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Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892.

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im Stockhause mehr Zeit und Ruhe kriegt. Da kennt
'r dann singen bei Wasser und Brot, a so lange, wie
d'r lustig seid.
(Ab.)
Wittig (schreit ihm nach). Garnischt hat a uns zu
verbieten, und wenn mir prilln, daß de Fenster schwirrn,
und wenn ma uns hört bis in Reechenbach, und
wenn mir singen, daß allen Fabrikanten de Häuser iber'm
Koppe zusammenstirzen und allen Verwaltern de Helme
uf'm Schädel tanzen. Das geht niemanden nischt an.
Bäcker (ist inzwischen aufgestanden, hat pantomimisch das Zeichen
zum Singen gegeben und beginnt nun selbst mit allen gemeinschaftlich).

Hier im Ort ist ein Gericht,
Viel schlimmer als die Vehmen,
Wo man nicht mehr ein Urtheil spricht,
Das Leben schnell zu nehmen.
(Der Wirth sucht zu beruhigen, wird aber nicht gehört. Wiegand hält sich die
Ohren zu und läuft fort. Die Weber erheben sich und ziehen unter dem Gesang
der folgenden Verse Wittig und Becker nach, die durch Winke etc. das Zeichen
zum allgemeinen Aufbruch gegeben haben.)

Hier wird der Mensch langsam gequält,
Hier ist die Folterkammer,
Hier werden Seufzer viel gezählt,
Als Zeugen von dem Jammer.
(Der größte Theil der Weber singt den folgenden Vers schon auf der Straße, nur
einige junge Burschen noch im Jnnern der Stube, während sie zahlen. Am
Schluß der nächsten Strophe ist das Zimmer leer bis auf Welzel, seine Frau,
seine Tochter, Hornig und den alten Baumert.)

Jhr Schurken all', ihr Satansbrut!
Jhr höllischen Cujone!
Jhr freßt der Armen Hab' und Gut,
Und Fluch wird euch zum Lohne.
Welzel (räumt mit Gleichmut Gläser zusammen). Die sein ja
heute gar tälsch.
Der alte Baumert (ist im Begriff zu gehen).
Hornig. Nu sag blos, Baumert, was is denn
im Gange?
Der alte Baumert. Zu Dreißigern gehn wolln
se halt, sehn das a 'was zulegt zum Lohne, dahier.
im Stockhauſe mehr Zeit und Ruhe kriegt. Da kennt
’r dann ſingen bei Waſſer und Brot, a ſo lange, wie
d’r luſtig ſeid.
(Ab.)
Wittig (ſchreit ihm nach). Garniſcht hat a uns zu
verbieten, und wenn mir prilln, daß de Fenſter ſchwirrn,
und wenn ma uns hört bis in Reechenbach, und
wenn mir ſingen, daß allen Fabrikanten de Häuſer iber’m
Koppe zuſammenſtirzen und allen Verwaltern de Helme
uf’m Schädel tanzen. Das geht niemanden niſcht an.
Bäcker (iſt inzwiſchen aufgeſtanden, hat pantomimiſch das Zeichen
zum Singen gegeben und beginnt nun ſelbſt mit allen gemeinſchaftlich).

Hier im Ort iſt ein Gericht,
Viel ſchlimmer als die Vehmen,
Wo man nicht mehr ein Urtheil ſpricht,
Das Leben ſchnell zu nehmen.
(Der Wirth ſucht zu beruhigen, wird aber nicht gehört. Wiegand hält ſich die
Ohren zu und läuft fort. Die Weber erheben ſich und ziehen unter dem Geſang
der folgenden Verſe Wittig und Becker nach, die durch Winke ꝛc. das Zeichen
zum allgemeinen Aufbruch gegeben haben.)

Hier wird der Menſch langſam gequält,
Hier iſt die Folterkammer,
Hier werden Seufzer viel gezählt,
Als Zeugen von dem Jammer.
(Der größte Theil der Weber ſingt den folgenden Vers ſchon auf der Straße, nur
einige junge Burſchen noch im Jnnern der Stube, während ſie zahlen. Am
Schluß der nächſten Strophe iſt das Zimmer leer bis auf Welzel, ſeine Frau,
ſeine Tochter, Hornig und den alten Baumert.)

Jhr Schurken all’, ihr Satansbrut!
Jhr hölliſchen Cujone!
Jhr freßt der Armen Hab’ und Gut,
Und Fluch wird euch zum Lohne.
Welzel (räumt mit Gleichmut Gläſer zuſammen). Die ſein ja
heute gar tälſch.
Der alte Baumert (iſt im Begriff zu gehen).
Hornig. Nu ſag blos, Baumert, was is denn
im Gange?
Der alte Baumert. Zu Dreißigern gehn wolln
ſe halt, ſehn das a ’was zulegt zum Lohne, dahier.
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Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_weber_1892/79>, abgerufen am 27.04.2024.