Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite
weiter nischt. Und deshalb haben mer a Strick
durchgeschnitten an dem mer hingen.
Jäger. Und das war ganz recht! (Dem Alten
die Faust vor's Gesicht haltend.)
Sag Du noch ee Wort. Da
setzt's a Ding 'nein -- mitten in's Zifferblatt.
Bäcker. Gebt Ruhe, gebt Ruhe, laß Du den
alten Mann. -- Vater Hilse: a so denken mir eemal:
eher tot, wie a so a Leben noch eemal anfangen.
Der alte Hilse. Hab ich's nich gelebt sechzig
und mehr Jahr?
Bäcker. Das is eegal, anderscher muß doch
werden.
Der alte Hilse. Am Nimmermehrschtage.
Bäcker. Was mir nich guttwillig kriegen, das
nehmen mir mit Gewalt.
Der alte Hilse. Mit Gewalt? (Lacht.) Nu da
laßt Euch bald begraben dahier. Se werns Euch be-
weisen, wo de Gewalt steckt. Nu wart ock, Pirschl!
Jäger. Etwa wegen a Soldaten? Mir sein auch
Soldaten gewest. Mit a par Companieen wern mir
schonn fertig werden.
Der alte Hilse. Mid'n Maule, da gloob ich's.
Und wenn ooch: Zweee jagt'r naus, zehne kommen
wieder rein.
Stimmen (durch's Fenster). Militär kommt. Seht
Euch vor!

(Allgemeines, plötzliches Verstummen. Man hört einen Moment schwach Quer-
pfeifen und Trommeln. Jn die Stille hinein ein kurzer, unwillkürlicher Ruf:

"O verpucht! Jch mach lang!" (Allgemeines Gelächter.)
Bäcker. Wer redt hier von ausreißen? Wer
is das gewest?
Jäger. Wer tutt sich hier firchten, vor a par
lumpichten Pickelhauben? Jch wer Euch kommandiren.
Jch bin beim Commis gewest. Jch kenne den Schwindel.
Der alte Hilse. Mit was wollt'ern schissen?
Woll mit a Priegeln, hä?
weiter niſcht. Und deshalb haben mer a Strick
durchgeſchnitten an dem mer hingen.
Jäger. Und das war ganz recht! (Dem Alten
die Fauſt vor’s Geſicht haltend.)
Sag Du noch ee Wort. Da
ſetzt’s a Ding ’nein — mitten in’s Zifferblatt.
Bäcker. Gebt Ruhe, gebt Ruhe, laß Du den
alten Mann. — Vater Hilſe: a ſo denken mir eemal:
eher tot, wie a ſo a Leben noch eemal anfangen.
Der alte Hilſe. Hab ich’s nich gelebt ſechzig
und mehr Jahr?
Bäcker. Das is eegal, anderſcher muß doch
werden.
Der alte Hilſe. Am Nimmermehrſchtage.
Bäcker. Was mir nich guttwillig kriegen, das
nehmen mir mit Gewalt.
Der alte Hilſe. Mit Gewalt? (Lacht.) Nu da
laßt Euch bald begraben dahier. Se werns Euch be-
weiſen, wo de Gewalt ſteckt. Nu wart ock, Pirſchl!
Jäger. Etwa wegen a Soldaten? Mir ſein auch
Soldaten geweſt. Mit a par Companieen wern mir
ſchonn fertig werden.
Der alte Hilſe. Mid’n Maule, da gloob ich’s.
Und wenn ooch: Zweee jagt’r naus, zehne kommen
wieder rein.
Stimmen (durch’s Fenſter). Militär kommt. Seht
Euch vor!

(Allgemeines, plötzliches Verſtummen. Man hört einen Moment ſchwach Quer-
pfeifen und Trommeln. Jn die Stille hinein ein kurzer, unwillkürlicher Ruf:

„O verpucht! Jch mach lang!“ (Allgemeines Gelächter.)
Bäcker. Wer redt hier von ausreißen? Wer
is das geweſt?
Jäger. Wer tutt ſich hier firchten, vor a par
lumpichten Pickelhauben? Jch wer Euch kommandiren.
Jch bin beim Commis geweſt. Jch kenne den Schwindel.
Der alte Hilſe. Mit was wollt’ern ſchiſſen?
Woll mit a Priegeln, hä?
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp who="#ERjWEB">
          <p><pb facs="#f0125" n="112"/>
weiter ni&#x017F;cht. Und deshalb haben mer a Strick<lb/>
durchge&#x017F;chnitten an dem mer hingen.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#JAEG">
          <speaker><hi rendition="#g">Jäger</hi>.</speaker>
          <p>Und das war <hi rendition="#g">ganz</hi> recht!</p>
          <stage>(Dem Alten<lb/>
die Fau&#x017F;t vor&#x2019;s Ge&#x017F;icht haltend.)</stage>
          <p>Sag Du noch ee Wort. Da<lb/>
&#x017F;etzt&#x2019;s a Ding &#x2019;nein &#x2014; mitten in&#x2019;s Zifferblatt.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#BAECK">
          <speaker><hi rendition="#g">Bäcker</hi>.</speaker>
          <p>Gebt Ruhe, gebt Ruhe, laß <hi rendition="#g">Du</hi> den<lb/>
alten Mann. &#x2014; Vater Hil&#x017F;e: a &#x017F;o denken mir eemal:<lb/>
eher tot, wie a &#x017F;o a Leben noch eemal anfangen.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#HISE">
          <speaker><hi rendition="#g">Der alte Hil&#x017F;e</hi>.</speaker>
          <p>Hab ich&#x2019;s nich gelebt &#x017F;echzig<lb/>
und mehr Jahr?</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#BAECK">
          <speaker><hi rendition="#g">Bäcker</hi>.</speaker>
          <p>Das is eegal, ander&#x017F;cher muß <hi rendition="#g">doch</hi><lb/>
werden.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#HISE">
          <speaker><hi rendition="#g">Der alte Hil&#x017F;e</hi>.</speaker>
          <p>Am Nimmermehr&#x017F;chtage.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#BAECK">
          <speaker><hi rendition="#g">Bäcker</hi>.</speaker>
          <p>Was mir nich guttwillig kriegen, das<lb/>
nehmen mir mit Gewalt.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#HISE">
          <speaker><hi rendition="#g">Der alte Hil&#x017F;e</hi>.</speaker>
          <p>Mit Gewalt?</p>
          <stage>(Lacht.)</stage>
          <p>Nu da<lb/>
laßt Euch bald begraben dahier. Se werns Euch be-<lb/>
wei&#x017F;en, wo de Gewalt &#x017F;teckt. Nu wart ock, Pir&#x017F;chl!</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#JAEG">
          <speaker><hi rendition="#g">Jäger</hi>.</speaker>
          <p>Etwa wegen a Soldaten? Mir &#x017F;ein auch<lb/>
Soldaten gewe&#x017F;t. Mit a par Companieen wern mir<lb/>
&#x017F;chonn fertig werden.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#HISE">
          <speaker><hi rendition="#g">Der alte Hil&#x017F;e</hi>.</speaker>
          <p>Mid&#x2019;n Maule, da gloob ich&#x2019;s.<lb/>
Und wenn ooch: Zweee jagt&#x2019;r naus, zehne kommen<lb/>
wieder rein.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#STIM">
          <speaker> <hi rendition="#g">Stimmen</hi> </speaker>
          <stage>(durch&#x2019;s Fen&#x017F;ter).</stage>
          <p>Militär kommt. Seht<lb/>
Euch vor!</p><lb/>
          <stage>(Allgemeines, plötzliches Ver&#x017F;tummen. Man hört einen Moment &#x017F;chwach Quer-<lb/>
pfeifen und Trommeln. Jn die Stille hinein ein kurzer, unwillkürlicher Ruf:</stage><lb/>
          <p>&#x201E;O verpucht! Jch mach lang!&#x201C;</p>
          <stage>(Allgemeines Gelächter.)</stage>
        </sp><lb/>
        <sp who="#BAECK">
          <speaker><hi rendition="#g">Bäcker</hi>.</speaker>
          <p>Wer redt hier von ausreißen? Wer<lb/>
is das gewe&#x017F;t?</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#JAEG">
          <speaker><hi rendition="#g">Jäger</hi>.</speaker>
          <p>Wer tutt &#x017F;ich hier firchten, vor a par<lb/>
lumpichten Pickelhauben? Jch wer Euch kommandiren.<lb/>
Jch bin beim Commis gewe&#x017F;t. Jch kenne den Schwindel.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#HISE">
          <speaker><hi rendition="#g">Der alte Hil&#x017F;e</hi>.</speaker>
          <p>Mit was wollt&#x2019;ern &#x017F;chi&#x017F;&#x017F;en?<lb/>
Woll mit a Priegeln, hä?</p>
        </sp><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[112/0125] weiter niſcht. Und deshalb haben mer a Strick durchgeſchnitten an dem mer hingen. Jäger. Und das war ganz recht! (Dem Alten die Fauſt vor’s Geſicht haltend.) Sag Du noch ee Wort. Da ſetzt’s a Ding ’nein — mitten in’s Zifferblatt. Bäcker. Gebt Ruhe, gebt Ruhe, laß Du den alten Mann. — Vater Hilſe: a ſo denken mir eemal: eher tot, wie a ſo a Leben noch eemal anfangen. Der alte Hilſe. Hab ich’s nich gelebt ſechzig und mehr Jahr? Bäcker. Das is eegal, anderſcher muß doch werden. Der alte Hilſe. Am Nimmermehrſchtage. Bäcker. Was mir nich guttwillig kriegen, das nehmen mir mit Gewalt. Der alte Hilſe. Mit Gewalt? (Lacht.) Nu da laßt Euch bald begraben dahier. Se werns Euch be- weiſen, wo de Gewalt ſteckt. Nu wart ock, Pirſchl! Jäger. Etwa wegen a Soldaten? Mir ſein auch Soldaten geweſt. Mit a par Companieen wern mir ſchonn fertig werden. Der alte Hilſe. Mid’n Maule, da gloob ich’s. Und wenn ooch: Zweee jagt’r naus, zehne kommen wieder rein. Stimmen (durch’s Fenſter). Militär kommt. Seht Euch vor! (Allgemeines, plötzliches Verſtummen. Man hört einen Moment ſchwach Quer- pfeifen und Trommeln. Jn die Stille hinein ein kurzer, unwillkürlicher Ruf: „O verpucht! Jch mach lang!“ (Allgemeines Gelächter.) Bäcker. Wer redt hier von ausreißen? Wer is das geweſt? Jäger. Wer tutt ſich hier firchten, vor a par lumpichten Pickelhauben? Jch wer Euch kommandiren. Jch bin beim Commis geweſt. Jch kenne den Schwindel. Der alte Hilſe. Mit was wollt’ern ſchiſſen? Woll mit a Priegeln, hä?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Weber sind zu Beginn auf schlesisch erschiene… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_weber_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_weber_1892/125
Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_weber_1892/125>, abgerufen am 02.05.2024.