Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892.Hier wird der Mensch langsam gequält, Hier ist die Folterkammer, Hier werden Seufzer viel gezählt Als Zeugen von dem Jammer. Der alte Baumert (hat, von den Worten des Liedes gepackt und im Tiefsten aufgerüttelt, mehrmals nur mühsam der Versuchung wider standen, Jäger zu unterbrechen. Nun geht alles mit ihm durch: stammelnd, unter Lachen und Weinen zu seiner Frau). Hier ist die Folterkammer. Der das geschrieben, Mutter, der sagt die Wahrheet. Das kannst Du bezeugen... wie heeßt's? Hier werden Seufzer ... wie? ... hie wern se viel gezählt ... Jäger. Als Zeugen von dem Jammer. Der alte Baumert. Du weeßt's, was mir a so seufzn een'n Tag um a andern, ob m'r stehn oder liegen. Jäger, (während Ansorge, ohne weiter zu arbeiten, in tiefer Er- schütterung zusammengesunken dasitzt, Mutter Baumert und Bertha fortwährend die Augen wischen, fährt fort zu lesen). Die Herr'n Dreißiger die Henker sind, Die Diener ihre Schergen, Davon ein Jeder tapfer schindt, Anstatt was zu verbergen. Jhr Schurken all, ihr Satansbrut, Der alte Baumert (mit zitternder Wuth den Boden stampfend) Ja, Satansbrut!!! Jäger (liest). Jhr höllischen Dämone, Jhr freßt der Armen Hab und Gut, Und Fluch wird euch zum Lohne. Ansorge. Nu, jaja, das is auch an Fluch werth. Der alte Baumert, (die Faust ballend, drohend). Jhr freßt der Armen Hab und Gut. Jäger (liest). Hier hilft kein Bitten und kein Fleh'n, Umsonst ist alles klagen. "Gefällt's euch nicht, so könnt ihr gehn Am Hungertuche nagen." Hier wird der Menſch langſam gequält, Hier iſt die Folterkammer, Hier werden Seufzer viel gezählt Als Zeugen von dem Jammer. Der alte Baumert (hat, von den Worten des Liedes gepackt und im Tiefſten aufgerüttelt, mehrmals nur mühſam der Verſuchung wider ſtanden, Jäger zu unterbrechen. Nun geht alles mit ihm durch: ſtammelnd, unter Lachen und Weinen zu ſeiner Frau). Hier iſt die Folterkammer. Der das geſchrieben, Mutter, der ſagt die Wahrheet. Das kannſt Du bezeugen… wie heeßt’s? Hier werden Seufzer … wie? … hie wern ſe viel gezählt … Jäger. Als Zeugen von dem Jammer. Der alte Baumert. Du weeßt’s, was mir a ſo ſeufzn een’n Tag um a andern, ob m’r ſtehn oder liegen. Jäger, (während Anſorge, ohne weiter zu arbeiten, in tiefer Er- ſchütterung zuſammengeſunken daſitzt, Mutter Baumert und Bertha fortwährend die Augen wiſchen, fährt fort zu leſen). Die Herr’n Dreißiger die Henker ſind, Die Diener ihre Schergen, Davon ein Jeder tapfer ſchindt, Anſtatt was zu verbergen. Jhr Schurken all, ihr Satansbrut, Der alte Baumert (mit zitternder Wuth den Boden ſtampfend) Ja, Satansbrut!!! Jäger (lieſt). Jhr hölliſchen Dämone, Jhr freßt der Armen Hab und Gut, Und Fluch wird euch zum Lohne. Anſorge. Nu, jaja, das is auch an Fluch werth. Der alte Baumert, (die Fauſt ballend, drohend). Jhr freßt der Armen Hab und Gut. Jäger (lieſt). Hier hilft kein Bitten und kein Fleh’n, Umſonſt iſt alles klagen. „Gefällt’s euch nicht, ſo könnt ihr gehn Am Hungertuche nagen.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#JAEG"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0054" n="41"/> <l>Hier wird der Menſch langſam gequält,</l><lb/> <l>Hier iſt die Folterkammer,</l><lb/> <l>Hier werden Seufzer viel gezählt</l><lb/> <l>Als Zeugen von dem Jammer.</l> </lg> </sp><lb/> <sp who="#BAUM"> <speaker> <hi rendition="#g">Der alte Baumert</hi> </speaker> <stage>(hat, von den Worten des Liedes gepackt<lb/> und im Tiefſten aufgerüttelt, mehrmals nur mühſam der Verſuchung wider<lb/> ſtanden, Jäger zu unterbrechen. Nun geht alles mit ihm durch: ſtammelnd,<lb/> unter Lachen und Weinen zu ſeiner Frau).</stage> <p>Hier iſt die Folterkammer.<lb/> Der das geſchrieben, Mutter, der ſagt die Wahrheet.<lb/> Das kannſt Du bezeugen… wie heeßt’s? Hier werden<lb/> Seufzer … wie? … hie wern ſe viel gezählt …</p> </sp><lb/> <sp who="#JAEG"> <speaker><hi rendition="#g">Jäger</hi>.</speaker> <p>Als Zeugen von dem Jammer.</p> </sp><lb/> <sp who="#BAUM"> <speaker><hi rendition="#g">Der alte Baumert</hi>.</speaker> <p>Du weeßt’s, was mir a ſo<lb/> ſeufzn een’n Tag um a andern, ob m’r ſtehn oder liegen.</p> </sp><lb/> <sp who="#JAEG"> <speaker><hi rendition="#g">Jäger</hi>,</speaker> <stage>(während Anſorge, ohne weiter zu arbeiten, in tiefer Er-<lb/> ſchütterung zuſammengeſunken daſitzt, Mutter Baumert und Bertha fortwährend<lb/> die Augen wiſchen, fährt fort zu leſen).</stage><lb/> <lg type="poem"> <l>Die Herr’n Dreißiger die Henker ſind,</l><lb/> <l>Die Diener ihre Schergen,</l><lb/> <l>Davon ein Jeder tapfer ſchindt,</l><lb/> <l>Anſtatt was zu verbergen.</l><lb/> <l>Jhr Schurken all, ihr Satansbrut,</l> </lg> </sp><lb/> <sp who="#BAUM"> <speaker> <hi rendition="#g">Der alte Baumert</hi> </speaker> <stage>(mit zitternder Wuth den Boden ſtampfend)</stage><lb/> <p>Ja, Satansbrut!!!</p> </sp><lb/> <sp who="#JAEG"> <speaker> <hi rendition="#g">Jäger</hi> </speaker> <stage>(lieſt).</stage><lb/> <lg type="poem"> <l>Jhr hölliſchen Dämone,</l><lb/> <l>Jhr freßt der Armen Hab und Gut,</l><lb/> <l>Und Fluch wird euch zum Lohne.</l> </lg> </sp><lb/> <sp who="#ANSO"> <speaker><hi rendition="#g">Anſorge</hi>.</speaker> <p>Nu, jaja, das is auch an Fluch werth.</p> </sp><lb/> <sp who="#BAUM"> <speaker><hi rendition="#g">Der alte Baumert</hi>,</speaker> <stage>(die Fauſt ballend, drohend).</stage> <p>Jhr<lb/> freßt der Armen Hab und Gut.</p> </sp><lb/> <sp who="#JAEG"> <speaker> <hi rendition="#g">Jäger</hi> </speaker> <stage>(lieſt).</stage><lb/> <lg type="poem"> <l>Hier hilft kein Bitten und kein Fleh’n,</l><lb/> <l>Umſonſt iſt alles klagen.</l><lb/> <l>„Gefällt’s euch nicht, ſo könnt ihr gehn</l><lb/> <l>Am Hungertuche nagen.“</l> </lg> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [41/0054]
Hier wird der Menſch langſam gequält,
Hier iſt die Folterkammer,
Hier werden Seufzer viel gezählt
Als Zeugen von dem Jammer.
Der alte Baumert (hat, von den Worten des Liedes gepackt
und im Tiefſten aufgerüttelt, mehrmals nur mühſam der Verſuchung wider
ſtanden, Jäger zu unterbrechen. Nun geht alles mit ihm durch: ſtammelnd,
unter Lachen und Weinen zu ſeiner Frau). Hier iſt die Folterkammer.
Der das geſchrieben, Mutter, der ſagt die Wahrheet.
Das kannſt Du bezeugen… wie heeßt’s? Hier werden
Seufzer … wie? … hie wern ſe viel gezählt …
Jäger. Als Zeugen von dem Jammer.
Der alte Baumert. Du weeßt’s, was mir a ſo
ſeufzn een’n Tag um a andern, ob m’r ſtehn oder liegen.
Jäger, (während Anſorge, ohne weiter zu arbeiten, in tiefer Er-
ſchütterung zuſammengeſunken daſitzt, Mutter Baumert und Bertha fortwährend
die Augen wiſchen, fährt fort zu leſen).
Die Herr’n Dreißiger die Henker ſind,
Die Diener ihre Schergen,
Davon ein Jeder tapfer ſchindt,
Anſtatt was zu verbergen.
Jhr Schurken all, ihr Satansbrut,
Der alte Baumert (mit zitternder Wuth den Boden ſtampfend)
Ja, Satansbrut!!!
Jäger (lieſt).
Jhr hölliſchen Dämone,
Jhr freßt der Armen Hab und Gut,
Und Fluch wird euch zum Lohne.
Anſorge. Nu, jaja, das is auch an Fluch werth.
Der alte Baumert, (die Fauſt ballend, drohend). Jhr
freßt der Armen Hab und Gut.
Jäger (lieſt).
Hier hilft kein Bitten und kein Fleh’n,
Umſonſt iſt alles klagen.
„Gefällt’s euch nicht, ſo könnt ihr gehn
Am Hungertuche nagen.“
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_weber_1892 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_weber_1892/54 |
Zitationshilfe: | Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_weber_1892/54>, abgerufen am 30.07.2024. |