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Hauptmann, Gerhart: Der Apostel. Bahnwärter Thiel. Novellistische Studien. Berlin, 1892.

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Ueber sie her einfältiges, katholisches Aveglocken-
Gebimmel. Er selbst bestaubt, müde, hungernd,
dürstend. Er schreitet langsam, die Leute knieen
am Wegrand, sie falten die Hände, sie beten ihn
an. Ihm ist weich, ihm ist groß.

Er lag, und hing an dem Bilde. Fieber,
Wollust, göttliche Hoheitsschauer wühlten in
ihm. Er erhob sich Gott gleich.

Nun war er bestürzt, als er die Augen auf¬
that. Wie eine Säule aus Wasser brach es
zusammen und verrann.

Sich selbst fragend und zur Rede stellend,
drang er ins Waldinnere. Er machte sich Vor¬
würfe über sein verzücktes Träumen; es kam
wider seinen Willen und Entschluß. Die Wucht
seiner Gefühle machte ihm bange, dennoch aber,
es konnte sein, daß seine nagende Angst ohne
Grund war.

Uebrigens wuchs die Angst, obgleich es ihm
jetzt gerade ganz klar wurde, daß sie grund¬
los war.

Sie hatten ihn wirklich verehrt, die Italiener,
deren Dörfer er zu Fuß durchzogen hatte. Sie
waren gekommen, um ihre Kinder von ihm
segnen zu lassen. Warum sollte er nicht segnen,
wenn andere Priester segnen durften? Er hatte

Ueber ſie her einfältiges, katholiſches Aveglocken-
Gebimmel. Er ſelbſt beſtaubt, müde, hungernd,
dürſtend. Er ſchreitet langſam, die Leute knieen
am Wegrand, ſie falten die Hände, ſie beten ihn
an. Ihm iſt weich, ihm iſt groß.

Er lag, und hing an dem Bilde. Fieber,
Wolluſt, göttliche Hoheitsſchauer wühlten in
ihm. Er erhob ſich Gott gleich.

Nun war er beſtürzt, als er die Augen auf¬
that. Wie eine Säule aus Waſſer brach es
zuſammen und verrann.

Sich ſelbſt fragend und zur Rede ſtellend,
drang er ins Waldinnere. Er machte ſich Vor¬
würfe über ſein verzücktes Träumen; es kam
wider ſeinen Willen und Entſchluß. Die Wucht
ſeiner Gefühle machte ihm bange, dennoch aber,
es konnte ſein, daß ſeine nagende Angſt ohne
Grund war.

Uebrigens wuchs die Angſt, obgleich es ihm
jetzt gerade ganz klar wurde, daß ſie grund¬
los war.

Sie hatten ihn wirklich verehrt, die Italiener,
deren Dörfer er zu Fuß durchzogen hatte. Sie
waren gekommen, um ihre Kinder von ihm
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[74/0088] Ueber ſie her einfältiges, katholiſches Aveglocken- Gebimmel. Er ſelbſt beſtaubt, müde, hungernd, dürſtend. Er ſchreitet langſam, die Leute knieen am Wegrand, ſie falten die Hände, ſie beten ihn an. Ihm iſt weich, ihm iſt groß. Er lag, und hing an dem Bilde. Fieber, Wolluſt, göttliche Hoheitsſchauer wühlten in ihm. Er erhob ſich Gott gleich. Nun war er beſtürzt, als er die Augen auf¬ that. Wie eine Säule aus Waſſer brach es zuſammen und verrann. Sich ſelbſt fragend und zur Rede ſtellend, drang er ins Waldinnere. Er machte ſich Vor¬ würfe über ſein verzücktes Träumen; es kam wider ſeinen Willen und Entſchluß. Die Wucht ſeiner Gefühle machte ihm bange, dennoch aber, es konnte ſein, daß ſeine nagende Angſt ohne Grund war. Uebrigens wuchs die Angſt, obgleich es ihm jetzt gerade ganz klar wurde, daß ſie grund¬ los war. Sie hatten ihn wirklich verehrt, die Italiener, deren Dörfer er zu Fuß durchzogen hatte. Sie waren gekommen, um ihre Kinder von ihm ſegnen zu laſſen. Warum ſollte er nicht ſegnen, wenn andere Prieſter ſegnen durften? Er hatte

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Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Der Apostel. Bahnwärter Thiel. Novellistische Studien. Berlin, 1892, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_bahnwaerter_1892/88>, abgerufen am 04.12.2024.