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Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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zurückbringen würden? Sei ruhig, auch er schlummert nur ein Weilchen. -- Und gedenkst du des geheimnißvollen Freudelebens in Großvaters Büchersaal? Ach, damals kanntest du noch keine Bücher als den schnöden kleinen Bröder, deinen ärgsten Feind, wußtest nicht, daß jene Folianten noch zu etwas Anderem in Leder gebunden seien, als um Hütten und Ställe daraus zu erbauen für dich und dein Vieh!

Gedenkst du noch des Frevels, wie roh du mit der deutschen Literatur in kleinerem Format umgingst? Hast du nicht deinem Bruder den Lessing an den Kopf geworfen, wofür er dich freilich mit Sophiens Reisen von Memel nach Sachsen erbärmlich zudeckte? Damals dachtest du freilich nicht daran, daß du einst selbst Bücher machen werdest!

Tauchet auch ihr auf aus dem Nebel verschwundener Jahre, ihr Mauern des alten Schlosses; wie oft dienten deine halbverfallenen Gänge, dein Keller, dein Zwinger, deine Verließe der fröhlichen Schaar zum Tummelplatz ihrer Spiele! Soldaten und Räuber, Nomaden und Karavanen! Wie wohl war uns oft in der untergeordneten Rolle eines Kosaken, während Andere -- Generale, Platow's, Blücher's, Napoleone und dergleichen vorstellten und sich prügelten? Ja, waren wir nicht zu Zeiten sogar ein Pferd, dem Freunde zu Gefallen? O Himmel, wie schön ließ es sich dort spielen!

Wo sind sie hin, die Gespielen deiner Kindheit, die Genossen jener goldenen Tage, wo kein Rang, kein

zurückbringen würden? Sei ruhig, auch er schlummert nur ein Weilchen. — Und gedenkst du des geheimnißvollen Freudelebens in Großvaters Büchersaal? Ach, damals kanntest du noch keine Bücher als den schnöden kleinen Bröder, deinen ärgsten Feind, wußtest nicht, daß jene Folianten noch zu etwas Anderem in Leder gebunden seien, als um Hütten und Ställe daraus zu erbauen für dich und dein Vieh!

Gedenkst du noch des Frevels, wie roh du mit der deutschen Literatur in kleinerem Format umgingst? Hast du nicht deinem Bruder den Lessing an den Kopf geworfen, wofür er dich freilich mit Sophiens Reisen von Memel nach Sachsen erbärmlich zudeckte? Damals dachtest du freilich nicht daran, daß du einst selbst Bücher machen werdest!

Tauchet auch ihr auf aus dem Nebel verschwundener Jahre, ihr Mauern des alten Schlosses; wie oft dienten deine halbverfallenen Gänge, dein Keller, dein Zwinger, deine Verließe der fröhlichen Schaar zum Tummelplatz ihrer Spiele! Soldaten und Räuber, Nomaden und Karavanen! Wie wohl war uns oft in der untergeordneten Rolle eines Kosaken, während Andere — Generale, Platow's, Blücher's, Napoleone und dergleichen vorstellten und sich prügelten? Ja, waren wir nicht zu Zeiten sogar ein Pferd, dem Freunde zu Gefallen? O Himmel, wie schön ließ es sich dort spielen!

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:05:53Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_ratskeller_1910/24>, abgerufen am 22.11.2024.