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Hauptmann, Gerhart: Vor Sonnenaufgang. Berlin, 1889.

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Loth. Wie sollt ich wohl dazu nicht entschlossen sein?
Dr. Schimmelpfennig. Ich kann Dir als Arzt
noch sagen, daß Fälle bekannt sind, wo solche vererbte
Uebel unterdrückt worden sind, und Du würdest ja gewiß
Deinen Kindern eine rationelle Erziehung geben.
Loth. Es mögen solche Fälle vorkommen.
Dr. Schimmelpfennig. Und die Wahrscheinlichkeit
ist vielleicht nicht so gering, daß...
Loth. Das kann uns nichts helfen, Schimmel.
So steht es: es giebt drei Möglichkeiten! entweder ich
heirathe sie, und dann....nein, dieser Ausweg existirt
überhaupt nicht. Oder -- die bewußte Kugel. Na ja,
dann hätte man wenigstens Ruhe. Aber nein! so weit
sind wir noch nicht, so was kann man sich einstweilen
noch nicht leisten -- also: Leben! kämpfen! -- Weiter
immer weiter. (Sein Blick fällt auf den Tisch, er bemerkt, das von Eduard
zurecht gestellte Schreibzeug, setzt sich, ergreift die Feder, zaudert, und sagt.)

Oder am Ende...?
Dr. Schimmelpfennig. Ich verspreche Dir, ihr
die Lage so deutlich als möglich vorzustellen.
Loth. Ja, ja! -- nur eben....ich kann nicht
anders. (Er schreibt, adressirt und cuvertirt. Er steht auf und reicht
Schimmelpfennig die Hand.)
Im Uebrigen verlasse ich mich --
auf Dich.
Dr. Schimmelpfennig. Du gehst zu mir, wie?
Mein Kutscher soll Dich zu mir fahren.
Loth. Sag mal, sollte man denn nicht wenigstens
versuchen -- sie aus den Händen dieses...dieses
Menschen zu ziehen?....Auf diese Weise wird sie
doch unfehlbar noch seine Beute.
Dr. Schimmelpfennig. Guter, bedauernswür-
diger Kerl! Soll ich Dir was rathen? Nimm ihr
nicht das....das Wenige, was Du ihr noch übrig läßt.
Loth (tiefer Seufzer). Qual über....hast vielleicht --
Recht -- ja wohl, unbedingt sogar.

(Man hört Jemand hastig die Treppe herunter kommen, im nächsten
Augenblick stürzt Hoffmann herein.)
Loth. Wie ſollt ich wohl dazu nicht entſchloſſen ſein?
Dr. Schimmelpfennig. Ich kann Dir als Arzt
noch ſagen, daß Fälle bekannt ſind, wo ſolche vererbte
Uebel unterdrückt worden ſind, und Du würdeſt ja gewiß
Deinen Kindern eine rationelle Erziehung geben.
Loth. Es mögen ſolche Fälle vorkommen.
Dr. Schimmelpfennig. Und die Wahrſcheinlichkeit
iſt vielleicht nicht ſo gering, daß...
Loth. Das kann uns nichts helfen, Schimmel.
So ſteht es: es giebt drei Möglichkeiten! entweder ich
heirathe ſie, und dann....nein, dieſer Ausweg exiſtirt
überhaupt nicht. Oder — die bewußte Kugel. Na ja,
dann hätte man wenigſtens Ruhe. Aber nein! ſo weit
ſind wir noch nicht, ſo was kann man ſich einſtweilen
noch nicht leiſten — alſo: Leben! kämpfen! — Weiter
immer weiter. (Sein Blick fällt auf den Tiſch, er bemerkt, das von Eduard
zurecht geſtellte Schreibzeug, ſetzt ſich, ergreift die Feder, zaudert, und ſagt.)

Oder am Ende...?
Dr. Schimmelpfennig. Ich verſpreche Dir, ihr
die Lage ſo deutlich als möglich vorzuſtellen.
Loth. Ja, ja! — nur eben....ich kann nicht
anders. (Er ſchreibt, adreſſirt und cuvertirt. Er ſteht auf und reicht
Schimmelpfennig die Hand.)
Im Uebrigen verlaſſe ich mich —
auf Dich.
Dr. Schimmelpfennig. Du gehſt zu mir, wie?
Mein Kutſcher ſoll Dich zu mir fahren.
Loth. Sag mal, ſollte man denn nicht wenigſtens
verſuchen — ſie aus den Händen dieſes...dieſes
Menſchen zu ziehen?....Auf dieſe Weiſe wird ſie
doch unfehlbar noch ſeine Beute.
Dr. Schimmelpfennig. Guter, bedauernswür-
diger Kerl! Soll ich Dir was rathen? Nimm ihr
nicht das....das Wenige, was Du ihr noch übrig läßt.
Loth (tiefer Seufzer). Qual über....haſt vielleicht —
Recht — ja wohl, unbedingt ſogar.

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[103/0109] Loth. Wie ſollt ich wohl dazu nicht entſchloſſen ſein? Dr. Schimmelpfennig. Ich kann Dir als Arzt noch ſagen, daß Fälle bekannt ſind, wo ſolche vererbte Uebel unterdrückt worden ſind, und Du würdeſt ja gewiß Deinen Kindern eine rationelle Erziehung geben. Loth. Es mögen ſolche Fälle vorkommen. Dr. Schimmelpfennig. Und die Wahrſcheinlichkeit iſt vielleicht nicht ſo gering, daß... Loth. Das kann uns nichts helfen, Schimmel. So ſteht es: es giebt drei Möglichkeiten! entweder ich heirathe ſie, und dann....nein, dieſer Ausweg exiſtirt überhaupt nicht. Oder — die bewußte Kugel. Na ja, dann hätte man wenigſtens Ruhe. Aber nein! ſo weit ſind wir noch nicht, ſo was kann man ſich einſtweilen noch nicht leiſten — alſo: Leben! kämpfen! — Weiter immer weiter. (Sein Blick fällt auf den Tiſch, er bemerkt, das von Eduard zurecht geſtellte Schreibzeug, ſetzt ſich, ergreift die Feder, zaudert, und ſagt.) Oder am Ende...? Dr. Schimmelpfennig. Ich verſpreche Dir, ihr die Lage ſo deutlich als möglich vorzuſtellen. Loth. Ja, ja! — nur eben....ich kann nicht anders. (Er ſchreibt, adreſſirt und cuvertirt. Er ſteht auf und reicht Schimmelpfennig die Hand.) Im Uebrigen verlaſſe ich mich — auf Dich. Dr. Schimmelpfennig. Du gehſt zu mir, wie? Mein Kutſcher ſoll Dich zu mir fahren. Loth. Sag mal, ſollte man denn nicht wenigſtens verſuchen — ſie aus den Händen dieſes...dieſes Menſchen zu ziehen?....Auf dieſe Weiſe wird ſie doch unfehlbar noch ſeine Beute. Dr. Schimmelpfennig. Guter, bedauernswür- diger Kerl! Soll ich Dir was rathen? Nimm ihr nicht das....das Wenige, was Du ihr noch übrig läßt. Loth (tiefer Seufzer). Qual über....haſt vielleicht — Recht — ja wohl, unbedingt ſogar. (Man hört Jemand haſtig die Treppe herunter kommen, im nächſten Augenblick ſtürzt Hoffmann herein.)

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Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Vor Sonnenaufgang. Berlin, 1889, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_sonnenaufgang_1889/109>, abgerufen am 25.11.2024.