Hauptmann, Gerhart: Der Apostel. Bahnwärter Thiel. Novellistische Studien. Berlin, 1892.-- in unzählbaren sich überhastenden Stößen Thiel trat vor, um die Strecke überschauen Die einsame Strecke belebte sich. Zugführer — in unzählbaren ſich überhaſtenden Stößen Thiel trat vor, um die Strecke überſchauen Die einſame Strecke belebte ſich. Zugführer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0057" n="45"/> — in unzählbaren ſich überhaſtenden Stößen<lb/> fauchte der Dampf aus dem ſchwarzen Maſchinen¬<lb/> ſchlote. Da: ein — zwei — drei milchweiße<lb/> Dampfſtrahlen quollen kerzengerade empor, und<lb/> gleich darauf brachte die Luft den Pfiff der<lb/> Maſchine getragen. Dreimal hintereinander,<lb/> kurz, grell, beängſtigend. Sie bremſen, dachte<lb/> Thiel, warum nur? und wieder gellten die Not¬<lb/> pfiffe ſchreiend, den Widerhall weckend, diesmal<lb/> in langer ununterbrochener Reihe.</p><lb/> <p>Thiel trat vor, um die Strecke überſchauen<lb/> zu können; mechaniſch zog er die rote Fahne<lb/> aus dem Futteral und hielt ſie gerade vor ſich<lb/> hin über die Geleiſe. — „Jeſus Chriſtus!“ war<lb/> er blind geweſen? „Jeſus Chriſtus — o Jeſus,<lb/> Jeſus, Jeſus Chriſtus!“ was war das? Dort!<lb/> — dort zwiſchen den Schienen ... „Ha — alt!“<lb/> ſchrie der Wärter aus Leibeskräften. Zu ſpät;<lb/> eine dunkle Maſſe war unter den Zug geraten<lb/> und wurde zwiſchen den Rädern deſſelben wie<lb/> ein Gummiball hin und her geworfen. Noch<lb/> einige Augenblicke und man hörte das Knarren<lb/> und Quietſchen der Bremſen. Der Zug ſtand.</p><lb/> <p>Die einſame Strecke belebte ſich. Zugführer<lb/> und Schaffner rannten über den Kies nach dem<lb/> Ende des Zuges. Aus jedem Fenſter blickten<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [45/0057]
— in unzählbaren ſich überhaſtenden Stößen
fauchte der Dampf aus dem ſchwarzen Maſchinen¬
ſchlote. Da: ein — zwei — drei milchweiße
Dampfſtrahlen quollen kerzengerade empor, und
gleich darauf brachte die Luft den Pfiff der
Maſchine getragen. Dreimal hintereinander,
kurz, grell, beängſtigend. Sie bremſen, dachte
Thiel, warum nur? und wieder gellten die Not¬
pfiffe ſchreiend, den Widerhall weckend, diesmal
in langer ununterbrochener Reihe.
Thiel trat vor, um die Strecke überſchauen
zu können; mechaniſch zog er die rote Fahne
aus dem Futteral und hielt ſie gerade vor ſich
hin über die Geleiſe. — „Jeſus Chriſtus!“ war
er blind geweſen? „Jeſus Chriſtus — o Jeſus,
Jeſus, Jeſus Chriſtus!“ was war das? Dort!
— dort zwiſchen den Schienen ... „Ha — alt!“
ſchrie der Wärter aus Leibeskräften. Zu ſpät;
eine dunkle Maſſe war unter den Zug geraten
und wurde zwiſchen den Rädern deſſelben wie
ein Gummiball hin und her geworfen. Noch
einige Augenblicke und man hörte das Knarren
und Quietſchen der Bremſen. Der Zug ſtand.
Die einſame Strecke belebte ſich. Zugführer
und Schaffner rannten über den Kies nach dem
Ende des Zuges. Aus jedem Fenſter blickten
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Zitationshilfe: | Hauptmann, Gerhart: Der Apostel. Bahnwärter Thiel. Novellistische Studien. Berlin, 1892, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_bahnwaerter_1892/57>, abgerufen am 30.07.2024. |