Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Euch nicht obenan setzen an meine Seite? O Gott, wie mich das freut! Der hölzerne Weingott, so indessen wieder um ein Erkleckliches gewachsen, warf mürrische Blicke bald auf den steinernen Roland, bald auf die naive Dame seines Herzens, die ihre Freude so laut und unverhohlen ausgelassen. Er murmelte etwas von ungebetenen Gästen und strampelte ungeduldig mit den Beinen. Aber Rose drückte ihm unter dem Tische die Hand und beschwichtigte ihn durch süße Blicke. Die Apostel waren näher zusammengerückt und hatten dem steinernen Gast einen Stuhl neben dem alten Fräulein eingeräumt. Er legte Schwert und Schild in die Ecke und setzte sich ziemlich ungelenk auf das Stühlchen, aber ach! dies war für ehrsame Bremer Stadtkinder und nicht für einen steinernen Riesen gemacht, es knackte, als er sich setzte, morsch zusammen, und so lang er war, lag er im Gemach. Schnödes Geschlecht, das solche Hütschen zimmert, worauf zu meiner Zeit nicht einmal ein zartes Fräulein hätte sitzen können, ohne mit dem Sitz durchzubrechen! sagte der Heros und stand langsam auf; der Kellermeister Balthasar aber rollte ein Halbeimerfaß herbei an den Tisch und lud den Ritter ein, Platz zu nehmen. Es knackten nur ein paar Dauben, als er sich setzte, aber das Faß hielt aus. Dann bot ihm der Kellermeister ein großes Römerglas mit Wein, er faßte es mit der breiten steinernen Faust, aber krach! war Euch nicht obenan setzen an meine Seite? O Gott, wie mich das freut! Der hölzerne Weingott, so indessen wieder um ein Erkleckliches gewachsen, warf mürrische Blicke bald auf den steinernen Roland, bald auf die naive Dame seines Herzens, die ihre Freude so laut und unverhohlen ausgelassen. Er murmelte etwas von ungebetenen Gästen und strampelte ungeduldig mit den Beinen. Aber Rose drückte ihm unter dem Tische die Hand und beschwichtigte ihn durch süße Blicke. Die Apostel waren näher zusammengerückt und hatten dem steinernen Gast einen Stuhl neben dem alten Fräulein eingeräumt. Er legte Schwert und Schild in die Ecke und setzte sich ziemlich ungelenk auf das Stühlchen, aber ach! dies war für ehrsame Bremer Stadtkinder und nicht für einen steinernen Riesen gemacht, es knackte, als er sich setzte, morsch zusammen, und so lang er war, lag er im Gemach. Schnödes Geschlecht, das solche Hütschen zimmert, worauf zu meiner Zeit nicht einmal ein zartes Fräulein hätte sitzen können, ohne mit dem Sitz durchzubrechen! sagte der Heros und stand langsam auf; der Kellermeister Balthasar aber rollte ein Halbeimerfaß herbei an den Tisch und lud den Ritter ein, Platz zu nehmen. Es knackten nur ein paar Dauben, als er sich setzte, aber das Faß hielt aus. Dann bot ihm der Kellermeister ein großes Römerglas mit Wein, er faßte es mit der breiten steinernen Faust, aber krach! war <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0064"/> Euch nicht obenan setzen an meine Seite? O Gott, wie mich das freut!</p><lb/> <p>Der hölzerne Weingott, so indessen wieder um ein Erkleckliches gewachsen, warf mürrische Blicke bald auf den steinernen Roland, bald auf die naive Dame seines Herzens, die ihre Freude so laut und unverhohlen ausgelassen. Er murmelte etwas von ungebetenen Gästen und strampelte ungeduldig mit den Beinen. Aber Rose drückte ihm unter dem Tische die Hand und beschwichtigte ihn durch süße Blicke. Die Apostel waren näher zusammengerückt und hatten dem steinernen Gast einen Stuhl neben dem alten Fräulein eingeräumt. Er legte Schwert und Schild in die Ecke und setzte sich ziemlich ungelenk auf das Stühlchen, aber ach! dies war für ehrsame Bremer Stadtkinder und nicht für einen steinernen Riesen gemacht, es knackte, als er sich setzte, morsch zusammen, und so lang er war, lag er im Gemach.</p><lb/> <p>Schnödes Geschlecht, das solche Hütschen zimmert, worauf zu meiner Zeit nicht einmal ein zartes Fräulein hätte sitzen können, ohne mit dem Sitz durchzubrechen! sagte der Heros und stand langsam auf; der Kellermeister Balthasar aber rollte ein Halbeimerfaß herbei an den Tisch und lud den Ritter ein, Platz zu nehmen. Es knackten nur ein paar Dauben, als er sich setzte, aber das Faß hielt aus. Dann bot ihm der Kellermeister ein großes Römerglas mit Wein, er faßte es mit der breiten steinernen Faust, aber krach! war<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0064]
Euch nicht obenan setzen an meine Seite? O Gott, wie mich das freut!
Der hölzerne Weingott, so indessen wieder um ein Erkleckliches gewachsen, warf mürrische Blicke bald auf den steinernen Roland, bald auf die naive Dame seines Herzens, die ihre Freude so laut und unverhohlen ausgelassen. Er murmelte etwas von ungebetenen Gästen und strampelte ungeduldig mit den Beinen. Aber Rose drückte ihm unter dem Tische die Hand und beschwichtigte ihn durch süße Blicke. Die Apostel waren näher zusammengerückt und hatten dem steinernen Gast einen Stuhl neben dem alten Fräulein eingeräumt. Er legte Schwert und Schild in die Ecke und setzte sich ziemlich ungelenk auf das Stühlchen, aber ach! dies war für ehrsame Bremer Stadtkinder und nicht für einen steinernen Riesen gemacht, es knackte, als er sich setzte, morsch zusammen, und so lang er war, lag er im Gemach.
Schnödes Geschlecht, das solche Hütschen zimmert, worauf zu meiner Zeit nicht einmal ein zartes Fräulein hätte sitzen können, ohne mit dem Sitz durchzubrechen! sagte der Heros und stand langsam auf; der Kellermeister Balthasar aber rollte ein Halbeimerfaß herbei an den Tisch und lud den Ritter ein, Platz zu nehmen. Es knackten nur ein paar Dauben, als er sich setzte, aber das Faß hielt aus. Dann bot ihm der Kellermeister ein großes Römerglas mit Wein, er faßte es mit der breiten steinernen Faust, aber krach! war
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