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Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892.

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ich weeß gar nich, wenn Se mir das Mal und geb'n
mir keen'n Vorschuß ... o Jesis, Jesis.
Pfeifer (ruft herüber). Das is a Gejesere. Laßt
blos a Herr Jesus in Frieden. Jhr habt's ja
sonst nich so ängstlich um a Herr Jesus. Paßt lieber
auf Euern Mann uf, das und man sieht'n nich aller
Augenblicke hinter'm Kretschamfenster sitz'n. Wir kenn
kein'n Vorschuß geb'n. Wir miss'n Rechenschaft ab-
legen dahier. 'S is auch nich unser Geld. Von
uns wird's nachher verlangt. Wer fleißig is und
seine Sache versteht und in der Furcht Gottes seine
Arbeit verricht't, der braucht iberhaupt nie kein'n
Vorschuß nich. Abgemacht Seefe.
Neumann. Und wenn a Bielauer Weber 's
vierfache Lohn kriegt, da verfumfeit er's vierfache und
macht noch Schulden.
Erste Weberfrau (laut, gleichsam an das Gerechtigkeitsgefühl
Aller apellirend).
Jch bin gewiß ni faul, aber ich kann
ni mehr a so fort. Jch hab halt doch zwee Mal an
Jbergang gehabt. Und was de mei Mann is, der is
ooch bloßich halb; a war bei'm Zerlauer Schäfer, aber
der hat'n doch au nich ken'n von sein'n Schad'n helfn
und da ... Zwing'n kann ma's doch nich ... Mir arbeitn
gewiß, was wir ufbringen. Jch hab schonn viele Woch'n
keen'n Schlaf in a Augn gehabt, und 's wird auch schonn
wieder gehn, wenn ock ich und ich wer' de Schwäche
wieder a bissel raus kriegn aus a Knochn. Aber Se
missn halt ooch a eenziges Bißl a Einsehn hab'n.

(Jnständig, schmeichlerisch flehend.) Sind S' ock schonn gebetn
und bewilligen mer das Mal a par Greschl.
Pfeifer (ohne sich stören zu lassen). Fiedler elf Silber-
groschen.
Erste Weberfrau. Blos a par Greschl, daß
m'r zu Brote kommen. D'r Pauer borgt nischt mehr.
Ma hat a Häuffl Kinder ...
Neumann (halblaut und mit komischem Ernst zum Lehrling).
ich weeß gar nich, wenn Se mir das Mal und geb’n
mir keen’n Vorſchuß … o Jeſis, Jeſis.
Pfeifer (ruft herüber). Das is a Gejeſere. Laßt
blos a Herr Jeſus in Frieden. Jhr habt’s ja
ſonſt nich ſo ängſtlich um a Herr Jeſus. Paßt lieber
auf Euern Mann uf, das und man ſieht’n nich aller
Augenblicke hinter’m Kretſchamfenſter ſitz’n. Wir kenn
kein’n Vorſchuß geb’n. Wir miſſ’n Rechenſchaft ab-
legen dahier. ’S is auch nich unſer Geld. Von
uns wird’s nachher verlangt. Wer fleißig is und
ſeine Sache verſteht und in der Furcht Gottes ſeine
Arbeit verricht’t, der braucht iberhaupt nie kein’n
Vorſchuß nich. Abgemacht Seefe.
Neumann. Und wenn a Bielauer Weber ’s
vierfache Lohn kriegt, da verfumfeit er’s vierfache und
macht noch Schulden.
Erſte Weberfrau (laut, gleichſam an das Gerechtigkeitsgefühl
Aller apellirend).
Jch bin gewiß ni faul, aber ich kann
ni mehr a ſo fort. Jch hab halt doch zwee Mal an
Jbergang gehabt. Und was de mei Mann is, der is
ooch bloßich halb; a war bei’m Zerlauer Schäfer, aber
der hat’n doch au nich ken’n von ſein’n Schad’n helfn
und da … Zwing’n kann ma’s doch nich … Mir arbeitn
gewiß, was wir ufbringen. Jch hab ſchonn viele Woch’n
keen’n Schlaf in a Augn gehabt, und ’s wird auch ſchonn
wieder gehn, wenn ock ich und ich wer’ de Schwäche
wieder a biſſel raus kriegn aus a Knochn. Aber Se
miſſn halt ooch a eenziges Bißl a Einſehn hab’n.

(Jnſtändig, ſchmeichleriſch flehend.) Sind S’ ock ſchonn gebetn
und bewilligen mer das Mal a par Greſchl.
Pfeifer (ohne ſich ſtören zu laſſen). Fiedler elf Silber-
groſchen.
Erſte Weberfrau. Blos a par Greſchl, daß
m’r zu Brote kommen. D’r Pauer borgt niſcht mehr.
Ma hat a Häuffl Kinder …
Neumann (halblaut und mit komiſchem Ernſt zum Lehrling).
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[9/0022] ich weeß gar nich, wenn Se mir das Mal und geb’n mir keen’n Vorſchuß … o Jeſis, Jeſis. Pfeifer (ruft herüber). Das is a Gejeſere. Laßt blos a Herr Jeſus in Frieden. Jhr habt’s ja ſonſt nich ſo ängſtlich um a Herr Jeſus. Paßt lieber auf Euern Mann uf, das und man ſieht’n nich aller Augenblicke hinter’m Kretſchamfenſter ſitz’n. Wir kenn kein’n Vorſchuß geb’n. Wir miſſ’n Rechenſchaft ab- legen dahier. ’S is auch nich unſer Geld. Von uns wird’s nachher verlangt. Wer fleißig is und ſeine Sache verſteht und in der Furcht Gottes ſeine Arbeit verricht’t, der braucht iberhaupt nie kein’n Vorſchuß nich. Abgemacht Seefe. Neumann. Und wenn a Bielauer Weber ’s vierfache Lohn kriegt, da verfumfeit er’s vierfache und macht noch Schulden. Erſte Weberfrau (laut, gleichſam an das Gerechtigkeitsgefühl Aller apellirend). Jch bin gewiß ni faul, aber ich kann ni mehr a ſo fort. Jch hab halt doch zwee Mal an Jbergang gehabt. Und was de mei Mann is, der is ooch bloßich halb; a war bei’m Zerlauer Schäfer, aber der hat’n doch au nich ken’n von ſein’n Schad’n helfn und da … Zwing’n kann ma’s doch nich … Mir arbeitn gewiß, was wir ufbringen. Jch hab ſchonn viele Woch’n keen’n Schlaf in a Augn gehabt, und ’s wird auch ſchonn wieder gehn, wenn ock ich und ich wer’ de Schwäche wieder a biſſel raus kriegn aus a Knochn. Aber Se miſſn halt ooch a eenziges Bißl a Einſehn hab’n. (Jnſtändig, ſchmeichleriſch flehend.) Sind S’ ock ſchonn gebetn und bewilligen mer das Mal a par Greſchl. Pfeifer (ohne ſich ſtören zu laſſen). Fiedler elf Silber- groſchen. Erſte Weberfrau. Blos a par Greſchl, daß m’r zu Brote kommen. D’r Pauer borgt niſcht mehr. Ma hat a Häuffl Kinder … Neumann (halblaut und mit komiſchem Ernſt zum Lehrling).

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Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_weber_1892/22>, abgerufen am 19.04.2024.