Setzt man ihn zu lange fort, so entsteht Träg- heit des Blutumlaufes und Stockung in den Venen, vorzüglich des Gehirns, welches ohnehin in der hori- zontalen Lage weit eher zu Congestionen geneigt ist. Deßhalb hat man auch nach einem langen Schlaf einen verwirrten Kopf und ist nicht im Stande einen Gedanken scharf aufzufassen. Recht wohl erinnere ich mich noch der Bemerkung meines unvergeßlichen Lehrers Blumenbach: daß keiner zehn Jahre ein Lang- schläfer sein könne ohne zu verdummen.
Ferner, da während des Schlafes weniger orga- nische Stoffe verbraucht werden und das Vegeta- tionsgeschäft ungestört vor sich geht, so bewirkt Ueber- maaß desselben leicht übermäßige Ernährung, kranke Fettheit, Ueberfüllung mit schwachbearbeiteten Säften. Durch die übermäßige Ruhe des Nervensystems wird seine Reizbarkeit erhöht, während zugleich, wegen zu langer Unthätigkeit, die Muskeln an Energie und Kraft einbüßen. Die Haut wird durch das längere Verweilen unter den warmen Bettdecken verweichlicht. Füge ich noch hinzu, daß eine jede überflüssige Stunde, die man dem Schlafe entzieht, eine für das Leben gewonnene ist, so sind Gründe genug vorhanden, um Eltern zu bewegen, ihre Kinder an das frühe Auf- stehen zu gewöhnen.
Die Natur des Kindes verlangt freilich einen längeren Schlaf. Es ist ein sehr receptives und
Setzt man ihn zu lange fort, ſo entſteht Traͤg- heit des Blutumlaufes und Stockung in den Venen, vorzuͤglich des Gehirns, welches ohnehin in der hori- zontalen Lage weit eher zu Congestionen geneigt iſt. Deßhalb hat man auch nach einem langen Schlaf einen verwirrten Kopf und iſt nicht im Stande einen Gedanken ſcharf aufzufaſſen. Recht wohl erinnere ich mich noch der Bemerkung meines unvergeßlichen Lehrers Blumenbach: daß keiner zehn Jahre ein Lang- ſchlaͤfer ſein koͤnne ohne zu verdummen.
Ferner, da waͤhrend des Schlafes weniger orga- niſche Stoffe verbraucht werden und das Vegeta- tionsgeſchaͤft ungeſtoͤrt vor ſich geht, ſo bewirkt Ueber- maaß desſelben leicht uͤbermaͤßige Ernaͤhrung, kranke Fettheit, Ueberfuͤllung mit ſchwachbearbeiteten Saͤften. Durch die uͤbermaͤßige Ruhe des Nervenſyſtems wird ſeine Reizbarkeit erhoͤht, waͤhrend zugleich, wegen zu langer Unthaͤtigkeit, die Muskeln an Energie und Kraft einbuͤßen. Die Haut wird durch das laͤngere Verweilen unter den warmen Bettdecken verweichlicht. Füge ich noch hinzu, daß eine jede uͤberfluͤſſige Stunde, die man dem Schlafe entzieht, eine fuͤr das Leben gewonnene iſt, ſo ſind Gruͤnde genug vorhanden, um Eltern zu bewegen, ihre Kinder an das fruͤhe Auf- ſtehen zu gewoͤhnen.
Die Natur des Kindes verlangt freilich einen laͤngeren Schlaf. Es iſt ein ſehr receptives und
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Setzt man ihn zu lange fort, ſo entſteht Traͤg-
heit des Blutumlaufes und Stockung in den Venen,
vorzuͤglich des Gehirns, welches ohnehin in der hori-
zontalen Lage weit eher zu Congestionen geneigt iſt.
Deßhalb hat man auch nach einem langen Schlaf
einen verwirrten Kopf und iſt nicht im Stande einen
Gedanken ſcharf aufzufaſſen. Recht wohl erinnere
ich mich noch der Bemerkung meines unvergeßlichen
Lehrers Blumenbach: daß keiner zehn Jahre ein Lang-
ſchlaͤfer ſein koͤnne ohne zu verdummen.
Ferner, da waͤhrend des Schlafes weniger orga-
niſche Stoffe verbraucht werden und das Vegeta-
tionsgeſchaͤft ungeſtoͤrt vor ſich geht, ſo bewirkt Ueber-
maaß desſelben leicht uͤbermaͤßige Ernaͤhrung, kranke
Fettheit, Ueberfuͤllung mit ſchwachbearbeiteten Saͤften.
Durch die uͤbermaͤßige Ruhe des Nervenſyſtems wird
ſeine Reizbarkeit erhoͤht, waͤhrend zugleich, wegen zu
langer Unthaͤtigkeit, die Muskeln an Energie und
Kraft einbuͤßen. Die Haut wird durch das laͤngere
Verweilen unter den warmen Bettdecken verweichlicht.
Füge ich noch hinzu, daß eine jede uͤberfluͤſſige Stunde,
die man dem Schlafe entzieht, eine fuͤr das Leben
gewonnene iſt, ſo ſind Gruͤnde genug vorhanden, um
Eltern zu bewegen, ihre Kinder an das fruͤhe Auf-
ſtehen zu gewoͤhnen.
Die Natur des Kindes verlangt freilich einen
laͤngeren Schlaf. Es iſt ein ſehr receptives und
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Hartwig, Georg Ludwig: Die physische Erziehung der Kinder. Düsseldorf, 1847, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hartwig_erziehung_1847/102>, abgerufen am 22.07.2024.
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