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Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892.

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mit kriechender Demuth Staub von seinem Rock.) Se habn sich a brinkel
angestrichen, gnädicher Herr Dreißicher.
Dreißiger. Die Geschäfte geh'n hundsmiserabel,
das wißt ihr ja selbst. Jch setze zu, statt daß ich ver-
diene. Wenn ich trotzdem dafür sorge, daß meine
Weber immer Arbeit haben, so setze ich voraus, daß
das anerkannt wird. Die Waare liegt mir da in
tausenden von Schocken, und ich weiß heut noch nicht,
ob ich sie jemals verkaufen werde. -- Nun hab' ich
gehört, daß sehr viele Weber hierum ganz ohne Arbeit
sind und da ... na, Pfeifer mag euch das Weitre
auseinandersetzen. -- Die Sache ist nämlich die: damit
ihr den guten Willen seht ... ich kann natürlich keine
Almosen austheilen, dazu bin ich nicht reich genug,
aber ich kann bis zu einem gewissen Grade den Arbeits-
losen Gelegenheit geben, wenigstens 'ne Kleinigkeit
zu verdienen. Daß ich dabei ein immenses Risiko habe,
ist ja meine Sache. -- Jch denke mir halt: wenn
sich ein Mensch täglich 'ne Quarkschnitte erarbeiten
kann, so ist doch das immer besser, als wenn er
überhaupt hungern muß. Hab ich nicht recht?
Viele Stimmen. Ja, ja! Herr Dreißicher.
Dreißiger. Jch bin also gern bereit, noch
zweihundert Webern Beschäftigung zu geben. Unter
welchen Umständen, wird Pfeifer euch auseinander-
setzen.
(Er will gehen.)
Erste Weberfrau (vertritt ihm den Weg, spricht überhastet,
flehend und dringlich).
Gnädijer Herr Dreißicher, ich wollte
Sie halt recht freindlich gebetn habn, wenn se viel-
leicht ... ich hab halt zweimal an Jbergang gehabt.
Dreißiger (eilig). Sprecht mit Pfeifer, gute
Frau, ich hab mich so schon verspätet.
(Er läßt sie stehen.)
Weber Reimann (vertritt ihm ebenfalls den Weg. Jm Tone
der Kränkung und Anklage).
Herr Dreißicher, ich muß mich
wirklich beklagn. Herr Feifer hat mer ... Jch hab
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mit kriechender Demuth Staub von ſeinem Rock.) Se habn ſich a brinkel
angeſtrichen, gnädicher Herr Dreißicher.
Dreißiger. Die Geſchäfte geh’n hundsmiſerabel,
das wißt ihr ja ſelbſt. Jch ſetze zu, ſtatt daß ich ver-
diene. Wenn ich trotzdem dafür ſorge, daß meine
Weber immer Arbeit haben, ſo ſetze ich voraus, daß
das anerkannt wird. Die Waare liegt mir da in
tauſenden von Schocken, und ich weiß heut noch nicht,
ob ich ſie jemals verkaufen werde. — Nun hab’ ich
gehört, daß ſehr viele Weber hierum ganz ohne Arbeit
ſind und da … na, Pfeifer mag euch das Weitre
auseinanderſetzen. — Die Sache iſt nämlich die: damit
ihr den guten Willen ſeht … ich kann natürlich keine
Almoſen austheilen, dazu bin ich nicht reich genug,
aber ich kann bis zu einem gewiſſen Grade den Arbeits-
loſen Gelegenheit geben, wenigſtens ’ne Kleinigkeit
zu verdienen. Daß ich dabei ein immenſes Riſiko habe,
iſt ja meine Sache. — Jch denke mir halt: wenn
ſich ein Menſch täglich ’ne Quarkſchnitte erarbeiten
kann, ſo iſt doch das immer beſſer, als wenn er
überhaupt hungern muß. Hab ich nicht recht?
Viele Stimmen. Ja, ja! Herr Dreißicher.
Dreißiger. Jch bin alſo gern bereit, noch
zweihundert Webern Beſchäftigung zu geben. Unter
welchen Umſtänden, wird Pfeifer euch auseinander-
ſetzen.
(Er will gehen.)
Erſte Weberfrau (vertritt ihm den Weg, ſpricht überhaſtet,
flehend und dringlich).
Gnädijer Herr Dreißicher, ich wollte
Sie halt recht freindlich gebetn habn, wenn ſe viel-
leicht … ich hab halt zweimal an Jbergang gehabt.
Dreißiger (eilig). Sprecht mit Pfeifer, gute
Frau, ich hab mich ſo ſchon verſpätet.
(Er läßt ſie ſtehen.)
Weber Reimann (vertritt ihm ebenfalls den Weg. Jm Tone
der Kränkung und Anklage).
Herr Dreißicher, ich muß mich
wirklich beklagn. Herr Feifer hat mer … Jch hab
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[19/0032] mit kriechender Demuth Staub von ſeinem Rock.) Se habn ſich a brinkel angeſtrichen, gnädicher Herr Dreißicher. Dreißiger. Die Geſchäfte geh’n hundsmiſerabel, das wißt ihr ja ſelbſt. Jch ſetze zu, ſtatt daß ich ver- diene. Wenn ich trotzdem dafür ſorge, daß meine Weber immer Arbeit haben, ſo ſetze ich voraus, daß das anerkannt wird. Die Waare liegt mir da in tauſenden von Schocken, und ich weiß heut noch nicht, ob ich ſie jemals verkaufen werde. — Nun hab’ ich gehört, daß ſehr viele Weber hierum ganz ohne Arbeit ſind und da … na, Pfeifer mag euch das Weitre auseinanderſetzen. — Die Sache iſt nämlich die: damit ihr den guten Willen ſeht … ich kann natürlich keine Almoſen austheilen, dazu bin ich nicht reich genug, aber ich kann bis zu einem gewiſſen Grade den Arbeits- loſen Gelegenheit geben, wenigſtens ’ne Kleinigkeit zu verdienen. Daß ich dabei ein immenſes Riſiko habe, iſt ja meine Sache. — Jch denke mir halt: wenn ſich ein Menſch täglich ’ne Quarkſchnitte erarbeiten kann, ſo iſt doch das immer beſſer, als wenn er überhaupt hungern muß. Hab ich nicht recht? Viele Stimmen. Ja, ja! Herr Dreißicher. Dreißiger. Jch bin alſo gern bereit, noch zweihundert Webern Beſchäftigung zu geben. Unter welchen Umſtänden, wird Pfeifer euch auseinander- ſetzen. (Er will gehen.) Erſte Weberfrau (vertritt ihm den Weg, ſpricht überhaſtet, flehend und dringlich). Gnädijer Herr Dreißicher, ich wollte Sie halt recht freindlich gebetn habn, wenn ſe viel- leicht … ich hab halt zweimal an Jbergang gehabt. Dreißiger (eilig). Sprecht mit Pfeifer, gute Frau, ich hab mich ſo ſchon verſpätet. (Er läßt ſie ſtehen.) Weber Reimann (vertritt ihm ebenfalls den Weg. Jm Tone der Kränkung und Anklage). Herr Dreißicher, ich muß mich wirklich beklagn. Herr Feifer hat mer … Jch hab 2*

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Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_weber_1892/32>, abgerufen am 28.03.2024.