprochen haben.
Syrakusische Schiffe kamen hier unter neapolitanischer
Flagge an. Jn Messina fand keine weitere Kanonade
statt, täglich jedoch werden Flintenschüsse gewechselt.
Pronio liegt mit 2800 Mann in der Citadelle. Es
herrscht der Petechialtyphus unter seinen Truppen.
Die messinesische Miliz ist ziemlich gut organisirt, es
fehlt aber noch immer an Gewehren und Pulver.
Die jungen in Messina lebenden fremden Kaufleute
(die alten sollen sehr conservativ und königlich gesinnt
seyn) verrichten Wach- und Patrouillendienste mit den
Messinesen. (A. Z.)


Unsere Regierung hat in Wien durch den ungari-
schen Minister die dringendsten Vorstellungen zur so-
fortigen Zurücksendung des ungarischen Militärs aus
Gallizien und Mähren und zur möglich baldigen Aus-
gleichung in Jtalien, damit auch von dort das unga-
rische Militär heimkehre, machen lassen. Diese Vor-
stellungen sind in Wien zweimal, aber ohne Erfolg,
gemacht worden. Unsere Regierung hat nun ein Ul-
timatum nach Wien gesendet, in welchem sie mit dem
größten Nachdruck droht, daß, wenn nicht die so-
fortige Zurücksendung des ungarischen Militärs aus
Mähren und Gallizien erfolgt, die ungarische Regie-
rung die von ihrer Verantwortlichkeit gebotenen Schritte
thun werde. Die Zusammenberufung eines außer-
ordentlichen Landtages in möglichst kurzer Zeit ist be-
reits beschlossen.


Der Finanzminister Ludwig Kossuth hat sich auf
den dringenden Rath der Aerzte zur Wiederherstellung
seiner Gesundheit auf's Land zurückgezogen, ohne jedoch
damit die oberste Leitung seines Ministeriums aufzu-
geben oder aufzuschieben. Viele schwatzen von einer
angeblichen Vergiftung.

Jm Banat sind mehrfache Unruhen ausgebrochen.
Der Jllyrismus hat Raubhorden gegen Ungarn aus-
gesendet, welche letztere sich mit ihren Familien flüchten
mußten. Dies ist namentlich in Groß-Kikinda ge-
schehen, wo auch vier Magistratsräthe getödtet wurden.

Gegen 1500 hiesige jüdische Handwerker und Hand-
lungsdiener haben sich gestern zur Auswanderung
nach Nordamerika eingeschrieben.


Nachschrift. Die Spannung zwischen der hiesigen
Regierung und der Wiener nimmt einen bedenklichen
Charakter an. Der Erzherzog Stephan ist entschieden
auf die Seite unserer Regierung getreten. Die höchste
Agitation herrscht in der Stadt. Fulminante Prokla-
mationen fordern zu den Waffen auf, und wenn die
Wiener Regierung nicht bald zur Besinnung kommt,
steht ein furchtbarer Ausbruch bevor. (Bresl. Ztg.)


Seit vorgestern sind wir hier in einer ängstlichen
Aufregung. Es verbreitete sich nämlich das Gerücht,
daß 6000 Türken in Silistria, 4000 in Nikopel und
4000 in Rustschuk eingerückt wären. Verbürgter ist
die Nachricht jedenfalls, daß vier russische Cavallerie-
Regimenter, zwei Uhlanen- und zwei Husaren-Regi-
menter für die Walachei bestimmt seyn sollen. Heute
aber wird die schauderhafte Neuigkeit als eine That-
sache erzählt, daß die russische Armee bereits den Pruth
bei Skuläny in der Moldau überschritten habe. Un-
ser Fürst wurde davon durch eine Staffette benach-
richtigt. Wahrscheinlich steht die vor drei Tagen plötz-
lich erfolgte Abreise des russischen General-Consuls,
Hrn. v. Kotzebue, damit in Verbindung. Nicht ohne
Grund vermuthet man, daß uns die Russen noch her-
methischer von der [ö]sterreichischen Gränze abschließen
und diese besetzen werden, damit ja nur kein freisinni-
ger Gedanke mehr über die Karpathen dringe und zu
Reformen anreize. Dazu mögen auch die Petitionen
in Jassy, an deren Spitze der franz[ö]sische und engli-
sche Consul stand, um Aufhebung der bei uns und
dort so centnerschwer drückenden Censur und Erwei-
terung der Verfassungsrechte ihr Scherflein beigetra-
gen haben. Die Geschäfte liegen ganz darnieder, und
200 Schiffe feiern zu Braila, weil sie nichts zu ver-
führen haben. (Allg. Oest. Ztg.)


Es sind hier gestern mit dem Donau-Packetboote
Nachrichten aus den Fürstenthümern der Moldau und
Wallachei angekommen. Es herrscht dort noch immer
eine große Bewegung, welche jedoch mehr gegen die
Hospodare und die Schutzmacht Rußland als gegen
die Pforte gerichtet ist. W[ä]hrend die Adeligen und
Reichen, welche zur Opposition gehören, darin nur
eine Gelegenheit erblicken, die Fürsten Stourdza und
Bibesco zu stürzen, verlangen die Bauern Abschaffung
des Frohndienstes und die Arbeiter Erhöhung des
Lohnes. Sollten ernste Ruhestörungen in diesen Pro-
vinzen stattfinden, so wurde Rußland als Schutzmacht
dieselben besetzen, wie es dies bereits zu verschiedenen
Zeiten gethan hat. Serbien war von jeher von Fac-
tionen durchwühlt. Der gegenwärtige Fürst Alexan-
der Karageorgewitsch wurde im Jahre 1846 gewählt
und aufrecht gehalten, trotz Rußland, welches sich da-
mals das Protectorat über diese Provinz anmaßte
und dessen Agenten nicht ermangeln, eine Bewegung
gegen jenen Fürsten hervorzurufen. Jedoch war den
letzten Nachrichten zufolge die Ruhe noch nicht gestört
worden, und es herrschte das beste Einverständniß
zwischen dem Fürsten und dem Commandanten der
Festung, Mehemed Pascha. Jn Bosnien sind die
christlichen Bauern gegen die bosnischen Be[i]'s aufge-
standen, deren Feudal-Privilegien schwer auf dem
Landmanne lasten. -- Rußland zieht seine sämmtlichen
Truppen aus Tscherkessien zurück und ersetzt sie durch
[Spaltenumbruch] Kosaken-Regimenter, welche bloß die Festungen zu be-
wachen und die Gränze von den Streifzügen der
Tscherkessen frei zu halten haben werden. Der russi-
sche Minister hat der Pforte diese Maaßregel als einen
Beweis der friedlichen Absichten Rußlands dargestellt,
während es viel natürlicher wäre, darin eine Drohung
gegen die Pforte zu erblicken, indem diese im Kriege
abgehärteten, in dem beschwerlichen Waffendienste von
lange her geübten Truppen ein Corps von 20, bis
25,000 Mann bilden, welches sich vortrefflich zu einem
Ueberfalle eignet und nur Tscherkessien verlassen wird,
um an den Mündungen des Dnieper Posto zu fassen,
also an dem best gewählten Orte, von wo aus es
rasch eingeschifft und nach Belieben der russischen
Regierung auf jedweden Punkt befördert werden
könnte. Diese Lage der Dinge hat die Pforte wohl
erwogen, und man hat sämmtliche Regimenter der
Garde, welche auf verschiedenen Punkten Asiens zer-
streut sind, nach Konstantinopel einberufen. Auch ist
Gegenbefehl an die Truppen ergangen, welche nach
Tripoli bestimmt waren. (K. Z.)


Am 6 d. wurden 20 Studenten von einer Cavallerie-
Patrouille niedergeritten und mit Säbelhieben tractirt,
weil sie, Arm in Arm die Breite der Hauptstraße ein-
nehmend, unter dem Rufe "Es lebe Griechenland, die
Freiheit, der constitutionelle König, die französische
Republik, das regelmäßige Militair!" nach dem Pa-
laste zogen, eine Addresse zu überreichen. Die Addresse
um Nationalgarde ward indessen doch überreicht. So
hätte denn die Agitation begonnen. Sie ist jedoch
keineswegs gegen das Königthum gerichtet. Die Re-
publik will Niemand. Die Gesandten von Oesterreich
und Preußen bereiten sich zur Abreise vor. Oberst
Johann Stratos ist in der Klissura bei Missolonghi
in einen Hinterhalt gefallen, und nachdem er, schon
verwundet, den Räuberchef durch einen Pistolenschuß
getödtet hatte, von den übrigen ermordet worden.
Jn dieser Zeit ein trauriger Tod für einen tapfern
Mann.    (D. Z.)


Die Arbeiten an dem provisorischen Sitzungssaale
der National-Versammlung sind so gut wie beendigt.
Heute wird die letzte Hand angelegt. Morgen und
übermorgen steht der Saal dem Publikum zur Be-
schauung offen. Weder der Moniteur, noch die an-
deren Journale der Regierung bestätigen das Gerücht
von der Vertagung der National-Versammlung, die
also wohl am 4 d. eröffnet werden wird. Ueber den
Gang der ersten Arbeiten läßt sich nichts bestimmen;
es ist kein Reglement über den Geschäftsgang vor-
handen. Wird man damit anfangen, ein solches zu
machen, wird man vor Allem die Wahlen verificiren,
wird man die Acte der provisorischen Regierung prü-
fen und selbige bestätigen oder widerrufen? Nichts ist
noch über diese Fragen entschieden.

Die Unruhen in Rouen sind zu Ende, es ist viel
Blut geflossen und die Verhaftungen dauern fort, in
Elbeuf waren die Jnsurgenten noch im Besitze eines
Theiles ihrer Positionen und die Truppen erwarteten
Verstärkungen, in Limoges dagegen waren die Ar-
beiter Herren der Stadt und der Umgegend und hat-
ten eine revolutionäre Regierung eingesetzt, deren erster
Act die Verkündung der Todesstrafe gegen jede Ver-
letzung des Eigenthumes war. Auch in Nantes,
Clermont-Ferrand, Bourges und Nismes hat es in
Folge der Wahlen Unordnungen gegeben, letztere
Stadt ist in Belagerungszustand erklärt.

Zwei Jnfanterie-Regimenter sind abermals in
Paris eingerückt; man giebt die Stärke der Garnison
jetzt auf 24,000 Mann an; gestern, Sonntag, wim-
melten alle Straßen von Soldaten.

Der National erklärt heute abermals, daß die
Regierung zwar die Anarchie und die Revolte be-
kämpfen werde, daß sich aber die Reaction täusche,
wenn sie daraus Hoffnungen für sich schöpfe. Die
Aufgabe der Regierung sey die ächt demokratische
Reorganisation der Gesellschaft und diese werde sie im
weitesten Sinne durchzuführen wissen.

Oberst Louis Frapolli, Gesandter der provisori-
schen Regierung von Mailand, hat gestern Hrn. La-
martine seine Creditive übergeben. Frapolli war am
24 Febr. hier, schlug sich auf den Barrikaden und
war wenige Tage darauf schon wieder im Straßen-
kampfe von Mailand.

Die Reforme enthält heute einen bitteren Artikel
über die Unruhen in Rouen; sie weiset nach, wie
man von Seiten der Bourgeoisie diese Unruhen selbst
hervorgerufen und dann den Vorwand benutzt habe,
um gegen das Volk zu wüthen. Um dieses barba-
rische Gefecht zu charakterisiren, führt die Reforme
nur an, daß 150 Kanonenschüsse gegen die Barrikaden
abgefeuert wurden, daß die 140 Leichen in den Straßen
der Stadt, alle der arbeitenden Klasse angehören und
daß nicht ein Soldat, nicht ein Nationalgardist ge-
tödtet worden sey. Die Reforme schließt, indem sie
die Regierung auffordert, eine Untersuchung über diese
Schlächterei einzuleiten, mit den Worten: "Wahr-
haftig! wir haben es mit sehr elenden Widersachern
zu thun."

Die meisten Departements[-]Wahlen sind bereits be-
kannt, ungefähr ein Sechstel fehlt noch. Man weiß
bereits, daß Thiers, Emil v. Girardin und Chambolle
vom Siecle in ihren sonstigen Wahlbezirken nicht ge-
wählt wurden; dagegen sind ungefähr zwanzig Geist-
liche Deputirte geworden, unter ihnen der Bischof
v. Quimper. Lamartine ist in sechs Departements
gewählt, Ledru-Rollin in zwei; eben so zählen fast
alle Mitglieder der provisorischen Regierung doppelte
Ernennungen.

Cormenin's Constitutions-Entwurf für die Re-
publik soll die Executiv Gewalt in die Hände dreier
Consuln mit dem suspensiven Veto und die legisla-
tive Gewalt in den Schooß einer einzigen berathenden
Versammlung legen.

Eine Versammlung der Actionäre der Nordbahn
fand gestern unter Rothschild's Vorsitz statt. Die Di-
vidende wurde auf 9 Fr. 95 C. festgesetzt.

Die französische Escadre des Mittelmeeres hat den
Befehl erhalten, sich nach dem Hafen von Genua zu
begeben.

Vorgestern ist ein ehemaliger österreichischer Offi-
zier mit einer Colonne von 250 deutschen Arbeitern
von hier nach dem Rheine abmarschirt. Dieser Ab-
marsch steht in keiner Verbindung mit der hiesigen
deutschen demokratischen Gesellschaft und ist in ihrer
gestrigen Sitzung öffentlich desavouirt worden. Die
Richtung dieser Colonne geht an die preußische Gränze
bei Trier.

Abd-el. Kader ist am 23 April aus dem Fort La-
malgue nach dem Schlosse von Pau gebracht worden,
wo er künftig mit seiner Familie und seinem Gefolge
wohnen wird.


Es sind nun mehr als 100 Flüchtlinge hier, welche
den Kampf im badischen Oberlande mitgemacht haben.
Den selben wurde heute von der Behörde eröffnet, daß
das Ministerium beschlossen habe, ihnen den Aufent-
halt in Frankreich durchaus nicht zu versagen, allein
sie hätten sich nach einem der Departemente des Jura,
des Doubs, der Ardennen oder Haute-Saone zu be-
geben. Die freundschaftlichen Beziehungen zu Deutsch-
land gestatteten nicht, daß sie sich in den an Deutsch-
land gränzenden Departementen des Elsasses oder
Lothringens niederlassen könnten. Die Flüchtlinge er-
halten Pässe und die nothwendige Unterstüßung von
der Regierung.




Vermischte Nachrichten.

Der Zustand des platten Landes um Hersfeld
(Kurhessen) ist in hohem Maaße beklagenswerth. Die
Bewohner der Dorfschaften sind mehr in Furcht und
Angst um Leben und Eigenthum. Jeder, der Etwas
hat, ist gegen Jeden, der nichts hat, bereits in den
Zustand der Nothwehr gesetzt; in manchen Gemein-
den (unter denen z. B. Fischbach im Kreise Hünfeld,
im Justizamte Eiterfeld, hart an der Gränze des
Kreises Hersfeld, genannt wird) haben sich ordentliche
Banden gebildet, die, bewaffnet, beliebig hin- und wie-
der ziehen, Geld, Korn etc. brandschatzen, demoliren,
[Spaltenumbruch] was ihnen unter die Hände kommt, und zwar nicht
bloß unter dem Schirme der Nacht, sondern auch im
hellen Lichte des Tages. So geht es schon Wochen
lang zu.


Jn Stettin hat am 1 Mai ein überaus ernstlicher
Straßen-Auflauf stattgehabt, bei dem es auf Plün-
derung der Läden abgesehen war. Die Ruhe wurde
durch die Bürgerwehr schnell wieder hergestellt.

Nach dem Vorgange anderer Städte haben auch in
Lübeck die Schneidergesellen am 1 Mai durch ein
Arbeitniederlegen in Masse den Versuch gemacht, Zu-
geständnisse hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitslohn
von den Meistern zu erhalten; wie es scheint, ohne
Erfolg. Die Gesellen sollen schon am Tage darauf
zum großen Theile die Arbeit wieder aufgenommen
haben, nachdem sie aus der energischen Sprache der
Behörde, die die fremden Gesellen im Falle fortdauern-
der Weigerung zu arbeiten, mit sofortiger Auswei-
sung bedrohte, hatten entnehmen können, daß sie auf
einen schwer besieglichen Widerstand stoßen würden.
Damit werden auch die sympathisirenden Regungen
unter den Gehülfen anderer Gewerke von selbst un-
terdrückt.


Die Gazzetta di Venezia enthält ein Schreiben
von einem Deutschen, Namens Heinrich Stieglitz,
der in Venedig in die Bürgergarde getreten ist, und
sich nun gegen den Deutschenhaß der Jtaliäner ver-
wahrt, weil die Oesterreicher keine Deutschen, und die
Preußen. Sachsen etc. keine Oesterreicher seyen. "Es
hat vielleicht Niemand mehr Recht und Beruf, so im
Namen seiner Landsleute zu sprechen, als gerade
Derjenige, der Jtalien so innig liebt, und der auch in
den jüngsten Tagen des Wiederauflebens sich aus
freiem Drange unter eure Reihen geschaart." Der
Mann hat einen äußerst richtigen politischen Takt
und ein feines Gefühl für Nationalwürde: -- er
könnte auch unter die Dänen gehen, weil die Schles-
wiger keine "Stieglitze" sind!


Der Brauergeselle Bernstein, der das Schloß zu
Waldenburg in Sachsen in Brand gesteckt haben soll,
ist in Oberweimar aufgegriffen und der betreffenden
Behörde ausgeliefert worden.

Wasserstand der Elbe zu Magdeburg:
am 2 Mai: 19 Zoll unter 0.




Wetterbeobachtung vom 3 Mai.

ZeitTherm.Barom.WindAtmosphäre
M. 4 U.+ 1628, 2 55 f.NW 0heiter
N. 2 "" 12,3" 1 98" 2Cirri
A. 6 "" 10,3" 2,03 st.N 4heiter



[] Stadt-Theater.

Die am Dienstag den 2 Mai erfolgte Darstellung
der originellen und effectreichen Halevyschen Oper:
"Die Jüdin", darf als eine fast durchgängig im hohen
Grade gelungene bezeichnet werden. Besonders ge-
währte der vierte Act den Musikfreunden einen Genuß,
wie er in so harmonischer Vereinigung von Fülle,
Reinheit und Anmuth nur selten dargeboten zu wer-
den pflegt. Hr. Tichatscheck als Eleazar entfaltet so-
wohl in seinem energisch ergreifenden Gesange als in
seinem feurigen und lebendigen Spiel eine Charakter-
Wahrheit, der man nur Gerechtigkeit widerfahren
läßt, wenn man sie für musterhaft erklärt. Hr. dalle
Aste
verbindet mit seinem angenehmen Vortrage in
der Arie des ersten und im Duett des vierten Actes
alle zur angemessenen Darstellung des Cardinals er-
forderliche Hoheit und Würde; so wie Dem. Babnigg
als Eudora von der Kunstfertigkeit und Sauberkeit
ihres Gesanges erneuerten Beweis liefert. Wirklich
bewundernswerth aber ist der plötzliche und zugleich
ungemein glückliche Aufschwung, den Dem. Michalesi
zur heroischen Sängerin nimmt. Jhr Gesang ge-
winnt in gleichem Grade an Glut und Jnnigkeit als
ihr Spiel an Leben, Leidenschaft und geistiger Freiheit
den überraschendsten Zuwachs erhält. So wurden
z. B. die Stellen des dritten Actes: "des Meineids
klage ich ihn an!" und "kennst Du mich nicht mehr?"
mit einem dramatischen Ausdruck von ihr vorgetragen,
der durchaus nichts zu wünschen übrig ließ. Ueber-
haupt zeugte die Auffassung und Durchführung der
Recha abermals von einem ernsten und eifrigen Stu-
dium, wie es bereits in den wenige Tage zuvor gege-
benen "Hugenotten" an der von ihr vorgestellten Va-
lentine aufs Unverkennbarste zu bemerken war.

Jhr wetteifernd zur Seite stand in der letzgenannten
Oper Dem. Liebhart, die bereits als Königin der Nacht
in der "Zauberfl[ö]te" sich dem hiesigen Publicum vor-
theilhaft empfohlen hatte, in der Rolle der Margarethe
v. Valois aber als eine Bravoursängerin des ersten
Ranges sich bewährte. Es wird sich Gelegenheit fin-
den, auf die außergewöhnliche Virtuosität ihres Ge-
sanges zurückzukommen, da in Folge der glänzenden
Aufnahme, welche beide hier erwähnten Opern gefun-
den, ohne Zweifel eine baldige Wiederholung derselben
stattfinden dürfte.

Ein neues Ballet: "Catarina, oder: Die Tochter
des Banditen" ist am Mittewochen, den 3 Mai, in
sehr gefälliger, scenischer Ausstattung gegeben und mit
rauschendem Beifall aufgenommen worden. Das schon
mehrfach für ähnliche Zwecke benutzte romantische
Abentheuer, welches dem unter eine Banditenbande
gerathenen Maler Salvator Rosa angeblich zuge-
stoßen, hat hier abermals zu einer höchst ansprechen-
den Reihenfolge sich leicht und zwanglos mit einander
verbindender Scenen und Situationen den mit sach-
kundiger Umsicht bearbeiteten Stoff geliefert. Auch
läßt es Dem. Grahn als Banditen-Königin (?) nicht
daran fehlen, in den mannigfachen Gattungen des
Tanzes, zu deren charakteristischen Veranschaulichung
sich hier Gelegenheit darbietet, den ganzen Umfang
und Zauber ihrer Kunst zu entwickeln. Die stolze
Sicherheit und Präcision in dem, aus militärischen
Evolutionen und Tänzen bestehenden pas strategique,
die bewundernswerthe Gewandtheit, Leichtigkeit und
Gliederbeweglichkeit in der Saltarella, die Reinheit und
Anmuth der plastischen Attitüden in der großen Mo-
dell-Scene und die graci[ö]se Kunstfertigkeit im Grand
pas du Masque
können nur durch die unmittelbare
Betrachtung, nicht aber durch die nachträgliche Be-
schreibung gehörig erkannt und gewürdigt werden.
Keineswegs mit Stillschweigen zu übergehen ist indeß
hierbei die sorgsame und fleißige Unterstützung, die
Dem. Grahn namentlich an den Damen Risa, Pau-
line und Marie Wieland, Corens und den HH.
Maximilien und Rathgeber in dem Ballet findet, das
noch außerdem durch die zu ihm gehörige heitere und
lebensfrische Musik von Deldevere aufs Vortheilhafteste
sich empfiehlt.




Herausgegeben von Runkel.



Amtliche Bekanntmachungen.

Versammlung E. Ehrb. Kaufmanns
auf dem Börsensaal
21/4 Uhr Nachmittags.
Wahl eines Commerz-Deputirten.




Decrete des Senats.

Den 4. Mai: Jn Sachen G. F. Dittmer. -- J. H.
Meyer. -- C. S. P. Schmidt. -- L. Frahm. -- J. J. C.
Grothjahn.




Erkenntnisse des Handelsgerichts.
Erste Kammer.

Den 4. Mai: Jn Sachen Natorp Gabriel & Co. c.
E. Strother. -- W. Lauw mand. nom. Capt. J. Holmes,
Schiff Peru, c. J. Taylor. -- J. H. J. Stechmann Erben
c. J. G. N. Wendler. -- J. Cohn c. Hrn. Drem. L. Jo-
nassohn mand. nom. -- H. W. Dieckmann c. C. W.
Möller, M. J. C. Möller's Nachfolger, als etc. -- Hrn.
G. Wieler c. J. Heine Söhne. -- S. Hannover. -- S. L.
Behrens & Co. in Manchester. -- Curat. bonorum H. D.
Steffens.


[Spaltenumbruch] ſchuß von wenigſtens 50,000 Seelen ebenfalls zu einem
Abgeordneten berechtigt.

Die Wahl geſchieht durch das Volk (nicht durch
die Ständeverſammlungen), ob aber direct oder in-
direct (durch Wahlmänner) bleibt der Geſetzgebung
der einzelnen Staaten überlaſſen.

Wähler iſt jeder volljährige ſelbſtändige Staatsan-
gehörige mit Ausſchluß der wegen eines entehrenden
Verbrechens Verurtheilten, w[ä]hlbar jeder Wahlbe-
rechtigte nach vollendetem 30. Lebensjahre. Die nä-
heren Beſtimmungen bleiben einer von Reichswegen
zu erlaſſenden Wahlordnung vorbehalten. Beamte
bedürfen zu der auf ſie gefallenen Wahl keine Ge-
nehmigung.

§. 14. Die Reichsräthe und die Mitglieder des
Unterhauſes beziehen Reiſe- und Tagegelder aus der
Reichskaſſe.

§. 15. Jedes Mitglied des Reichstags mit Ein-
ſchluß der §. 12 No. 1 und 2 erwähnten Stellver-
treter und Abgeordneten vertritt ganz Deutſchland
und iſt an Jnſtructionen nicht gebunden.

§. 16. Zu der Gültigkeit eines Reichstagsbeſchluſ-
ſes gehört die Uebereinſtimmung beider Häuſer.

Das Recht des Geſetzvorſchlags, der Beſchwerde
und der Addreſſe, desgleichen die Anklage der Mini-
ſter ſteht jedem Hauſe für ſich zu.

Der Voranſchlag des Reichshaushalts iſt ſtets zu-
erſt dem Unterhauſe zur Beſchlußnahme vorzulegen,
deren Ergebniß das Oberhaus nur im Ganzen ver-
werfen, in den einzelnen Anſätzen nicht verändern darf.

§. 17. Zu einem Beſchluſſe eines jeden Hauſes
gehört die Gegenwart von wenigſtens einem Drit-
tel ſeiner Mitglieder und die abſolute Mehrheit der
Stimmen.

§. 18. Der Reichstag verſammelt ſich von Rechts-
wegen jährlich einmal zu einer ordentlichen Sitzung
in Frankfurt a. M., die am .... ihren Anfang nimmt.
Außerordentliche Sitzungen können durch den Kaiſer
zu jeder Zeit berufen werden (ſ. o. §. 8). Eine Ver-
tagung des Reichstags durch den Kaiſer darf nicht
über ſechs Wochen ausgedehnt werden; einer Auf-
löſung ſoll die Anordnung neuer Wahlen binnen 14
Tagen nachfolgen, widrigenfalls tritt der Reichstag
drei Monate nach der Auflöſung in ſeiner alten Ge-
ſtalt zuſammen, wenn die Zeit der ordentlichen Sitzung
nicht früher fällt. Die Sitzungen beider Häuſer ſind
öffentlich.

§. 19. Die Mitglieder des Reichstags können der
Verpflichtung an den Verhandlungen deſſelben Theil
zu nehmen, nur von dem betreffenden Hauſe des
Reichstags ſelbſt entbunden werden.

§. 20. Sie können — außer in dem Falle der Er-
greifung auf friſcher That bei peinlichen Verbrechen,
während ihrer Anweſenheit auf dem Reichstage und
auf der Hin- und Herreiſe — nicht ohne Zuſtimmung
des Hauſes, dem ſie angehören, verhaftet werden.
Auch können ſie wegen ihrer Aeußerungen im Hauſe
an keinem Orte zur Rechenſchaft gezogen werden.

§. 21. Die Reichsminiſter haben nur Stimmrecht
in dem einen oder andern Hauſe, wenn ſie Mitglie-
der deſſelben ſind. Sie haben Zutritt in jedem Hauſe
und müſſen auf ihr Verlangen gehört werden. Jedes
Haus kann die Gegenwart der Miniſter verlangen.

C) Das Reichsgericht.

§. 22. Das Reichsgericht beſteht aus 21 Mitglie-
dern. Sie werden zu einem Drittel vom Reichsober-
haupt, zu einem Drittel vom Oberhauſe, zu einem
Drittel vom Unterhauſe auf Lebenszeit ernannt, und
wählen aus ihrer Mitte den Präſidenten und den
Vicepräſidenten. Unvereinbar mit der Stelle eines
Reichsrichters iſt die Mitgliedſchaft des Ober- und
Unterhauſes und die Bekleidung jedes anderen Reichs-
oder Staatsamtes.

§. 23. Das Reichsgericht hat ſeinen Sitz in Nürn-
berg. Seine Sitzungen ſind öffentlich.

§. 24. Die Zuſtändigkeit des Reichsgerichts um-
faßt Folgendes:

a) Streitigkeiten jeder Art, politiſche und rechtliche,
zwiſchen den einzelnen deutſchen Staaten oder
zwiſchen regierenden Fürſten, inſofern ſie nicht
in das Gebiet der Reichsregierungsſachen gehören,
und mit Vorbehalt der gewillkührten Austräge.
b) Streitigkeiten über Thronfolge, Regierungsfähig-
keit und Regentſchaft in den deutſchen Staaten
unter demſelben Vorbehalte.
c) Klagſachen von Privatperſonen gegen regierende
deutſche Fürſten, inſofern es an der Zuſtändig-
keit eines Landesgerichtes fehlt.
d) Klagſachen von Privatperſonen gegen deutſche
Staaten, bei welchen die Verpflichtung, der For-
derung Genüge zu leiſten, zwiſchen mehreren
Staaten zweifelhaft oder beſtritten iſt.
e) Streitigkeiten zwiſchen der Regierung eines ein-
zelnen Staates und deſſen Ständen über die
Gültigkeit oder Auslegung der Landesverfaſſung.
f) Alle Klagen gegen den Reichsfiscus und deſſen
einzelne Zweige.
g) Entſcheidungen in oberſter Jnſtanz über die nach
der Verfaſſung eines jeden Landes zu beurthei-
lenden Beſchwerden wegen verweigerter oder ge-
hemmter Rechtspflege.
h) Anklagen gegen die Reichsminiſter oder die Lan-
desminiſter durch eines der Häuſer des Reichs-
tags; desgleichen Anklagen gegen die Landesmini-
ſter durch die Landſtände wegen Verletzung der
Reichs[-] oder beziehungsweiſe Landes-Grundgeſetze.
Die Frage wegen Ausdehnung des Anklagerechts
auf andere Fälle bleibt der näheren Beſtimmung
eines Reichsgeſetzes vorbehalten.
i) Criminalgerichtsbarkeit für Urtheilsfällung durch
Geſchworne in Fällen des Hoch- und Landesver-
raths gegen das Reich, ſowie bei Majeſtätsver-
brechen gegen das Reichsoberhaupt.

Der in dieſen Fällen dem Reichsoberhaupt zuſtehen-
den Begnadigung muß ein Gutachten des Reichsge-
richts vorhergehen.

Außerdem hat das Reichsgericht auf Erfordern der
Reichsregierung wegen angeblicher Verletzung reichs-
geſetzlich verbürgter Rechte durch Geſetze oder Regie-
rungshandlungen der einzelnen Staaten Gutachten
zu geben.

Die Vollziehung der reichsgerichtlichen Sprüche be-
ſtimmt ein künftiges Reichsgeſetz. (Schluß folgt.)




Jtalien.

Daß die Oeſterreicher in der Lombardei wirklich
Fortſchritte machen, ſieht man deutlicher, als aus den
nur zu ſehr im eigenen Jntereſſe entſtellenden öſter-
reichiſchen Berichten, aus der Neuen Zürcher Zeitung,
die nicht minder zu Gunſten der Lombarden die That-
ſachen zu modificiren pflegt. Sie ſchreibt: “Mailand.
Laut Berichten vom 23 April, hatte der piemonteſi-
ſche General Sonnaz vom Hauptquartier zu Volta
aus eine Recognoscirung auf dem linken Mincioufer
vorgenommen. Die Vorpoſten drangen bis Villa-
franca vor, ohne einen Feind anzutreffen.” Einem
Schreiben vom 24 April entheben wir Folgendes:
“Die Oeſterreicher halten ſich in ihren Neſtern von
Peſchiera, Mantua, Legnago und Verona eingeſchloſ-
ſen. Um ſie daraus zu vertreiben oder gefangen zu
nehmen, bedarf es mehr Geld und Muth.” Laut
Bulletin vom 23 April, hat General Allemandi von
Brescia geſchrieben, daß drei ſeiner Schaaren, die
über Stenico hinaus waren, von überlegenen Streit-
kräften angegriffen, ſich in beſter Ordnung Tione zu-
rückgezogen haben. Der General hat Verſtärkungen
dahin entſandt, darunter ein regul[ä]res Bataillon.
Karl Albert lehnte es dagegen ab, weitere Corps zur
Verfügung des Generals Allemandi zu ſtellen, indem
er für ſeine wichtigen Operationen am Mincio ſeine
ganze Mannſchaft nöthig habe. — Die Stadt Treviſo
iſt von den öſterreichiſchen Truppen wieder erobert
worden. Ein Pfarrer, welcher die Bauern von
Jammico anführte, iſt von den Croaten in Stücke ge-
hauen worden.

Briefe aus Bologna melden,
daß die päpſtlichen Truppen unter dem General Len-
tulus über den Po gegangen ſind. Die Republik
Venedig hatte dem General Durando vor der Abreiſe
[Spaltenumbruch] ſeiner Truppen 100,000 Fr. zugeſchickt. Die Tosca-
ner, die Modeneſer und ein Bataillon Neapolitaner
ſtanden 7 Meilen von Mantua und hielten Borgo-
forte und Governolo beſetzt. Ein Decret der provi-
ſoriſchen Regierung von Parma verordnet, daß die
Truppen dieſes Staates gleich in die Lombardei ein-
rücken und ſich unter den Befehl Carl Alberts ſtellen
ſollen. Eine Colonne modeneſiſcher Freiwilliger war
gleichfalls über den Po gegangen. Der Ex-Herzog
von Parma ſoll Willens ſeyn, ſich nach der Schweiz
zurückzuziehen. Carl Albert hat mit Zuſtimmung
der proviſoriſchen Regierung in Modena ein Lager
für Kriegsvorrath errichtet. Die modeneſiſchen Trup-
pen werden dem ſardiniſchen Heere einverleibt werden.

Admiral Baudin iſt heute
auf dem Dreimaſter Friedland in Begleitung von
zwei anderen Kriegsſchiffen erſten Ranges und zwei
Dampf-Fregatten im Golf von Spezia eingelaufen; wei-
tere Schiffe werden binnen Kurzem erwartet.    (A. Z.)

Der Fürſt von Colobrano,
Gaetano Carafa, iſt am 18 d. (aus Neapel) in Rom
mit dem Auftrage angekommen, die Einberufung einer
föderalen Tagſatzung in Rom zu beſchleunigen. Eine
ſchöne und heilige Sendung; damit aber die neue
Tagſatzung von allen Völkern Jtaliens als eine höchſte
Behörde anerkannt werde, ſoll der Urſprung dieſer
Verſammlung und deren Zweck klar und beſtimmt
auseinander geſetzt werden. Dieſelbe muß aus den
volksvertretenden Kammern des geſammten Jtaliens
hervorgehen, damit ſie den wahren Willen der Na-
tion ausdrücke. Es wird ihr obliegen, entſchieden
und ohne Appell die Fürſten- und die Gebiets-Frage
zu erledigen, mit einem Worte, ein neues Grund-
geſetz für Jtalien feſtzuſtellen.


Jn Tivoli wurden am 12 April die Jeſuiten durch
einen Volkstumult vertrieben; in Rom, wo der Papſt
aus ſeinem Privatvermögen 4000 Scudi zur Verthei-
lung an die Armen für Oſtern hergegeben hat, iſt es
ruhig. Der Contemporaneo macht in Bezug auf
Hrn. Forbin Janſon darauf aufmerkſam, daß die
franzöſiſche Republik formell noch nicht vom heil.
Stuhle anerkannt iſt. Die römiſche Zeitung berichtet
jetzt zuweilen, dieſer oder jener Principe u. ſ. w. habe
ſeiner Patrimonial-Gerichtsbarkeit entſagt. Was
mag ſolche Entſagung zunächſt hervorgerufen haben?

Ferdinand II. proteſtirt
aufs Neue gegen die Erklärung des ſiciliſchen Gene-
ral-Parlaments vom 13 d. Er nennt ſie “illegale,
irrita e nulla e di niun valore.”
Jm General-Par-
lament zu Palermo ſollen die Parteien keinesweges
freundſchaftlich einander gegenüberſtehen, ja es ſoll
Syrakus, welches jetzt ganz von K. neapolitaniſchen
Truppen geräumt iſt, ſich entſchieden für König Fer-
dinand und die Conſtitution ausgeſprochen haben.
Syrakuſiſche Schiffe kamen hier unter neapolitaniſcher
Flagge an. Jn Meſſina fand keine weitere Kanonade
ſtatt, täglich jedoch werden Flintenſchüſſe gewechſelt.
Pronio liegt mit 2800 Mann in der Citadelle. Es
herrſcht der Petechialtyphus unter ſeinen Truppen.
Die meſſineſiſche Miliz iſt ziemlich gut organiſirt, es
fehlt aber noch immer an Gewehren und Pulver.
Die jungen in Meſſina lebenden fremden Kaufleute
(die alten ſollen ſehr conſervativ und königlich geſinnt
ſeyn) verrichten Wach- und Patrouillendienſte mit den
Meſſineſen. (A. Z.)


Unſere Regierung hat in Wien durch den ungari-
ſchen Miniſter die dringendſten Vorſtellungen zur ſo-
fortigen Zurückſendung des ungariſchen Militärs aus
Gallizien und Mähren und zur möglich baldigen Aus-
gleichung in Jtalien, damit auch von dort das unga-
riſche Militär heimkehre, machen laſſen. Dieſe Vor-
ſtellungen ſind in Wien zweimal, aber ohne Erfolg,
gemacht worden. Unſere Regierung hat nun ein Ul-
timatum nach Wien geſendet, in welchem ſie mit dem
größten Nachdruck droht, daß, wenn nicht die ſo-
fortige Zurückſendung des ungariſchen Militärs aus
Mähren und Gallizien erfolgt, die ungariſche Regie-
rung die von ihrer Verantwortlichkeit gebotenen Schritte
thun werde. Die Zuſammenberufung eines außer-
ordentlichen Landtages in möglichſt kurzer Zeit iſt be-
reits beſchloſſen.


Der Finanzminiſter Ludwig Koſſuth hat ſich auf
den dringenden Rath der Aerzte zur Wiederherſtellung
ſeiner Geſundheit auf’s Land zurückgezogen, ohne jedoch
damit die oberſte Leitung ſeines Miniſteriums aufzu-
geben oder aufzuſchieben. Viele ſchwatzen von einer
angeblichen Vergiftung.

Jm Banat ſind mehrfache Unruhen ausgebrochen.
Der Jllyrismus hat Raubhorden gegen Ungarn aus-
geſendet, welche letztere ſich mit ihren Familien flüchten
mußten. Dies iſt namentlich in Groß-Kikinda ge-
ſchehen, wo auch vier Magiſtratsräthe getödtet wurden.

Gegen 1500 hieſige jüdiſche Handwerker und Hand-
lungsdiener haben ſich geſtern zur Auswanderung
nach Nordamerika eingeſchrieben.


Nachſchrift. Die Spannung zwiſchen der hieſigen
Regierung und der Wiener nimmt einen bedenklichen
Charakter an. Der Erzherzog Stephan iſt entſchieden
auf die Seite unſerer Regierung getreten. Die höchſte
Agitation herrſcht in der Stadt. Fulminante Prokla-
mationen fordern zu den Waffen auf, und wenn die
Wiener Regierung nicht bald zur Beſinnung kommt,
ſteht ein furchtbarer Ausbruch bevor. (Bresl. Ztg.)


Seit vorgeſtern ſind wir hier in einer ängſtlichen
Aufregung. Es verbreitete ſich nämlich das Gerücht,
daß 6000 Türken in Siliſtria, 4000 in Nikopel und
4000 in Ruſtſchuk eingerückt wären. Verbürgter iſt
die Nachricht jedenfalls, daß vier ruſſiſche Cavallerie-
Regimenter, zwei Uhlanen- und zwei Huſaren-Regi-
menter für die Walachei beſtimmt ſeyn ſollen. Heute
aber wird die ſchauderhafte Neuigkeit als eine That-
ſache erzählt, daß die ruſſiſche Armee bereits den Pruth
bei Skuläny in der Moldau überſchritten habe. Un-
ſer Fürſt wurde davon durch eine Staffette benach-
richtigt. Wahrſcheinlich ſteht die vor drei Tagen plötz-
lich erfolgte Abreiſe des ruſſiſchen General-Conſuls,
Hrn. v. Kotzebue, damit in Verbindung. Nicht ohne
Grund vermuthet man, daß uns die Ruſſen noch her-
methiſcher von der [ö]ſterreichiſchen Gränze abſchließen
und dieſe beſetzen werden, damit ja nur kein freiſinni-
ger Gedanke mehr über die Karpathen dringe und zu
Reformen anreize. Dazu mögen auch die Petitionen
in Jaſſy, an deren Spitze der franz[ö]ſiſche und engli-
ſche Conſul ſtand, um Aufhebung der bei uns und
dort ſo centnerſchwer drückenden Cenſur und Erwei-
terung der Verfaſſungsrechte ihr Scherflein beigetra-
gen haben. Die Geſchäfte liegen ganz darnieder, und
200 Schiffe feiern zu Braila, weil ſie nichts zu ver-
führen haben. (Allg. Oeſt. Ztg.)


Es ſind hier geſtern mit dem Donau-Packetboote
Nachrichten aus den Fürſtenthümern der Moldau und
Wallachei angekommen. Es herrſcht dort noch immer
eine große Bewegung, welche jedoch mehr gegen die
Hospodare und die Schutzmacht Rußland als gegen
die Pforte gerichtet iſt. W[ä]hrend die Adeligen und
Reichen, welche zur Oppoſition gehören, darin nur
eine Gelegenheit erblicken, die Fürſten Stourdza und
Bibesco zu ſtürzen, verlangen die Bauern Abſchaffung
des Frohndienſtes und die Arbeiter Erhöhung des
Lohnes. Sollten ernſte Ruheſtörungen in dieſen Pro-
vinzen ſtattfinden, ſo wurde Rußland als Schutzmacht
dieſelben beſetzen, wie es dies bereits zu verſchiedenen
Zeiten gethan hat. Serbien war von jeher von Fac-
tionen durchwühlt. Der gegenwärtige Fürſt Alexan-
der Karageorgewitſch wurde im Jahre 1846 gewählt
und aufrecht gehalten, trotz Rußland, welches ſich da-
mals das Protectorat über dieſe Provinz anmaßte
und deſſen Agenten nicht ermangeln, eine Bewegung
gegen jenen Fürſten hervorzurufen. Jedoch war den
letzten Nachrichten zufolge die Ruhe noch nicht geſtört
worden, und es herrſchte das beſte Einverſtändniß
zwiſchen dem Fürſten und dem Commandanten der
Feſtung, Mehemed Paſcha. Jn Bosnien ſind die
chriſtlichen Bauern gegen die bosniſchen Be[i]’s aufge-
ſtanden, deren Feudal-Privilegien ſchwer auf dem
Landmanne laſten. — Rußland zieht ſeine ſämmtlichen
Truppen aus Tſcherkeſſien zurück und erſetzt ſie durch
[Spaltenumbruch] Koſaken-Regimenter, welche bloß die Feſtungen zu be-
wachen und die Gränze von den Streifzügen der
Tſcherkeſſen frei zu halten haben werden. Der ruſſi-
ſche Miniſter hat der Pforte dieſe Maaßregel als einen
Beweis der friedlichen Abſichten Rußlands dargeſtellt,
während es viel natürlicher wäre, darin eine Drohung
gegen die Pforte zu erblicken, indem dieſe im Kriege
abgehärteten, in dem beſchwerlichen Waffendienſte von
lange her geübten Truppen ein Corps von 20, bis
25,000 Mann bilden, welches ſich vortrefflich zu einem
Ueberfalle eignet und nur Tſcherkeſſien verlaſſen wird,
um an den Mündungen des Dnieper Poſto zu faſſen,
alſo an dem beſt gewählten Orte, von wo aus es
raſch eingeſchifft und nach Belieben der ruſſiſchen
Regierung auf jedweden Punkt befördert werden
könnte. Dieſe Lage der Dinge hat die Pforte wohl
erwogen, und man hat ſämmtliche Regimenter der
Garde, welche auf verſchiedenen Punkten Aſiens zer-
ſtreut ſind, nach Konſtantinopel einberufen. Auch iſt
Gegenbefehl an die Truppen ergangen, welche nach
Tripoli beſtimmt waren. (K. Z.)


Am 6 d. wurden 20 Studenten von einer Cavallerie-
Patrouille niedergeritten und mit Säbelhieben tractirt,
weil ſie, Arm in Arm die Breite der Hauptſtraße ein-
nehmend, unter dem Rufe “Es lebe Griechenland, die
Freiheit, der conſtitutionelle König, die franzöſiſche
Republik, das regelmäßige Militair!” nach dem Pa-
laſte zogen, eine Addreſſe zu überreichen. Die Addreſſe
um Nationalgarde ward indeſſen doch überreicht. So
hätte denn die Agitation begonnen. Sie iſt jedoch
keineswegs gegen das Königthum gerichtet. Die Re-
publik will Niemand. Die Geſandten von Oeſterreich
und Preußen bereiten ſich zur Abreiſe vor. Oberſt
Johann Stratos iſt in der Kliſſura bei Miſſolonghi
in einen Hinterhalt gefallen, und nachdem er, ſchon
verwundet, den Räuberchef durch einen Piſtolenſchuß
getödtet hatte, von den übrigen ermordet worden.
Jn dieſer Zeit ein trauriger Tod für einen tapfern
Mann.    (D. Z.)


Die Arbeiten an dem proviſoriſchen Sitzungsſaale
der National-Verſammlung ſind ſo gut wie beendigt.
Heute wird die letzte Hand angelegt. Morgen und
übermorgen ſteht der Saal dem Publikum zur Be-
ſchauung offen. Weder der Moniteur, noch die an-
deren Journale der Regierung beſtätigen das Gerücht
von der Vertagung der National-Verſammlung, die
alſo wohl am 4 d. eröffnet werden wird. Ueber den
Gang der erſten Arbeiten läßt ſich nichts beſtimmen;
es iſt kein Reglement über den Geſchäftsgang vor-
handen. Wird man damit anfangen, ein ſolches zu
machen, wird man vor Allem die Wahlen verificiren,
wird man die Acte der proviſoriſchen Regierung prü-
fen und ſelbige beſtätigen oder widerrufen? Nichts iſt
noch über dieſe Fragen entſchieden.

Die Unruhen in Rouen ſind zu Ende, es iſt viel
Blut gefloſſen und die Verhaftungen dauern fort, in
Elbeuf waren die Jnſurgenten noch im Beſitze eines
Theiles ihrer Poſitionen und die Truppen erwarteten
Verſtärkungen, in Limoges dagegen waren die Ar-
beiter Herren der Stadt und der Umgegend und hat-
ten eine revolutionäre Regierung eingeſetzt, deren erſter
Act die Verkündung der Todesſtrafe gegen jede Ver-
letzung des Eigenthumes war. Auch in Nantes,
Clermont-Ferrand, Bourges und Nismes hat es in
Folge der Wahlen Unordnungen gegeben, letztere
Stadt iſt in Belagerungszuſtand erklärt.

Zwei Jnfanterie-Regimenter ſind abermals in
Paris eingerückt; man giebt die Stärke der Garniſon
jetzt auf 24,000 Mann an; geſtern, Sonntag, wim-
melten alle Straßen von Soldaten.

Der National erklärt heute abermals, daß die
Regierung zwar die Anarchie und die Revolte be-
kämpfen werde, daß ſich aber die Reaction täuſche,
wenn ſie daraus Hoffnungen für ſich ſchöpfe. Die
Aufgabe der Regierung ſey die ächt demokratiſche
Reorganiſation der Geſellſchaft und dieſe werde ſie im
weiteſten Sinne durchzuführen wiſſen.

Oberſt Louis Frapolli, Geſandter der proviſori-
ſchen Regierung von Mailand, hat geſtern Hrn. La-
martine ſeine Creditive übergeben. Frapolli war am
24 Febr. hier, ſchlug ſich auf den Barrikaden und
war wenige Tage darauf ſchon wieder im Straßen-
kampfe von Mailand.

Die Reforme enthält heute einen bitteren Artikel
über die Unruhen in Rouen; ſie weiſet nach, wie
man von Seiten der Bourgeoiſie dieſe Unruhen ſelbſt
hervorgerufen und dann den Vorwand benutzt habe,
um gegen das Volk zu wüthen. Um dieſes barba-
riſche Gefecht zu charakteriſiren, führt die Reforme
nur an, daß 150 Kanonenſchüſſe gegen die Barrikaden
abgefeuert wurden, daß die 140 Leichen in den Straßen
der Stadt, alle der arbeitenden Klaſſe angehören und
daß nicht ein Soldat, nicht ein Nationalgardiſt ge-
tödtet worden ſey. Die Reforme ſchließt, indem ſie
die Regierung auffordert, eine Unterſuchung über dieſe
Schlächterei einzuleiten, mit den Worten: “Wahr-
haftig! wir haben es mit ſehr elenden Widerſachern
zu thun.”

Die meiſten Departements[-]Wahlen ſind bereits be-
kannt, ungefähr ein Sechstel fehlt noch. Man weiß
bereits, daß Thiers, Emil v. Girardin und Chambolle
vom Siècle in ihren ſonſtigen Wahlbezirken nicht ge-
wählt wurden; dagegen ſind ungefähr zwanzig Geiſt-
liche Deputirte geworden, unter ihnen der Biſchof
v. Quimper. Lamartine iſt in ſechs Departements
gewählt, Ledru-Rollin in zwei; eben ſo zählen faſt
alle Mitglieder der proviſoriſchen Regierung doppelte
Ernennungen.

Cormenin’s Conſtitutions-Entwurf für die Re-
publik ſoll die Executiv Gewalt in die Hände dreier
Conſuln mit dem ſuſpenſiven Veto und die legisla-
tive Gewalt in den Schooß einer einzigen berathenden
Verſammlung legen.

Eine Verſammlung der Actionäre der Nordbahn
fand geſtern unter Rothſchild’s Vorſitz ſtatt. Die Di-
vidende wurde auf 9 Fr. 95 C. feſtgeſetzt.

Die franzöſiſche Escadre des Mittelmeeres hat den
Befehl erhalten, ſich nach dem Hafen von Genua zu
begeben.

Vorgeſtern iſt ein ehemaliger öſterreichiſcher Offi-
zier mit einer Colonne von 250 deutſchen Arbeitern
von hier nach dem Rheine abmarſchirt. Dieſer Ab-
marſch ſteht in keiner Verbindung mit der hieſigen
deutſchen demokratiſchen Geſellſchaft und iſt in ihrer
geſtrigen Sitzung öffentlich desavouirt worden. Die
Richtung dieſer Colonne geht an die preußiſche Gränze
bei Trier.

Abd-el. Kader iſt am 23 April aus dem Fort La-
malgue nach dem Schloſſe von Pau gebracht worden,
wo er künftig mit ſeiner Familie und ſeinem Gefolge
wohnen wird.


Es ſind nun mehr als 100 Flüchtlinge hier, welche
den Kampf im badiſchen Oberlande mitgemacht haben.
Den ſelben wurde heute von der Behörde eröffnet, daß
das Miniſterium beſchloſſen habe, ihnen den Aufent-
halt in Frankreich durchaus nicht zu verſagen, allein
ſie hätten ſich nach einem der Departemente des Jura,
des Doubs, der Ardennen oder Haute-Saone zu be-
geben. Die freundſchaftlichen Beziehungen zu Deutſch-
land geſtatteten nicht, daß ſie ſich in den an Deutſch-
land gränzenden Departementen des Elſaſſes oder
Lothringens niederlaſſen könnten. Die Flüchtlinge er-
halten Päſſe und die nothwendige Unterſtüßung von
der Regierung.




Vermiſchte Nachrichten.

Der Zuſtand des platten Landes um Hersfeld
(Kurheſſen) iſt in hohem Maaße beklagenswerth. Die
Bewohner der Dorfſchaften ſind mehr in Furcht und
Angſt um Leben und Eigenthum. Jeder, der Etwas
hat, iſt gegen Jeden, der nichts hat, bereits in den
Zuſtand der Nothwehr geſetzt; in manchen Gemein-
den (unter denen z. B. Fiſchbach im Kreiſe Hünfeld,
im Juſtizamte Eiterfeld, hart an der Gränze des
Kreiſes Hersfeld, genannt wird) haben ſich ordentliche
Banden gebildet, die, bewaffnet, beliebig hin- und wie-
der ziehen, Geld, Korn ꝛc. brandſchatzen, demoliren,
[Spaltenumbruch] was ihnen unter die Hände kommt, und zwar nicht
bloß unter dem Schirme der Nacht, ſondern auch im
hellen Lichte des Tages. So geht es ſchon Wochen
lang zu.


Jn Stettin hat am 1 Mai ein überaus ernſtlicher
Straßen-Auflauf ſtattgehabt, bei dem es auf Plün-
derung der Läden abgeſehen war. Die Ruhe wurde
durch die Bürgerwehr ſchnell wieder hergeſtellt.

Nach dem Vorgange anderer Städte haben auch in
Lübeck die Schneidergeſellen am 1 Mai durch ein
Arbeitniederlegen in Maſſe den Verſuch gemacht, Zu-
geſtändniſſe hinſichtlich Arbeitszeit und Arbeitslohn
von den Meiſtern zu erhalten; wie es ſcheint, ohne
Erfolg. Die Geſellen ſollen ſchon am Tage darauf
zum großen Theile die Arbeit wieder aufgenommen
haben, nachdem ſie aus der energiſchen Sprache der
Behörde, die die fremden Geſellen im Falle fortdauern-
der Weigerung zu arbeiten, mit ſofortiger Auswei-
ſung bedrohte, hatten entnehmen können, daß ſie auf
einen ſchwer beſieglichen Widerſtand ſtoßen würden.
Damit werden auch die ſympathiſirenden Regungen
unter den Gehülfen anderer Gewerke von ſelbſt un-
terdrückt.


Die Gazzetta di Venezia enthält ein Schreiben
von einem Deutſchen, Namens Heinrich Stieglitz,
der in Venedig in die Bürgergarde getreten iſt, und
ſich nun gegen den Deutſchenhaß der Jtaliäner ver-
wahrt, weil die Oeſterreicher keine Deutſchen, und die
Preußen. Sachſen ꝛc. keine Oeſterreicher ſeyen. “Es
hat vielleicht Niemand mehr Recht und Beruf, ſo im
Namen ſeiner Landsleute zu ſprechen, als gerade
Derjenige, der Jtalien ſo innig liebt, und der auch in
den jüngſten Tagen des Wiederauflebens ſich aus
freiem Drange unter eure Reihen geſchaart.” Der
Mann hat einen äußerſt richtigen politiſchen Takt
und ein feines Gefühl für Nationalwürde: — er
könnte auch unter die Dänen gehen, weil die Schles-
wiger keine “Stieglitze” ſind!


Der Brauergeſelle Bernſtein, der das Schloß zu
Waldenburg in Sachſen in Brand geſteckt haben ſoll,
iſt in Oberweimar aufgegriffen und der betreffenden
Behörde ausgeliefert worden.

Waſſerſtand der Elbe zu Magdeburg:
am 2 Mai: 19 Zoll unter 0.




Wetterbeobachtung vom 3 Mai.

ZeitTherm.Barom.WindAtmoſphäre
M. 4 U.+ 1628, 2 55 f.NW 0heiter
N. 2 „„ 12,3„ 1 98„ 2Cirri
A. 6 „„ 10,3„ 2,03 ſt.N 4heiter



[] Stadt-Theater.

Die am Dienstag den 2 Mai erfolgte Darſtellung
der originellen und effectreichen Halevyſchen Oper:
“Die Jüdin”, darf als eine faſt durchgängig im hohen
Grade gelungene bezeichnet werden. Beſonders ge-
währte der vierte Act den Muſikfreunden einen Genuß,
wie er in ſo harmoniſcher Vereinigung von Fülle,
Reinheit und Anmuth nur ſelten dargeboten zu wer-
den pflegt. Hr. Tichatſcheck als Eleazar entfaltet ſo-
wohl in ſeinem energiſch ergreifenden Geſange als in
ſeinem feurigen und lebendigen Spiel eine Charakter-
Wahrheit, der man nur Gerechtigkeit widerfahren
läßt, wenn man ſie für muſterhaft erklärt. Hr. dalle
Aſte
verbindet mit ſeinem angenehmen Vortrage in
der Arie des erſten und im Duett des vierten Actes
alle zur angemeſſenen Darſtellung des Cardinals er-
forderliche Hoheit und Würde; ſo wie Dem. Babnigg
als Eudora von der Kunſtfertigkeit und Sauberkeit
ihres Geſanges erneuerten Beweis liefert. Wirklich
bewundernswerth aber iſt der plötzliche und zugleich
ungemein glückliche Aufſchwung, den Dem. Michaleſi
zur heroiſchen Sängerin nimmt. Jhr Geſang ge-
winnt in gleichem Grade an Glut und Jnnigkeit als
ihr Spiel an Leben, Leidenſchaft und geiſtiger Freiheit
den überraſchendſten Zuwachs erhält. So wurden
z. B. die Stellen des dritten Actes: “des Meineids
klage ich ihn an!” und “kennſt Du mich nicht mehr?”
mit einem dramatiſchen Ausdruck von ihr vorgetragen,
der durchaus nichts zu wünſchen übrig ließ. Ueber-
haupt zeugte die Auffaſſung und Durchführung der
Recha abermals von einem ernſten und eifrigen Stu-
dium, wie es bereits in den wenige Tage zuvor gege-
benen “Hugenotten” an der von ihr vorgeſtellten Va-
lentine aufs Unverkennbarſte zu bemerken war.

Jhr wetteifernd zur Seite ſtand in der letzgenannten
Oper Dem. Liebhart, die bereits als Königin der Nacht
in der “Zauberfl[ö]te” ſich dem hieſigen Publicum vor-
theilhaft empfohlen hatte, in der Rolle der Margarethe
v. Valois aber als eine Bravourſängerin des erſten
Ranges ſich bewährte. Es wird ſich Gelegenheit fin-
den, auf die außergewöhnliche Virtuoſität ihres Ge-
ſanges zurückzukommen, da in Folge der glänzenden
Aufnahme, welche beide hier erwähnten Opern gefun-
den, ohne Zweifel eine baldige Wiederholung derſelben
ſtattfinden dürfte.

Ein neues Ballet: “Catarina, oder: Die Tochter
des Banditen” iſt am Mittewochen, den 3 Mai, in
ſehr gefälliger, ſceniſcher Ausſtattung gegeben und mit
rauſchendem Beifall aufgenommen worden. Das ſchon
mehrfach für ähnliche Zwecke benutzte romantiſche
Abentheuer, welches dem unter eine Banditenbande
gerathenen Maler Salvator Roſa angeblich zuge-
ſtoßen, hat hier abermals zu einer höchſt anſprechen-
den Reihenfolge ſich leicht und zwanglos mit einander
verbindender Scenen und Situationen den mit ſach-
kundiger Umſicht bearbeiteten Stoff geliefert. Auch
läßt es Dem. Grahn als Banditen-Königin (?) nicht
daran fehlen, in den mannigfachen Gattungen des
Tanzes, zu deren charakteriſtiſchen Veranſchaulichung
ſich hier Gelegenheit darbietet, den ganzen Umfang
und Zauber ihrer Kunſt zu entwickeln. Die ſtolze
Sicherheit und Präciſion in dem, aus militäriſchen
Evolutionen und Tänzen beſtehenden pas stratégique,
die bewundernswerthe Gewandtheit, Leichtigkeit und
Gliederbeweglichkeit in der Saltarella, die Reinheit und
Anmuth der plaſtiſchen Attitüden in der großen Mo-
dell-Scene und die graci[ö]ſe Kunſtfertigkeit im Grand
pas du Masque
können nur durch die unmittelbare
Betrachtung, nicht aber durch die nachträgliche Be-
ſchreibung gehörig erkannt und gewürdigt werden.
Keineswegs mit Stillſchweigen zu übergehen iſt indeß
hierbei die ſorgſame und fleißige Unterſtützung, die
Dem. Grahn namentlich an den Damen Riſa, Pau-
line und Marie Wieland, Corens und den HH.
Maximilien und Rathgeber in dem Ballet findet, das
noch außerdem durch die zu ihm gehörige heitere und
lebensfriſche Muſik von Deldevère aufs Vortheilhafteſte
ſich empfiehlt.




Herausgegeben von Runkel.



Amtliche Bekanntmachungen.

Verſammlung E. Ehrb. Kaufmanns
auf dem Börſenſaal
Uhr Nachmittags.
Wahl eines Commerz-Deputirten.




Decrete des Senats.

Den 4. Mai: Jn Sachen G. F. Dittmer. — J. H.
Meyer. — C. S. P. Schmidt. — L. Frahm. — J. J. C.
Grothjahn.




Erkenntniſſe des Handelsgerichts.
Erſte Kammer.

Den 4. Mai: Jn Sachen Natorp Gabriel & Co. c.
E. Strother. — W. Lauw mand. nom. Capt. J. Holmes,
Schiff Peru, c. J. Taylor. — J. H. J. Stechmann Erben
c. J. G. N. Wendler. — J. Cohn c. Hrn. Drem. L. Jo-
nasſohn mand. nom. — H. W. Dieckmann c. C. W.
Möller, M. J. C. Möller’s Nachfolger, als ꝛc. — Hrn.
G. Wieler c. J. Heine Söhne. — S. Hannover. — S. L.
Behrens & Co. in Mancheſter. — Curat. bonorum H. D.
Steffens.


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[[3]/0003] ſchuß von wenigſtens 50,000 Seelen ebenfalls zu einem Abgeordneten berechtigt. Die Wahl geſchieht durch das Volk (nicht durch die Ständeverſammlungen), ob aber direct oder in- direct (durch Wahlmänner) bleibt der Geſetzgebung der einzelnen Staaten überlaſſen. Wähler iſt jeder volljährige ſelbſtändige Staatsan- gehörige mit Ausſchluß der wegen eines entehrenden Verbrechens Verurtheilten, wählbar jeder Wahlbe- rechtigte nach vollendetem 30. Lebensjahre. Die nä- heren Beſtimmungen bleiben einer von Reichswegen zu erlaſſenden Wahlordnung vorbehalten. Beamte bedürfen zu der auf ſie gefallenen Wahl keine Ge- nehmigung. §. 14. Die Reichsräthe und die Mitglieder des Unterhauſes beziehen Reiſe- und Tagegelder aus der Reichskaſſe. §. 15. Jedes Mitglied des Reichstags mit Ein- ſchluß der §. 12 No. 1 und 2 erwähnten Stellver- treter und Abgeordneten vertritt ganz Deutſchland und iſt an Jnſtructionen nicht gebunden. §. 16. Zu der Gültigkeit eines Reichstagsbeſchluſ- ſes gehört die Uebereinſtimmung beider Häuſer. Das Recht des Geſetzvorſchlags, der Beſchwerde und der Addreſſe, desgleichen die Anklage der Mini- ſter ſteht jedem Hauſe für ſich zu. Der Voranſchlag des Reichshaushalts iſt ſtets zu- erſt dem Unterhauſe zur Beſchlußnahme vorzulegen, deren Ergebniß das Oberhaus nur im Ganzen ver- werfen, in den einzelnen Anſätzen nicht verändern darf. §. 17. Zu einem Beſchluſſe eines jeden Hauſes gehört die Gegenwart von wenigſtens einem Drit- tel ſeiner Mitglieder und die abſolute Mehrheit der Stimmen. §. 18. Der Reichstag verſammelt ſich von Rechts- wegen jährlich einmal zu einer ordentlichen Sitzung in Frankfurt a. M., die am .... ihren Anfang nimmt. Außerordentliche Sitzungen können durch den Kaiſer zu jeder Zeit berufen werden (ſ. o. §. 8). Eine Ver- tagung des Reichstags durch den Kaiſer darf nicht über ſechs Wochen ausgedehnt werden; einer Auf- löſung ſoll die Anordnung neuer Wahlen binnen 14 Tagen nachfolgen, widrigenfalls tritt der Reichstag drei Monate nach der Auflöſung in ſeiner alten Ge- ſtalt zuſammen, wenn die Zeit der ordentlichen Sitzung nicht früher fällt. Die Sitzungen beider Häuſer ſind öffentlich. §. 19. Die Mitglieder des Reichstags können der Verpflichtung an den Verhandlungen deſſelben Theil zu nehmen, nur von dem betreffenden Hauſe des Reichstags ſelbſt entbunden werden. §. 20. Sie können — außer in dem Falle der Er- greifung auf friſcher That bei peinlichen Verbrechen, während ihrer Anweſenheit auf dem Reichstage und auf der Hin- und Herreiſe — nicht ohne Zuſtimmung des Hauſes, dem ſie angehören, verhaftet werden. Auch können ſie wegen ihrer Aeußerungen im Hauſe an keinem Orte zur Rechenſchaft gezogen werden. §. 21. Die Reichsminiſter haben nur Stimmrecht in dem einen oder andern Hauſe, wenn ſie Mitglie- der deſſelben ſind. Sie haben Zutritt in jedem Hauſe und müſſen auf ihr Verlangen gehört werden. Jedes Haus kann die Gegenwart der Miniſter verlangen. C) Das Reichsgericht. §. 22. Das Reichsgericht beſteht aus 21 Mitglie- dern. Sie werden zu einem Drittel vom Reichsober- haupt, zu einem Drittel vom Oberhauſe, zu einem Drittel vom Unterhauſe auf Lebenszeit ernannt, und wählen aus ihrer Mitte den Präſidenten und den Vicepräſidenten. Unvereinbar mit der Stelle eines Reichsrichters iſt die Mitgliedſchaft des Ober- und Unterhauſes und die Bekleidung jedes anderen Reichs- oder Staatsamtes. §. 23. Das Reichsgericht hat ſeinen Sitz in Nürn- berg. Seine Sitzungen ſind öffentlich. §. 24. Die Zuſtändigkeit des Reichsgerichts um- faßt Folgendes: a) Streitigkeiten jeder Art, politiſche und rechtliche, zwiſchen den einzelnen deutſchen Staaten oder zwiſchen regierenden Fürſten, inſofern ſie nicht in das Gebiet der Reichsregierungsſachen gehören, und mit Vorbehalt der gewillkührten Austräge. b) Streitigkeiten über Thronfolge, Regierungsfähig- keit und Regentſchaft in den deutſchen Staaten unter demſelben Vorbehalte. c) Klagſachen von Privatperſonen gegen regierende deutſche Fürſten, inſofern es an der Zuſtändig- keit eines Landesgerichtes fehlt. d) Klagſachen von Privatperſonen gegen deutſche Staaten, bei welchen die Verpflichtung, der For- derung Genüge zu leiſten, zwiſchen mehreren Staaten zweifelhaft oder beſtritten iſt. e) Streitigkeiten zwiſchen der Regierung eines ein- zelnen Staates und deſſen Ständen über die Gültigkeit oder Auslegung der Landesverfaſſung. f) Alle Klagen gegen den Reichsfiscus und deſſen einzelne Zweige. g) Entſcheidungen in oberſter Jnſtanz über die nach der Verfaſſung eines jeden Landes zu beurthei- lenden Beſchwerden wegen verweigerter oder ge- hemmter Rechtspflege. h) Anklagen gegen die Reichsminiſter oder die Lan- desminiſter durch eines der Häuſer des Reichs- tags; desgleichen Anklagen gegen die Landesmini- ſter durch die Landſtände wegen Verletzung der Reichs- oder beziehungsweiſe Landes-Grundgeſetze. Die Frage wegen Ausdehnung des Anklagerechts auf andere Fälle bleibt der näheren Beſtimmung eines Reichsgeſetzes vorbehalten. i) Criminalgerichtsbarkeit für Urtheilsfällung durch Geſchworne in Fällen des Hoch- und Landesver- raths gegen das Reich, ſowie bei Majeſtätsver- brechen gegen das Reichsoberhaupt. Der in dieſen Fällen dem Reichsoberhaupt zuſtehen- den Begnadigung muß ein Gutachten des Reichsge- richts vorhergehen. Außerdem hat das Reichsgericht auf Erfordern der Reichsregierung wegen angeblicher Verletzung reichs- geſetzlich verbürgter Rechte durch Geſetze oder Regie- rungshandlungen der einzelnen Staaten Gutachten zu geben. Die Vollziehung der reichsgerichtlichen Sprüche be- ſtimmt ein künftiges Reichsgeſetz. (Schluß folgt.) Jtalien. Daß die Oeſterreicher in der Lombardei wirklich Fortſchritte machen, ſieht man deutlicher, als aus den nur zu ſehr im eigenen Jntereſſe entſtellenden öſter- reichiſchen Berichten, aus der Neuen Zürcher Zeitung, die nicht minder zu Gunſten der Lombarden die That- ſachen zu modificiren pflegt. Sie ſchreibt: “Mailand. Laut Berichten vom 23 April, hatte der piemonteſi- ſche General Sonnaz vom Hauptquartier zu Volta aus eine Recognoscirung auf dem linken Mincioufer vorgenommen. Die Vorpoſten drangen bis Villa- franca vor, ohne einen Feind anzutreffen.” Einem Schreiben vom 24 April entheben wir Folgendes: “Die Oeſterreicher halten ſich in ihren Neſtern von Peſchiera, Mantua, Legnago und Verona eingeſchloſ- ſen. Um ſie daraus zu vertreiben oder gefangen zu nehmen, bedarf es mehr Geld und Muth.” Laut Bulletin vom 23 April, hat General Allemandi von Brescia geſchrieben, daß drei ſeiner Schaaren, die über Stenico hinaus waren, von überlegenen Streit- kräften angegriffen, ſich in beſter Ordnung Tione zu- rückgezogen haben. Der General hat Verſtärkungen dahin entſandt, darunter ein reguläres Bataillon. Karl Albert lehnte es dagegen ab, weitere Corps zur Verfügung des Generals Allemandi zu ſtellen, indem er für ſeine wichtigen Operationen am Mincio ſeine ganze Mannſchaft nöthig habe. — Die Stadt Treviſo iſt von den öſterreichiſchen Truppen wieder erobert worden. Ein Pfarrer, welcher die Bauern von Jammico anführte, iſt von den Croaten in Stücke ge- hauen worden. Turin, den 25 April. Briefe aus Bologna melden, daß die päpſtlichen Truppen unter dem General Len- tulus über den Po gegangen ſind. Die Republik Venedig hatte dem General Durando vor der Abreiſe ſeiner Truppen 100,000 Fr. zugeſchickt. Die Tosca- ner, die Modeneſer und ein Bataillon Neapolitaner ſtanden 7 Meilen von Mantua und hielten Borgo- forte und Governolo beſetzt. Ein Decret der provi- ſoriſchen Regierung von Parma verordnet, daß die Truppen dieſes Staates gleich in die Lombardei ein- rücken und ſich unter den Befehl Carl Alberts ſtellen ſollen. Eine Colonne modeneſiſcher Freiwilliger war gleichfalls über den Po gegangen. Der Ex-Herzog von Parma ſoll Willens ſeyn, ſich nach der Schweiz zurückzuziehen. Carl Albert hat mit Zuſtimmung der proviſoriſchen Regierung in Modena ein Lager für Kriegsvorrath errichtet. Die modeneſiſchen Trup- pen werden dem ſardiniſchen Heere einverleibt werden. Genua, den 20 April. Admiral Baudin iſt heute auf dem Dreimaſter Friedland in Begleitung von zwei anderen Kriegsſchiffen erſten Ranges und zwei Dampf-Fregatten im Golf von Spezia eingelaufen; wei- tere Schiffe werden binnen Kurzem erwartet. (A. Z.) Rom, den 20 April. Der Fürſt von Colobrano, Gaetano Carafa, iſt am 18 d. (aus Neapel) in Rom mit dem Auftrage angekommen, die Einberufung einer föderalen Tagſatzung in Rom zu beſchleunigen. Eine ſchöne und heilige Sendung; damit aber die neue Tagſatzung von allen Völkern Jtaliens als eine höchſte Behörde anerkannt werde, ſoll der Urſprung dieſer Verſammlung und deren Zweck klar und beſtimmt auseinander geſetzt werden. Dieſelbe muß aus den volksvertretenden Kammern des geſammten Jtaliens hervorgehen, damit ſie den wahren Willen der Na- tion ausdrücke. Es wird ihr obliegen, entſchieden und ohne Appell die Fürſten- und die Gebiets-Frage zu erledigen, mit einem Worte, ein neues Grund- geſetz für Jtalien feſtzuſtellen. Jn Tivoli wurden am 12 April die Jeſuiten durch einen Volkstumult vertrieben; in Rom, wo der Papſt aus ſeinem Privatvermögen 4000 Scudi zur Verthei- lung an die Armen für Oſtern hergegeben hat, iſt es ruhig. Der Contemporaneo macht in Bezug auf Hrn. Forbin Janſon darauf aufmerkſam, daß die franzöſiſche Republik formell noch nicht vom heil. Stuhle anerkannt iſt. Die römiſche Zeitung berichtet jetzt zuweilen, dieſer oder jener Principe u. ſ. w. habe ſeiner Patrimonial-Gerichtsbarkeit entſagt. Was mag ſolche Entſagung zunächſt hervorgerufen haben? Neapel, den 19 April. Ferdinand II. proteſtirt aufs Neue gegen die Erklärung des ſiciliſchen Gene- ral-Parlaments vom 13 d. Er nennt ſie “illegale, irrita e nulla e di niun valore.” Jm General-Par- lament zu Palermo ſollen die Parteien keinesweges freundſchaftlich einander gegenüberſtehen, ja es ſoll Syrakus, welches jetzt ganz von K. neapolitaniſchen Truppen geräumt iſt, ſich entſchieden für König Fer- dinand und die Conſtitution ausgeſprochen haben. Syrakuſiſche Schiffe kamen hier unter neapolitaniſcher Flagge an. Jn Meſſina fand keine weitere Kanonade ſtatt, täglich jedoch werden Flintenſchüſſe gewechſelt. Pronio liegt mit 2800 Mann in der Citadelle. Es herrſcht der Petechialtyphus unter ſeinen Truppen. Die meſſineſiſche Miliz iſt ziemlich gut organiſirt, es fehlt aber noch immer an Gewehren und Pulver. Die jungen in Meſſina lebenden fremden Kaufleute (die alten ſollen ſehr conſervativ und königlich geſinnt ſeyn) verrichten Wach- und Patrouillendienſte mit den Meſſineſen. (A. Z.) Peſth, den 29 April. Unſere Regierung hat in Wien durch den ungari- ſchen Miniſter die dringendſten Vorſtellungen zur ſo- fortigen Zurückſendung des ungariſchen Militärs aus Gallizien und Mähren und zur möglich baldigen Aus- gleichung in Jtalien, damit auch von dort das unga- riſche Militär heimkehre, machen laſſen. Dieſe Vor- ſtellungen ſind in Wien zweimal, aber ohne Erfolg, gemacht worden. Unſere Regierung hat nun ein Ul- timatum nach Wien geſendet, in welchem ſie mit dem größten Nachdruck droht, daß, wenn nicht die ſo- fortige Zurückſendung des ungariſchen Militärs aus Mähren und Gallizien erfolgt, die ungariſche Regie- rung die von ihrer Verantwortlichkeit gebotenen Schritte thun werde. Die Zuſammenberufung eines außer- ordentlichen Landtages in möglichſt kurzer Zeit iſt be- reits beſchloſſen. Der Finanzminiſter Ludwig Koſſuth hat ſich auf den dringenden Rath der Aerzte zur Wiederherſtellung ſeiner Geſundheit auf’s Land zurückgezogen, ohne jedoch damit die oberſte Leitung ſeines Miniſteriums aufzu- geben oder aufzuſchieben. Viele ſchwatzen von einer angeblichen Vergiftung. Jm Banat ſind mehrfache Unruhen ausgebrochen. Der Jllyrismus hat Raubhorden gegen Ungarn aus- geſendet, welche letztere ſich mit ihren Familien flüchten mußten. Dies iſt namentlich in Groß-Kikinda ge- ſchehen, wo auch vier Magiſtratsräthe getödtet wurden. Gegen 1500 hieſige jüdiſche Handwerker und Hand- lungsdiener haben ſich geſtern zur Auswanderung nach Nordamerika eingeſchrieben. Nachſchrift. Die Spannung zwiſchen der hieſigen Regierung und der Wiener nimmt einen bedenklichen Charakter an. Der Erzherzog Stephan iſt entſchieden auf die Seite unſerer Regierung getreten. Die höchſte Agitation herrſcht in der Stadt. Fulminante Prokla- mationen fordern zu den Waffen auf, und wenn die Wiener Regierung nicht bald zur Beſinnung kommt, ſteht ein furchtbarer Ausbruch bevor. (Bresl. Ztg.) Buchareſt, den 13 April. Seit vorgeſtern ſind wir hier in einer ängſtlichen Aufregung. Es verbreitete ſich nämlich das Gerücht, daß 6000 Türken in Siliſtria, 4000 in Nikopel und 4000 in Ruſtſchuk eingerückt wären. Verbürgter iſt die Nachricht jedenfalls, daß vier ruſſiſche Cavallerie- Regimenter, zwei Uhlanen- und zwei Huſaren-Regi- menter für die Walachei beſtimmt ſeyn ſollen. Heute aber wird die ſchauderhafte Neuigkeit als eine That- ſache erzählt, daß die ruſſiſche Armee bereits den Pruth bei Skuläny in der Moldau überſchritten habe. Un- ſer Fürſt wurde davon durch eine Staffette benach- richtigt. Wahrſcheinlich ſteht die vor drei Tagen plötz- lich erfolgte Abreiſe des ruſſiſchen General-Conſuls, Hrn. v. Kotzebue, damit in Verbindung. Nicht ohne Grund vermuthet man, daß uns die Ruſſen noch her- methiſcher von der öſterreichiſchen Gränze abſchließen und dieſe beſetzen werden, damit ja nur kein freiſinni- ger Gedanke mehr über die Karpathen dringe und zu Reformen anreize. Dazu mögen auch die Petitionen in Jaſſy, an deren Spitze der franzöſiſche und engli- ſche Conſul ſtand, um Aufhebung der bei uns und dort ſo centnerſchwer drückenden Cenſur und Erwei- terung der Verfaſſungsrechte ihr Scherflein beigetra- gen haben. Die Geſchäfte liegen ganz darnieder, und 200 Schiffe feiern zu Braila, weil ſie nichts zu ver- führen haben. (Allg. Oeſt. Ztg.) Konſtantinopel, den 12 April. Es ſind hier geſtern mit dem Donau-Packetboote Nachrichten aus den Fürſtenthümern der Moldau und Wallachei angekommen. Es herrſcht dort noch immer eine große Bewegung, welche jedoch mehr gegen die Hospodare und die Schutzmacht Rußland als gegen die Pforte gerichtet iſt. Während die Adeligen und Reichen, welche zur Oppoſition gehören, darin nur eine Gelegenheit erblicken, die Fürſten Stourdza und Bibesco zu ſtürzen, verlangen die Bauern Abſchaffung des Frohndienſtes und die Arbeiter Erhöhung des Lohnes. Sollten ernſte Ruheſtörungen in dieſen Pro- vinzen ſtattfinden, ſo wurde Rußland als Schutzmacht dieſelben beſetzen, wie es dies bereits zu verſchiedenen Zeiten gethan hat. Serbien war von jeher von Fac- tionen durchwühlt. Der gegenwärtige Fürſt Alexan- der Karageorgewitſch wurde im Jahre 1846 gewählt und aufrecht gehalten, trotz Rußland, welches ſich da- mals das Protectorat über dieſe Provinz anmaßte und deſſen Agenten nicht ermangeln, eine Bewegung gegen jenen Fürſten hervorzurufen. Jedoch war den letzten Nachrichten zufolge die Ruhe noch nicht geſtört worden, und es herrſchte das beſte Einverſtändniß zwiſchen dem Fürſten und dem Commandanten der Feſtung, Mehemed Paſcha. Jn Bosnien ſind die chriſtlichen Bauern gegen die bosniſchen Bei’s aufge- ſtanden, deren Feudal-Privilegien ſchwer auf dem Landmanne laſten. — Rußland zieht ſeine ſämmtlichen Truppen aus Tſcherkeſſien zurück und erſetzt ſie durch Koſaken-Regimenter, welche bloß die Feſtungen zu be- wachen und die Gränze von den Streifzügen der Tſcherkeſſen frei zu halten haben werden. Der ruſſi- ſche Miniſter hat der Pforte dieſe Maaßregel als einen Beweis der friedlichen Abſichten Rußlands dargeſtellt, während es viel natürlicher wäre, darin eine Drohung gegen die Pforte zu erblicken, indem dieſe im Kriege abgehärteten, in dem beſchwerlichen Waffendienſte von lange her geübten Truppen ein Corps von 20, bis 25,000 Mann bilden, welches ſich vortrefflich zu einem Ueberfalle eignet und nur Tſcherkeſſien verlaſſen wird, um an den Mündungen des Dnieper Poſto zu faſſen, alſo an dem beſt gewählten Orte, von wo aus es raſch eingeſchifft und nach Belieben der ruſſiſchen Regierung auf jedweden Punkt befördert werden könnte. Dieſe Lage der Dinge hat die Pforte wohl erwogen, und man hat ſämmtliche Regimenter der Garde, welche auf verſchiedenen Punkten Aſiens zer- ſtreut ſind, nach Konſtantinopel einberufen. Auch iſt Gegenbefehl an die Truppen ergangen, welche nach Tripoli beſtimmt waren. (K. Z.) Athen, den 9 April. Am 6 d. wurden 20 Studenten von einer Cavallerie- Patrouille niedergeritten und mit Säbelhieben tractirt, weil ſie, Arm in Arm die Breite der Hauptſtraße ein- nehmend, unter dem Rufe “Es lebe Griechenland, die Freiheit, der conſtitutionelle König, die franzöſiſche Republik, das regelmäßige Militair!” nach dem Pa- laſte zogen, eine Addreſſe zu überreichen. Die Addreſſe um Nationalgarde ward indeſſen doch überreicht. So hätte denn die Agitation begonnen. Sie iſt jedoch keineswegs gegen das Königthum gerichtet. Die Re- publik will Niemand. Die Geſandten von Oeſterreich und Preußen bereiten ſich zur Abreiſe vor. Oberſt Johann Stratos iſt in der Kliſſura bei Miſſolonghi in einen Hinterhalt gefallen, und nachdem er, ſchon verwundet, den Räuberchef durch einen Piſtolenſchuß getödtet hatte, von den übrigen ermordet worden. Jn dieſer Zeit ein trauriger Tod für einen tapfern Mann. (D. Z.) Paris, den 1 Mai. Die Arbeiten an dem proviſoriſchen Sitzungsſaale der National-Verſammlung ſind ſo gut wie beendigt. Heute wird die letzte Hand angelegt. Morgen und übermorgen ſteht der Saal dem Publikum zur Be- ſchauung offen. Weder der Moniteur, noch die an- deren Journale der Regierung beſtätigen das Gerücht von der Vertagung der National-Verſammlung, die alſo wohl am 4 d. eröffnet werden wird. Ueber den Gang der erſten Arbeiten läßt ſich nichts beſtimmen; es iſt kein Reglement über den Geſchäftsgang vor- handen. Wird man damit anfangen, ein ſolches zu machen, wird man vor Allem die Wahlen verificiren, wird man die Acte der proviſoriſchen Regierung prü- fen und ſelbige beſtätigen oder widerrufen? Nichts iſt noch über dieſe Fragen entſchieden. Die Unruhen in Rouen ſind zu Ende, es iſt viel Blut gefloſſen und die Verhaftungen dauern fort, in Elbeuf waren die Jnſurgenten noch im Beſitze eines Theiles ihrer Poſitionen und die Truppen erwarteten Verſtärkungen, in Limoges dagegen waren die Ar- beiter Herren der Stadt und der Umgegend und hat- ten eine revolutionäre Regierung eingeſetzt, deren erſter Act die Verkündung der Todesſtrafe gegen jede Ver- letzung des Eigenthumes war. Auch in Nantes, Clermont-Ferrand, Bourges und Nismes hat es in Folge der Wahlen Unordnungen gegeben, letztere Stadt iſt in Belagerungszuſtand erklärt. Zwei Jnfanterie-Regimenter ſind abermals in Paris eingerückt; man giebt die Stärke der Garniſon jetzt auf 24,000 Mann an; geſtern, Sonntag, wim- melten alle Straßen von Soldaten. Der National erklärt heute abermals, daß die Regierung zwar die Anarchie und die Revolte be- kämpfen werde, daß ſich aber die Reaction täuſche, wenn ſie daraus Hoffnungen für ſich ſchöpfe. Die Aufgabe der Regierung ſey die ächt demokratiſche Reorganiſation der Geſellſchaft und dieſe werde ſie im weiteſten Sinne durchzuführen wiſſen. Oberſt Louis Frapolli, Geſandter der proviſori- ſchen Regierung von Mailand, hat geſtern Hrn. La- martine ſeine Creditive übergeben. Frapolli war am 24 Febr. hier, ſchlug ſich auf den Barrikaden und war wenige Tage darauf ſchon wieder im Straßen- kampfe von Mailand. Die Reforme enthält heute einen bitteren Artikel über die Unruhen in Rouen; ſie weiſet nach, wie man von Seiten der Bourgeoiſie dieſe Unruhen ſelbſt hervorgerufen und dann den Vorwand benutzt habe, um gegen das Volk zu wüthen. Um dieſes barba- riſche Gefecht zu charakteriſiren, führt die Reforme nur an, daß 150 Kanonenſchüſſe gegen die Barrikaden abgefeuert wurden, daß die 140 Leichen in den Straßen der Stadt, alle der arbeitenden Klaſſe angehören und daß nicht ein Soldat, nicht ein Nationalgardiſt ge- tödtet worden ſey. Die Reforme ſchließt, indem ſie die Regierung auffordert, eine Unterſuchung über dieſe Schlächterei einzuleiten, mit den Worten: “Wahr- haftig! wir haben es mit ſehr elenden Widerſachern zu thun.” Die meiſten Departements-Wahlen ſind bereits be- kannt, ungefähr ein Sechstel fehlt noch. Man weiß bereits, daß Thiers, Emil v. Girardin und Chambolle vom Siècle in ihren ſonſtigen Wahlbezirken nicht ge- wählt wurden; dagegen ſind ungefähr zwanzig Geiſt- liche Deputirte geworden, unter ihnen der Biſchof v. Quimper. Lamartine iſt in ſechs Departements gewählt, Ledru-Rollin in zwei; eben ſo zählen faſt alle Mitglieder der proviſoriſchen Regierung doppelte Ernennungen. Cormenin’s Conſtitutions-Entwurf für die Re- publik ſoll die Executiv Gewalt in die Hände dreier Conſuln mit dem ſuſpenſiven Veto und die legisla- tive Gewalt in den Schooß einer einzigen berathenden Verſammlung legen. Eine Verſammlung der Actionäre der Nordbahn fand geſtern unter Rothſchild’s Vorſitz ſtatt. Die Di- vidende wurde auf 9 Fr. 95 C. feſtgeſetzt. Die franzöſiſche Escadre des Mittelmeeres hat den Befehl erhalten, ſich nach dem Hafen von Genua zu begeben. Vorgeſtern iſt ein ehemaliger öſterreichiſcher Offi- zier mit einer Colonne von 250 deutſchen Arbeitern von hier nach dem Rheine abmarſchirt. Dieſer Ab- marſch ſteht in keiner Verbindung mit der hieſigen deutſchen demokratiſchen Geſellſchaft und iſt in ihrer geſtrigen Sitzung öffentlich desavouirt worden. Die Richtung dieſer Colonne geht an die preußiſche Gränze bei Trier. Abd-el. Kader iſt am 23 April aus dem Fort La- malgue nach dem Schloſſe von Pau gebracht worden, wo er künftig mit ſeiner Familie und ſeinem Gefolge wohnen wird. Straßburg, den 29 April. Es ſind nun mehr als 100 Flüchtlinge hier, welche den Kampf im badiſchen Oberlande mitgemacht haben. Den ſelben wurde heute von der Behörde eröffnet, daß das Miniſterium beſchloſſen habe, ihnen den Aufent- halt in Frankreich durchaus nicht zu verſagen, allein ſie hätten ſich nach einem der Departemente des Jura, des Doubs, der Ardennen oder Haute-Saone zu be- geben. Die freundſchaftlichen Beziehungen zu Deutſch- land geſtatteten nicht, daß ſie ſich in den an Deutſch- land gränzenden Departementen des Elſaſſes oder Lothringens niederlaſſen könnten. Die Flüchtlinge er- halten Päſſe und die nothwendige Unterſtüßung von der Regierung. Vermiſchte Nachrichten. Der Zuſtand des platten Landes um Hersfeld (Kurheſſen) iſt in hohem Maaße beklagenswerth. Die Bewohner der Dorfſchaften ſind mehr in Furcht und Angſt um Leben und Eigenthum. Jeder, der Etwas hat, iſt gegen Jeden, der nichts hat, bereits in den Zuſtand der Nothwehr geſetzt; in manchen Gemein- den (unter denen z. B. Fiſchbach im Kreiſe Hünfeld, im Juſtizamte Eiterfeld, hart an der Gränze des Kreiſes Hersfeld, genannt wird) haben ſich ordentliche Banden gebildet, die, bewaffnet, beliebig hin- und wie- der ziehen, Geld, Korn ꝛc. brandſchatzen, demoliren, was ihnen unter die Hände kommt, und zwar nicht bloß unter dem Schirme der Nacht, ſondern auch im hellen Lichte des Tages. So geht es ſchon Wochen lang zu. Jn Stettin hat am 1 Mai ein überaus ernſtlicher Straßen-Auflauf ſtattgehabt, bei dem es auf Plün- derung der Läden abgeſehen war. Die Ruhe wurde durch die Bürgerwehr ſchnell wieder hergeſtellt. Nach dem Vorgange anderer Städte haben auch in Lübeck die Schneidergeſellen am 1 Mai durch ein Arbeitniederlegen in Maſſe den Verſuch gemacht, Zu- geſtändniſſe hinſichtlich Arbeitszeit und Arbeitslohn von den Meiſtern zu erhalten; wie es ſcheint, ohne Erfolg. Die Geſellen ſollen ſchon am Tage darauf zum großen Theile die Arbeit wieder aufgenommen haben, nachdem ſie aus der energiſchen Sprache der Behörde, die die fremden Geſellen im Falle fortdauern- der Weigerung zu arbeiten, mit ſofortiger Auswei- ſung bedrohte, hatten entnehmen können, daß ſie auf einen ſchwer beſieglichen Widerſtand ſtoßen würden. Damit werden auch die ſympathiſirenden Regungen unter den Gehülfen anderer Gewerke von ſelbſt un- terdrückt. Die Gazzetta di Venezia enthält ein Schreiben von einem Deutſchen, Namens Heinrich Stieglitz, der in Venedig in die Bürgergarde getreten iſt, und ſich nun gegen den Deutſchenhaß der Jtaliäner ver- wahrt, weil die Oeſterreicher keine Deutſchen, und die Preußen. Sachſen ꝛc. keine Oeſterreicher ſeyen. “Es hat vielleicht Niemand mehr Recht und Beruf, ſo im Namen ſeiner Landsleute zu ſprechen, als gerade Derjenige, der Jtalien ſo innig liebt, und der auch in den jüngſten Tagen des Wiederauflebens ſich aus freiem Drange unter eure Reihen geſchaart.” Der Mann hat einen äußerſt richtigen politiſchen Takt und ein feines Gefühl für Nationalwürde: — er könnte auch unter die Dänen gehen, weil die Schles- wiger keine “Stieglitze” ſind! Der Brauergeſelle Bernſtein, der das Schloß zu Waldenburg in Sachſen in Brand geſteckt haben ſoll, iſt in Oberweimar aufgegriffen und der betreffenden Behörde ausgeliefert worden. Waſſerſtand der Elbe zu Magdeburg: am 2 Mai: 19 Zoll unter 0. Wetterbeobachtung vom 3 Mai. Zeit Therm. Barom. Wind Atmoſphäre M. 4 U. + 16 28, 2 55 f. NW 0 heiter N. 2 „ „ 12,3 „ 1 98 „ 2 Cirri A. 6 „ „ 10,3 „ 2,03 ſt. N 4 heiter _ Stadt-Theater. Die am Dienstag den 2 Mai erfolgte Darſtellung der originellen und effectreichen Halevyſchen Oper: “Die Jüdin”, darf als eine faſt durchgängig im hohen Grade gelungene bezeichnet werden. Beſonders ge- währte der vierte Act den Muſikfreunden einen Genuß, wie er in ſo harmoniſcher Vereinigung von Fülle, Reinheit und Anmuth nur ſelten dargeboten zu wer- den pflegt. Hr. Tichatſcheck als Eleazar entfaltet ſo- wohl in ſeinem energiſch ergreifenden Geſange als in ſeinem feurigen und lebendigen Spiel eine Charakter- Wahrheit, der man nur Gerechtigkeit widerfahren läßt, wenn man ſie für muſterhaft erklärt. Hr. dalle Aſte verbindet mit ſeinem angenehmen Vortrage in der Arie des erſten und im Duett des vierten Actes alle zur angemeſſenen Darſtellung des Cardinals er- forderliche Hoheit und Würde; ſo wie Dem. Babnigg als Eudora von der Kunſtfertigkeit und Sauberkeit ihres Geſanges erneuerten Beweis liefert. Wirklich bewundernswerth aber iſt der plötzliche und zugleich ungemein glückliche Aufſchwung, den Dem. Michaleſi zur heroiſchen Sängerin nimmt. Jhr Geſang ge- winnt in gleichem Grade an Glut und Jnnigkeit als ihr Spiel an Leben, Leidenſchaft und geiſtiger Freiheit den überraſchendſten Zuwachs erhält. So wurden z. B. die Stellen des dritten Actes: “des Meineids klage ich ihn an!” und “kennſt Du mich nicht mehr?” mit einem dramatiſchen Ausdruck von ihr vorgetragen, der durchaus nichts zu wünſchen übrig ließ. Ueber- haupt zeugte die Auffaſſung und Durchführung der Recha abermals von einem ernſten und eifrigen Stu- dium, wie es bereits in den wenige Tage zuvor gege- benen “Hugenotten” an der von ihr vorgeſtellten Va- lentine aufs Unverkennbarſte zu bemerken war. Jhr wetteifernd zur Seite ſtand in der letzgenannten Oper Dem. Liebhart, die bereits als Königin der Nacht in der “Zauberflöte” ſich dem hieſigen Publicum vor- theilhaft empfohlen hatte, in der Rolle der Margarethe v. Valois aber als eine Bravourſängerin des erſten Ranges ſich bewährte. Es wird ſich Gelegenheit fin- den, auf die außergewöhnliche Virtuoſität ihres Ge- ſanges zurückzukommen, da in Folge der glänzenden Aufnahme, welche beide hier erwähnten Opern gefun- den, ohne Zweifel eine baldige Wiederholung derſelben ſtattfinden dürfte. Ein neues Ballet: “Catarina, oder: Die Tochter des Banditen” iſt am Mittewochen, den 3 Mai, in ſehr gefälliger, ſceniſcher Ausſtattung gegeben und mit rauſchendem Beifall aufgenommen worden. Das ſchon mehrfach für ähnliche Zwecke benutzte romantiſche Abentheuer, welches dem unter eine Banditenbande gerathenen Maler Salvator Roſa angeblich zuge- ſtoßen, hat hier abermals zu einer höchſt anſprechen- den Reihenfolge ſich leicht und zwanglos mit einander verbindender Scenen und Situationen den mit ſach- kundiger Umſicht bearbeiteten Stoff geliefert. Auch läßt es Dem. Grahn als Banditen-Königin (?) nicht daran fehlen, in den mannigfachen Gattungen des Tanzes, zu deren charakteriſtiſchen Veranſchaulichung ſich hier Gelegenheit darbietet, den ganzen Umfang und Zauber ihrer Kunſt zu entwickeln. Die ſtolze Sicherheit und Präciſion in dem, aus militäriſchen Evolutionen und Tänzen beſtehenden pas stratégique, die bewundernswerthe Gewandtheit, Leichtigkeit und Gliederbeweglichkeit in der Saltarella, die Reinheit und Anmuth der plaſtiſchen Attitüden in der großen Mo- dell-Scene und die graciöſe Kunſtfertigkeit im Grand pas du Masque können nur durch die unmittelbare Betrachtung, nicht aber durch die nachträgliche Be- ſchreibung gehörig erkannt und gewürdigt werden. Keineswegs mit Stillſchweigen zu übergehen iſt indeß hierbei die ſorgſame und fleißige Unterſtützung, die Dem. Grahn namentlich an den Damen Riſa, Pau- line und Marie Wieland, Corens und den HH. Maximilien und Rathgeber in dem Ballet findet, das noch außerdem durch die zu ihm gehörige heitere und lebensfriſche Muſik von Deldevère aufs Vortheilhafteſte ſich empfiehlt. Herausgegeben von Runkel. Amtliche Bekanntmachungen. Sonnabend den 6. Mai 1848 Verſammlung E. Ehrb. Kaufmanns auf dem Börſenſaal 2¼ Uhr Nachmittags. Wahl eines Commerz-Deputirten. Decrete des Senats. Den 4. Mai: Jn Sachen G. F. Dittmer. — J. H. Meyer. — C. S. P. Schmidt. — L. Frahm. — J. J. C. Grothjahn. Erkenntniſſe des Handelsgerichts. Erſte Kammer. Den 4. Mai: Jn Sachen Natorp Gabriel & Co. c. E. Strother. — W. Lauw mand. nom. Capt. J. Holmes, Schiff Peru, c. J. Taylor. — J. H. J. Stechmann Erben c. J. G. N. Wendler. — J. Cohn c. Hrn. Drem. L. Jo- nasſohn mand. nom. — H. W. Dieckmann c. C. W. Möller, M. J. C. Möller’s Nachfolger, als ꝛc. — Hrn. G. Wieler c. J. Heine Söhne. — S. Hannover. — S. L. Behrens & Co. in Mancheſter. — Curat. bonorum H. D. Steffens.

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Zitationshilfe: Staats und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheiischen Correspondenten. Nr. 108, Hamburg, 5. Mai 1848, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hc_1080505_1848/3>, abgerufen am 16.10.2024.