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Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Rathskeller. Stuttgart, 1827.

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Wie unter ächten alten Trinkern, so wollte
unter diesen Gästen das Gespräch nicht recht
fortgehen ohne Wein; da erschien eine neue
Gestalt in der Thüre. Es war ein kleines,
altes Männlein mit schlotternden Beinen und
grauem Haar; sein Kopf sah aus wie ein Tod¬
tenkopf, über den man eine dünne Haut ge¬
spannt, und seine Augen lagen trübe in den
tiefen Höhlen; er schleppte keuchend einen gro¬
ßen Korb herbei, und grüßte die Gäste demü¬
thig.

"Ha! siehe da, der alte Kellermeister Bal¬
thasar, riefen die Gäste ihm entgegen; frisch
heran, Alter, setz' die Römer auf und bring'
uns Pfeifen! Wo steckst Du nur so lang, es
ist längst Zwölf vorüber."

Der alte Mann gähnte einigemal etwas
unanständig und sah überhaupt aus wie einer,
der zu lange geschlafen. "Hätte beinahe den er¬
sten September verschlafen, krächzte er, ich schlief

Wie unter aͤchten alten Trinkern, ſo wollte
unter dieſen Gaͤſten das Geſpraͤch nicht recht
fortgehen ohne Wein; da erſchien eine neue
Geſtalt in der Thuͤre. Es war ein kleines,
altes Maͤnnlein mit ſchlotternden Beinen und
grauem Haar; ſein Kopf ſah aus wie ein Tod¬
tenkopf, uͤber den man eine duͤnne Haut ge¬
ſpannt, und ſeine Augen lagen truͤbe in den
tiefen Hoͤhlen; er ſchleppte keuchend einen gro¬
ßen Korb herbei, und gruͤßte die Gaͤſte demuͤ¬
thig.

„Ha! ſiehe da, der alte Kellermeiſter Bal¬
thaſar, riefen die Gaͤſte ihm entgegen; friſch
heran, Alter, ſetz' die Roͤmer auf und bring'
uns Pfeifen! Wo ſteckſt Du nur ſo lang, es
iſt laͤngſt Zwoͤlf voruͤber.“

Der alte Mann gaͤhnte einigemal etwas
unanſtaͤndig und ſah uͤberhaupt aus wie einer,
der zu lange geſchlafen. „Haͤtte beinahe den er¬
ſten September verſchlafen, kraͤchzte er, ich ſchlief

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[54/0060] Wie unter aͤchten alten Trinkern, ſo wollte unter dieſen Gaͤſten das Geſpraͤch nicht recht fortgehen ohne Wein; da erſchien eine neue Geſtalt in der Thuͤre. Es war ein kleines, altes Maͤnnlein mit ſchlotternden Beinen und grauem Haar; ſein Kopf ſah aus wie ein Tod¬ tenkopf, uͤber den man eine duͤnne Haut ge¬ ſpannt, und ſeine Augen lagen truͤbe in den tiefen Hoͤhlen; er ſchleppte keuchend einen gro¬ ßen Korb herbei, und gruͤßte die Gaͤſte demuͤ¬ thig. „Ha! ſiehe da, der alte Kellermeiſter Bal¬ thaſar, riefen die Gaͤſte ihm entgegen; friſch heran, Alter, ſetz' die Roͤmer auf und bring' uns Pfeifen! Wo ſteckſt Du nur ſo lang, es iſt laͤngſt Zwoͤlf voruͤber.“ Der alte Mann gaͤhnte einigemal etwas unanſtaͤndig und ſah uͤberhaupt aus wie einer, der zu lange geſchlafen. „Haͤtte beinahe den er¬ ſten September verſchlafen, kraͤchzte er, ich ſchlief

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Zitationshilfe: Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Rathskeller. Stuttgart, 1827, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_phantasien_1827/60>, abgerufen am 05.05.2024.