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Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Rathskeller. Stuttgart, 1827.

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meln könnte, und fährt sie dann erschrocken mit
dem Köpfchen durchs Fenster, so will ich gerade
das Gegentheil russischer Fellraßler machen und
vom Fortissimo abwärts trommeln und piano
und im leisen Adagio-Wirbel ihr zuflüstern,
"ich liebe dich." Ein berühmter Mensch möchte
ich seyn, nur daß sie von mir hörte und stolz
zu sich sagte: "der hat dich einst geliebt;"
aber leider reden die Leute nicht von mir, höch¬
stens wird man ihr morgen sagen: "gestern
Nacht ist er auch wieder bis Mitternacht im
Weinkeller gelegen!" Und wenn ich vollends
ein Schuster oder Schneider wäre! doch dieß
ist ein gemeiner Gedanke und deiner unwürdig,
Adelgunde!

Jetzt wacht wohl keiner mehr, als der Höch¬
ste und Niedrigste dieser Stadt, nämlich der
Thurmwächter hoch oben auf der Domkirche
und ich tief unten im Rathskeller. Wär' ich
doch der auf dem Thurme! in jeder Stunde

meln koͤnnte, und faͤhrt ſie dann erſchrocken mit
dem Koͤpfchen durchs Fenſter, ſo will ich gerade
das Gegentheil ruſſiſcher Fellraßler machen und
vom Fortiſſimo abwaͤrts trommeln und piano
und im leiſen Adagio-Wirbel ihr zufluͤſtern,
„ich liebe dich.“ Ein beruͤhmter Menſch moͤchte
ich ſeyn, nur daß ſie von mir hoͤrte und ſtolz
zu ſich ſagte: „der hat dich einſt geliebt;“
aber leider reden die Leute nicht von mir, hoͤch¬
ſtens wird man ihr morgen ſagen: „geſtern
Nacht iſt er auch wieder bis Mitternacht im
Weinkeller gelegen!“ Und wenn ich vollends
ein Schuſter oder Schneider waͤre! doch dieß
iſt ein gemeiner Gedanke und deiner unwuͤrdig,
Adelgunde!

Jetzt wacht wohl keiner mehr, als der Hoͤch¬
ſte und Niedrigſte dieſer Stadt, naͤmlich der
Thurmwaͤchter hoch oben auf der Domkirche
und ich tief unten im Rathskeller. Waͤr' ich
doch der auf dem Thurme! in jeder Stunde

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[45/0051] meln koͤnnte, und faͤhrt ſie dann erſchrocken mit dem Koͤpfchen durchs Fenſter, ſo will ich gerade das Gegentheil ruſſiſcher Fellraßler machen und vom Fortiſſimo abwaͤrts trommeln und piano und im leiſen Adagio-Wirbel ihr zufluͤſtern, „ich liebe dich.“ Ein beruͤhmter Menſch moͤchte ich ſeyn, nur daß ſie von mir hoͤrte und ſtolz zu ſich ſagte: „der hat dich einſt geliebt;“ aber leider reden die Leute nicht von mir, hoͤch¬ ſtens wird man ihr morgen ſagen: „geſtern Nacht iſt er auch wieder bis Mitternacht im Weinkeller gelegen!“ Und wenn ich vollends ein Schuſter oder Schneider waͤre! doch dieß iſt ein gemeiner Gedanke und deiner unwuͤrdig, Adelgunde! Jetzt wacht wohl keiner mehr, als der Hoͤch¬ ſte und Niedrigſte dieſer Stadt, naͤmlich der Thurmwaͤchter hoch oben auf der Domkirche und ich tief unten im Rathskeller. Waͤr' ich doch der auf dem Thurme! in jeder Stunde

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Zitationshilfe: Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Rathskeller. Stuttgart, 1827, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_phantasien_1827/51>, abgerufen am 05.05.2024.