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Hauptmann, Gerhart: Vor Sonnenaufgang. Berlin, 1889.

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bärtchen, sein ganzes Gesicht ist knochig und hat einen gleichmäßig ernsten Aus-
druck. Er ist ordentlich, jedoch nichts weniger als modern gekleidet. Sommer-
paletot, Umhängetäschchen, Stock.)
Miele. Bitte! Ich werde den Herrn Inschinnär
glei ruffen. Wolln Sie nich Platz nehmen?! (Die Glas-
thür zum Wintergarten wird heftig aufgestoßen; ein Bauernweib, im Gesicht
blauroth vor Wuth, stürzt herein, sie ist nicht viel besser als eine Waschfrau
gekleidet. Nackte, rothe Arme, blauer Kattunrock und Mieder, rothes punktirtes
Brusttuch. Alter: Anfang 40, Gesicht hart, sinnlich, bösartig. Die ganze Ge-
stalt sonst gut conservirt.)
Frau Krause (schreit). Ihr Madel!!...Richtig!..
Doas Loster vu Froovulk!...Naus!!! mir gahn nischt!...
(halb zu Miele, halb zu Loth:) a koan orbeita, a hoot Oarme. Naus!
hier gibbt's nischt!
Loth. Aber Frau...Sie werden doch...ich...
ich heiße Loth, bin...wünsche zu...habe auch nicht
die Ab....
Miele. A wull ock a Herr Inschinnär sprechen.
Frau Krause. Beim Schwiegersuhne batteln:
doas kenn' mer schunn. -- A hoot au nischt, a hoot's au
ock vu ins, nischt iis seine! (Die Thür rechts wird aufgemacht.
Hoffmann steckt den Kopf heraus.)
Hoffmann. Schwiegermama! -- Ich muß doch
bitten... (er tritt heraus, wendet sich an Loth) Was steht zu...
Alfred!!! Kerl!!! Wahrhaftig 'n Gott Du!? Das
ist aber 'mal...nein das is doch 'mal 'n Gedanke!

(Hoffmann ist etwa dreiunddreißig alt, schlank, groß, hager. Er kleidet sich
nach der neuesten Mode, ist elegant frisirt, trägt kostbare Ringe, Brillantknöpfe
im Vorhemd und Berloques an der Uhrkette. Kopfhaar und Schnurrbart schwarz,
der letztere sehr üppig, äußerst sorgfältig gepflegt. Gesicht spitz, vogelartig.
Ausdruck verschwommen, Augen schwarz, lebhaft zuweilen unruhig.)
Loth. Ich bin nämlich ganz zufällig....
Hoffmann (aufgeregt): Etwas Lieberes...nun aber
zunächst leg ab! (Er versucht ihm das Umhängetäschchen abzunehmen.)
Etwas Lieberes und so Unerwartetes hätte mir jetzt (er hat
ihm Hut und Stock abgenommen und legt Beides auf einen Stuhl neben der Thür)

hätte mir jetzt entschieden nicht passiren können, (indem er
zurückkommt:)
ent....schieden nicht.
Loth (sich selbst das Täschchen abnehmend). Ich bin nämlich
-- nur so per Zufall auf Dich (er legt das Täschchen auf den
Tisch im Vordergrund).
Hoffmann. Setz' Dich! Du mußt müde sein,
setz' Dich -- bitte. Weißt De noch? wenn Du mich
bärtchen, ſein ganzes Geſicht iſt knochig und hat einen gleichmäßig ernſten Aus-
druck. Er iſt ordentlich, jedoch nichts weniger als modern gekleidet. Sommer-
paletot, Umhängetäſchchen, Stock.)
Miele. Bitte! Ich werde den Herrn Inſchinnär
glei ruffen. Wolln Sie nich Platz nehmen?! (Die Glas-
thür zum Wintergarten wird heftig aufgeſtoßen; ein Bauernweib, im Geſicht
blauroth vor Wuth, ſtürzt herein, ſie iſt nicht viel beſſer als eine Waſchfrau
gekleidet. Nackte, rothe Arme, blauer Kattunrock und Mieder, rothes punktirtes
Bruſttuch. Alter: Anfang 40, Geſicht hart, ſinnlich, bösartig. Die ganze Ge-
ſtalt ſonſt gut conſervirt.)
Frau Krauſe (ſchreit). Ihr Madel!!...Richtig!..
Doas Loſter vu Froovulk!...Naus!!! mir gahn niſcht!...
(halb zu Miele, halb zu Loth:) a koan orbeita, a hoot Oarme. Naus!
hier gibbt's niſcht!
Loth. Aber Frau...Sie werden doch...ich...
ich heiße Loth, bin...wünſche zu...habe auch nicht
die Ab....
Miele. A wull ock a Herr Inſchinnär ſprechen.
Frau Krauſe. Beim Schwiegerſuhne batteln:
doas kenn' mer ſchunn. — A hoot au niſcht, a hoot's au
ock vu ins, niſcht iis ſeine! (Die Thür rechts wird aufgemacht.
Hoffmann ſteckt den Kopf heraus.)
Hoffmann. Schwiegermama! — Ich muß doch
bitten... (er tritt heraus, wendet ſich an Loth) Was ſteht zu...
Alfred!!! Kerl!!! Wahrhaftig 'n Gott Du!? Das
iſt aber 'mal...nein das is doch 'mal 'n Gedanke!

(Hoffmann iſt etwa dreiunddreißig alt, ſchlank, groß, hager. Er kleidet ſich
nach der neueſten Mode, iſt elegant friſirt, trägt koſtbare Ringe, Brillantknöpfe
im Vorhemd und Berloques an der Uhrkette. Kopfhaar und Schnurrbart ſchwarz,
der letztere ſehr üppig, äußerſt ſorgfältig gepflegt. Geſicht ſpitz, vogelartig.
Ausdruck verſchwommen, Augen ſchwarz, lebhaft zuweilen unruhig.)
Loth. Ich bin nämlich ganz zufällig....
Hoffmann (aufgeregt): Etwas Lieberes...nun aber
zunächſt leg ab! (Er verſucht ihm das Umhängetäſchchen abzunehmen.)
Etwas Lieberes und ſo Unerwartetes hätte mir jetzt (er hat
ihm Hut und Stock abgenommen und legt Beides auf einen Stuhl neben der Thür)

hätte mir jetzt entſchieden nicht paſſiren können, (indem er
zurückkommt:)
ent....ſchieden nicht.
Loth (ſich ſelbſt das Täſchchen abnehmend). Ich bin nämlich
— nur ſo per Zufall auf Dich (er legt das Täſchchen auf den
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[8/0014] bärtchen, ſein ganzes Geſicht iſt knochig und hat einen gleichmäßig ernſten Aus- druck. Er iſt ordentlich, jedoch nichts weniger als modern gekleidet. Sommer- paletot, Umhängetäſchchen, Stock.) Miele. Bitte! Ich werde den Herrn Inſchinnär glei ruffen. Wolln Sie nich Platz nehmen?! (Die Glas- thür zum Wintergarten wird heftig aufgeſtoßen; ein Bauernweib, im Geſicht blauroth vor Wuth, ſtürzt herein, ſie iſt nicht viel beſſer als eine Waſchfrau gekleidet. Nackte, rothe Arme, blauer Kattunrock und Mieder, rothes punktirtes Bruſttuch. Alter: Anfang 40, Geſicht hart, ſinnlich, bösartig. Die ganze Ge- ſtalt ſonſt gut conſervirt.) Frau Krauſe (ſchreit). Ihr Madel!!...Richtig!.. Doas Loſter vu Froovulk!...Naus!!! mir gahn niſcht!... (halb zu Miele, halb zu Loth:) a koan orbeita, a hoot Oarme. Naus! hier gibbt's niſcht! Loth. Aber Frau...Sie werden doch...ich... ich heiße Loth, bin...wünſche zu...habe auch nicht die Ab.... Miele. A wull ock a Herr Inſchinnär ſprechen. Frau Krauſe. Beim Schwiegerſuhne batteln: doas kenn' mer ſchunn. — A hoot au niſcht, a hoot's au ock vu ins, niſcht iis ſeine! (Die Thür rechts wird aufgemacht. Hoffmann ſteckt den Kopf heraus.) Hoffmann. Schwiegermama! — Ich muß doch bitten...(er tritt heraus, wendet ſich an Loth) Was ſteht zu... Alfred!!! Kerl!!! Wahrhaftig 'n Gott Du!? Das iſt aber 'mal...nein das is doch 'mal 'n Gedanke! (Hoffmann iſt etwa dreiunddreißig alt, ſchlank, groß, hager. Er kleidet ſich nach der neueſten Mode, iſt elegant friſirt, trägt koſtbare Ringe, Brillantknöpfe im Vorhemd und Berloques an der Uhrkette. Kopfhaar und Schnurrbart ſchwarz, der letztere ſehr üppig, äußerſt ſorgfältig gepflegt. Geſicht ſpitz, vogelartig. Ausdruck verſchwommen, Augen ſchwarz, lebhaft zuweilen unruhig.) Loth. Ich bin nämlich ganz zufällig.... Hoffmann (aufgeregt): Etwas Lieberes...nun aber zunächſt leg ab! (Er verſucht ihm das Umhängetäſchchen abzunehmen.) Etwas Lieberes und ſo Unerwartetes hätte mir jetzt (er hat ihm Hut und Stock abgenommen und legt Beides auf einen Stuhl neben der Thür) hätte mir jetzt entſchieden nicht paſſiren können, (indem er zurückkommt:) ent....ſchieden nicht. Loth (ſich ſelbſt das Täſchchen abnehmend). Ich bin nämlich — nur ſo per Zufall auf Dich (er legt das Täſchchen auf den Tiſch im Vordergrund). Hoffmann. Setz' Dich! Du mußt müde ſein, ſetz' Dich — bitte. Weißt De noch? wenn Du mich

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Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Vor Sonnenaufgang. Berlin, 1889, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_sonnenaufgang_1889/14>, abgerufen am 29.03.2024.