Hauptmann, Gerhart: Der Apostel. Bahnwärter Thiel. Novellistische Studien. Berlin, 1892.aus, flehend, beschwörend. Er strengte seine Die Sonne goß ihre letzte Glut über den aus, flehend, beſchwörend. Er ſtrengte ſeine Die Sonne goß ihre letzte Glut über den <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0066" n="54"/> aus, flehend, beſchwörend. Er ſtrengte ſeine<lb/> Augen an und beſchattete ſie mit der Hand,<lb/> wie um noch einmal in weiter Ferne das Weſen¬<lb/> loſe zu entdecken. Schließlich ſank die Hand,<lb/> und der geſpannte Ausdruck ſeines Geſichts<lb/> verkehrte ſich in ſtumpfe Ausdrucksloſigkeit, er<lb/> wandte ſich und ſchleppte ſich den Weg zurück,<lb/> den er gekommen.</p><lb/> <p>Die Sonne goß ihre letzte Glut über den<lb/> Forſt, dann erloſch ſie, die Stämme der Kiefern<lb/> ſtreckten ſich wie bleiches, verweſtes Gebein<lb/> zwiſchen die Wipfel hinein, die wie grauſchwarze<lb/> Moderſchichten auf ihnen laſteten. Das Häm¬<lb/> mern eines Spechtes durchdrang die Stille.<lb/> Durch den kalten, ſtahlblauen Himmelsraum<lb/> ging ein einziges verſpätetes Roſengewölk. Der<lb/> Windhauch wurde kellerkalt, ſo daß es den<lb/> Wärter fröſtelte. Alles war ihm neu, alles<lb/> fremd. Er wußte nicht, was das war, worauf<lb/> er ging, oder das, was ihn umgab. Da huſchte<lb/> ein Eichhorn über die Strecke, und Thiel beſann<lb/> ſich, er mußte an den lieben Gott denken, ohne<lb/> zu wiſſen warum. „Der liebe Gott ſpringt<lb/> über den Weg, der liebe Gott ſpringt über den<lb/> Weg.“ Er wiederholte dieſen Satz mehrmals.<lb/> gleichſam, um auf etwas zu kommen, das da¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [54/0066]
aus, flehend, beſchwörend. Er ſtrengte ſeine
Augen an und beſchattete ſie mit der Hand,
wie um noch einmal in weiter Ferne das Weſen¬
loſe zu entdecken. Schließlich ſank die Hand,
und der geſpannte Ausdruck ſeines Geſichts
verkehrte ſich in ſtumpfe Ausdrucksloſigkeit, er
wandte ſich und ſchleppte ſich den Weg zurück,
den er gekommen.
Die Sonne goß ihre letzte Glut über den
Forſt, dann erloſch ſie, die Stämme der Kiefern
ſtreckten ſich wie bleiches, verweſtes Gebein
zwiſchen die Wipfel hinein, die wie grauſchwarze
Moderſchichten auf ihnen laſteten. Das Häm¬
mern eines Spechtes durchdrang die Stille.
Durch den kalten, ſtahlblauen Himmelsraum
ging ein einziges verſpätetes Roſengewölk. Der
Windhauch wurde kellerkalt, ſo daß es den
Wärter fröſtelte. Alles war ihm neu, alles
fremd. Er wußte nicht, was das war, worauf
er ging, oder das, was ihn umgab. Da huſchte
ein Eichhorn über die Strecke, und Thiel beſann
ſich, er mußte an den lieben Gott denken, ohne
zu wiſſen warum. „Der liebe Gott ſpringt
über den Weg, der liebe Gott ſpringt über den
Weg.“ Er wiederholte dieſen Satz mehrmals.
gleichſam, um auf etwas zu kommen, das da¬
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |