Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Rathskeller. Stuttgart, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

ders zittert der Ton dieser Mitternachtsglocke
zu mir hernieder, als wenn er am Mittag
durch die hellen klaren Lüfte schallt. Horch!
ging da nicht im Keller eine Thüre? Sonder¬
bar; wenn ich nicht so ganz allein hier unten
wäre, wenn ich nicht wüßte, daß die Menschen
nur oben wandeln, ich würde glauben, es
tönen Schritte durch diese Hallen. -- Ha! es
ist so; es kömmt näher; es tastet an der Thüre
hin und her, es faßt und schüttelt die Klinge;
doch die Thüre ist verschlossen und mit Riegeln
verhängt; mich stört heute Nacht kein Sterb¬
licher
mehr. Ha, was ist das? die Thüre
springt auf! Entsetzen! --


Vor der Thüre standen zwei Männer, und
machten gegenseitig Complimente über den Vor¬
tritt; der eine war ein langer, hagerer Mann,
trug eine große, schwarze Lockenperücke, einen

ders zittert der Ton dieſer Mitternachtsglocke
zu mir hernieder, als wenn er am Mittag
durch die hellen klaren Luͤfte ſchallt. Horch!
ging da nicht im Keller eine Thuͤre? Sonder¬
bar; wenn ich nicht ſo ganz allein hier unten
waͤre, wenn ich nicht wuͤßte, daß die Menſchen
nur oben wandeln, ich wuͤrde glauben, es
toͤnen Schritte durch dieſe Hallen. — Ha! es
iſt ſo; es koͤmmt naͤher; es taſtet an der Thuͤre
hin und her, es faßt und ſchuͤttelt die Klinge;
doch die Thuͤre iſt verſchloſſen und mit Riegeln
verhaͤngt; mich ſtoͤrt heute Nacht kein Sterb¬
licher
mehr. Ha, was iſt das? die Thuͤre
ſpringt auf! Entſetzen! —


Vor der Thuͤre ſtanden zwei Maͤnner, und
machten gegenſeitig Complimente uͤber den Vor¬
tritt; der eine war ein langer, hagerer Mann,
trug eine große, ſchwarze Lockenperuͤcke, einen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0054" n="48"/>
ders zittert der Ton die&#x017F;er Mitternachtsglocke<lb/>
zu mir hernieder, als wenn er am Mittag<lb/>
durch die hellen klaren Lu&#x0364;fte &#x017F;challt. Horch!<lb/>
ging da nicht im Keller eine Thu&#x0364;re? Sonder¬<lb/>
bar; wenn ich nicht &#x017F;o ganz allein hier unten<lb/>
wa&#x0364;re, wenn ich nicht wu&#x0364;ßte, daß die Men&#x017F;chen<lb/>
nur oben wandeln, ich wu&#x0364;rde glauben, es<lb/>
to&#x0364;nen Schritte durch die&#x017F;e Hallen. &#x2014; Ha! es<lb/>
i&#x017F;t &#x017F;o; es ko&#x0364;mmt na&#x0364;her; es ta&#x017F;tet an der Thu&#x0364;re<lb/>
hin und her, es faßt und &#x017F;chu&#x0364;ttelt die Klinge;<lb/>
doch die Thu&#x0364;re i&#x017F;t ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en und mit Riegeln<lb/>
verha&#x0364;ngt; mich &#x017F;to&#x0364;rt heute Nacht <hi rendition="#g">kein Sterb¬<lb/>
licher</hi> mehr. Ha, was i&#x017F;t das? die Thu&#x0364;re<lb/>
&#x017F;pringt auf! Ent&#x017F;etzen! &#x2014;</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Vor der Thu&#x0364;re &#x017F;tanden zwei Ma&#x0364;nner, und<lb/>
machten gegen&#x017F;eitig Complimente u&#x0364;ber den Vor¬<lb/>
tritt; der eine war ein langer, hagerer Mann,<lb/>
trug eine große, &#x017F;chwarze Lockenperu&#x0364;cke, einen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[48/0054] ders zittert der Ton dieſer Mitternachtsglocke zu mir hernieder, als wenn er am Mittag durch die hellen klaren Luͤfte ſchallt. Horch! ging da nicht im Keller eine Thuͤre? Sonder¬ bar; wenn ich nicht ſo ganz allein hier unten waͤre, wenn ich nicht wuͤßte, daß die Menſchen nur oben wandeln, ich wuͤrde glauben, es toͤnen Schritte durch dieſe Hallen. — Ha! es iſt ſo; es koͤmmt naͤher; es taſtet an der Thuͤre hin und her, es faßt und ſchuͤttelt die Klinge; doch die Thuͤre iſt verſchloſſen und mit Riegeln verhaͤngt; mich ſtoͤrt heute Nacht kein Sterb¬ licher mehr. Ha, was iſt das? die Thuͤre ſpringt auf! Entſetzen! — Vor der Thuͤre ſtanden zwei Maͤnner, und machten gegenſeitig Complimente uͤber den Vor¬ tritt; der eine war ein langer, hagerer Mann, trug eine große, ſchwarze Lockenperuͤcke, einen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_phantasien_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_phantasien_1827/54
Zitationshilfe: Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Rathskeller. Stuttgart, 1827, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_phantasien_1827/54>, abgerufen am 23.11.2024.