Hauptmann, Gerhart: Vor Sonnenaufgang. Berlin, 1889.grunde und ergreift den Hirschfänger sammt Gehänge, der an dem Hirschgeweih über Dohie hä, biin iich nee adem Sopha befestigt ist. Sie verbirgt ihn und hält sich still im dunklen Vordergrund, bis Eduard, aus Hoffmanns Zimmer kommend, zur Mittelthür hinaus ist. Die Stimme des Bauern, immer deutlicher: hibscher Moan? Auf diese Laute, wie auf ein Signal hin, springt Dohie hä,Helene auf und verschwindet ihrerseits in Hoffmanns Zimmer. Das Haupt- zimmer ist leer, und man hört fortgesetzt die Stimme des Bauern: hoa iich nee die schinsten Zähne, hä? Hoa iich nee a hibsch Gittla? Miele kommt durch die Mittelthür. Sie blickt suchend Freilein Helene! umher und ruft: und wieder: FreileinHelene! Dazwischen die Stimme des Bauern: 's Gald iis mei--ne!Jetzt ist Miele ohne weiteres Zögern in Hoffmanns Zimmer verschwunden, Dohie hä? Hoa iich nee adessen Thüre sie offen läßt. Im nächsten Augenblick stürzt sie heraus mit den Zeichen eines wahnsinnigen Schrecks; schreiend dreht sie sich zwei -- dreimal um sich selber, schreiend jagt sie durch die Mittelthür. Ihr ununterbrochenes Schreien, mit der Entfernung immer schwächer werdend, ist noch einige weitere Secunden vernehmlich. Man hört nun die schwere Hausthüre aufgehen und dröhnend ins Schloß fallen, das Schrittegeräusch des im Hausflur herum- taumelnden Bauern, schließlich seine rohe, näselnde, lallende Trinkerstimme ganz aus der Nähe durch den Raum gellen: poar hibsche Tächter? (Der Vorhang fällt schnell.) Alle Rechte vorbehalten. Druck von Wilhelm & Brasch. Berlin SW. grunde und ergreift den Hirſchfänger ſammt Gehänge, der an dem Hirſchgeweih über Dohie hä, biin iich nee adem Sopha befeſtigt iſt. Sie verbirgt ihn und hält ſich ſtill im dunklen Vordergrund, bis Eduard, aus Hoffmanns Zimmer kommend, zur Mittelthür hinaus iſt. Die Stimme des Bauern, immer deutlicher: hibſcher Moan? Auf dieſe Laute, wie auf ein Signal hin, ſpringt Dohie hä,Helene auf und verſchwindet ihrerſeits in Hoffmanns Zimmer. Das Haupt- zimmer iſt leer, und man hört fortgeſetzt die Stimme des Bauern: hoa iich nee die ſchinſten Zähne, hä? Hoa iich nee a hibſch Gittla? Miele kommt durch die Mittelthür. Sie blickt ſuchend Freilein Helene! umher und ruft: und wieder: FreileinHelene! Dazwiſchen die Stimme des Bauern: 's Gald iis mei—ne!Jetzt iſt Miele ohne weiteres Zögern in Hoffmanns Zimmer verſchwunden, Dohie hä? Hoa iich nee adeſſen Thüre ſie offen läßt. Im nächſten Augenblick ſtürzt ſie heraus mit den Zeichen eines wahnſinnigen Schrecks; ſchreiend dreht ſie ſich zwei — dreimal um ſich ſelber, ſchreiend jagt ſie durch die Mittelthür. Ihr ununterbrochenes Schreien, mit der Entfernung immer ſchwächer werdend, iſt noch einige weitere Secunden vernehmlich. Man hört nun die ſchwere Hausthüre aufgehen und dröhnend ins Schloß fallen, das Schrittegeräuſch des im Hausflur herum- taumelnden Bauern, ſchließlich ſeine rohe, näſelnde, lallende Trinkerſtimme ganz aus der Nähe durch den Raum gellen: poar hibſche Tächter? (Der Vorhang fällt ſchnell.) Alle Rechte vorbehalten. Druck von Wilhelm & Braſch. Berlin SW. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><stage><pb facs="#f0112" n="106"/> grunde und ergreift den Hirſchfänger ſammt Gehänge, der an dem Hirſchgeweih über<lb/> dem Sopha befeſtigt iſt. Sie verbirgt ihn und hält ſich ſtill im dunklen Vordergrund,<lb/> bis Eduard, aus Hoffmanns Zimmer kommend, zur Mittelthür hinaus iſt. Die<lb/> Stimme des Bauern, immer deutlicher:</stage><hi rendition="#g">Dohie hä</hi>, <hi rendition="#g">biin iich nee a<lb/> hibſcher Moan</hi>? <stage>Auf dieſe Laute, wie auf ein Signal hin, ſpringt<lb/> Helene auf und verſchwindet ihrerſeits in Hoffmanns Zimmer. 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grunde und ergreift den Hirſchfänger ſammt Gehänge, der an dem Hirſchgeweih über
dem Sopha befeſtigt iſt. Sie verbirgt ihn und hält ſich ſtill im dunklen Vordergrund,
bis Eduard, aus Hoffmanns Zimmer kommend, zur Mittelthür hinaus iſt. Die
Stimme des Bauern, immer deutlicher: Dohie hä, biin iich nee a
hibſcher Moan? Auf dieſe Laute, wie auf ein Signal hin, ſpringt
Helene auf und verſchwindet ihrerſeits in Hoffmanns Zimmer. Das Haupt-
zimmer iſt leer, und man hört fortgeſetzt die Stimme des Bauern: Dohie hä,
hoa iich nee die ſchinſten Zähne, hä? Hoa iich nee a
hibſch Gittla? Miele kommt durch die Mittelthür. Sie blickt ſuchend
umher und ruft: Freilein Helene! und wieder: Freilein
Helene! Dazwiſchen die Stimme des Bauern: 's Gald iis mei—ne!
Jetzt iſt Miele ohne weiteres Zögern in Hoffmanns Zimmer verſchwunden,
deſſen Thüre ſie offen läßt. Im nächſten Augenblick ſtürzt ſie heraus mit den
Zeichen eines wahnſinnigen Schrecks; ſchreiend dreht ſie ſich zwei — dreimal
um ſich ſelber, ſchreiend jagt ſie durch die Mittelthür. Ihr ununterbrochenes
Schreien, mit der Entfernung immer ſchwächer werdend, iſt noch einige weitere
Secunden vernehmlich. Man hört nun die ſchwere Hausthüre aufgehen und
dröhnend ins Schloß fallen, das Schrittegeräuſch des im Hausflur herum-
taumelnden Bauern, ſchließlich ſeine rohe, näſelnde, lallende Trinkerſtimme ganz
aus der Nähe durch den Raum gellen: Dohie hä? Hoa iich nee a
poar hibſche Tächter?
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