Hauptmann, Gerhart: Der Apostel. Bahnwärter Thiel. Novellistische Studien. Berlin, 1892.die Stärke seiner Vorstellungskraft beunruhigen Ein Mädchen in blauen Kattun, mit einem Sofort war alles in ihm verstummt. Weit die Stärke ſeiner Vorſtellungskraft beunruhigen Ein Mädchen in blauen Kattun, mit einem Sofort war alles in ihm verſtummt. Weit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0093" n="79"/> die Stärke ſeiner Vorſtellungskraft beunruhigen<lb/> oder erfreuen. Ohne Zweifel war es eine Fähig¬<lb/> keit. Er hatte die Fähigkeit zur Muſik. Er würde<lb/> ſicher große Compoſitionen geſchaffen haben.<lb/> Wie viele Fähigkeiten mochten überhaupt in ihm<lb/> erſtickt worden ſein. Übrigens war das gleich¬<lb/> giltig. Alle Kunſt war Unſinn, Gift. Es gab<lb/> andere, wichtigere Dinge für ihn zu thun.</p><lb/> <p>Ein Mädchen in blauen Kattun, mit einem<lb/> roſa Bruſttuch, eine Kanne aus Blech in der<lb/> Hand, welches augenſcheinlich Milch austrug,<lb/> kam ihm entgegen. Er hatte ſie mit dem Blick<lb/> geſtreift und bemerkt, wie ſie erſtaunt über ſeinen<lb/> Anblick ſtill ſtand und groß auf ihn blickte. Sie<lb/> grüßte dann kleinlaut mit ehrfürchtiger Betonung<lb/> und er ging gemeſſen und ernſt dankend an ihr<lb/> vorüber.</p><lb/> <p>Sofort war alles in ihm verſtummt. Weit<lb/> hinaus wuchs er im Augenblick über ſeine bis¬<lb/> herigen, kleinen Vorſtellungen. Wenn er noch<lb/> etwas wie Muſik in ſeinem Ohre trug, ſo war<lb/> es jedenfalls keine irdiſche Melodie. Mit einer<lb/> Empfindung ſchritt er, wie wenn er trockenen<lb/> Fußes über Waſſer ginge. So hehr und groß<lb/> kam er ſich vor, daß er ſich ſelbſt zur Demut<lb/> ermahnte; und wie er das that, mußte er ſich<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [79/0093]
die Stärke ſeiner Vorſtellungskraft beunruhigen
oder erfreuen. Ohne Zweifel war es eine Fähig¬
keit. Er hatte die Fähigkeit zur Muſik. Er würde
ſicher große Compoſitionen geſchaffen haben.
Wie viele Fähigkeiten mochten überhaupt in ihm
erſtickt worden ſein. Übrigens war das gleich¬
giltig. Alle Kunſt war Unſinn, Gift. Es gab
andere, wichtigere Dinge für ihn zu thun.
Ein Mädchen in blauen Kattun, mit einem
roſa Bruſttuch, eine Kanne aus Blech in der
Hand, welches augenſcheinlich Milch austrug,
kam ihm entgegen. Er hatte ſie mit dem Blick
geſtreift und bemerkt, wie ſie erſtaunt über ſeinen
Anblick ſtill ſtand und groß auf ihn blickte. Sie
grüßte dann kleinlaut mit ehrfürchtiger Betonung
und er ging gemeſſen und ernſt dankend an ihr
vorüber.
Sofort war alles in ihm verſtummt. Weit
hinaus wuchs er im Augenblick über ſeine bis¬
herigen, kleinen Vorſtellungen. Wenn er noch
etwas wie Muſik in ſeinem Ohre trug, ſo war
es jedenfalls keine irdiſche Melodie. Mit einer
Empfindung ſchritt er, wie wenn er trockenen
Fußes über Waſſer ginge. So hehr und groß
kam er ſich vor, daß er ſich ſelbſt zur Demut
ermahnte; und wie er das that, mußte er ſich
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