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Hartmann, Eugen: Entwicklungs-Geschichte der Posten von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Leipzig, 1868.

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allenthalben mit der Entwicklung menschlicher Cultur gleichen
Schritt gehalten haben.

Jn den ältesten Zeiten als technisches Beförderungsmittel
für die Zwecke der Herrschenden aufgefaßt, und daher denselben
dienstbar, in den verschiedensten Formen auf Kosten der Völker
unterhalten, bald scheinbar verschwindend, bald neu hervor-
tretend, hat es mit der Vermehrung der socialen Bedürfnisse
allmählich andere Gestalt gewonnen. Es ist unverkennbar, daß
in dem Mittelalter die Keime des heute in so großartiger
Weise ausgebildeten Postwesens aus dem Antriebe der einzelnen
Körperschaften und Jndividuen nach freier und schneller Be-
wegung hervorgegangen sind. Erst als man die unermeßliche
Wichtigkeit dieser Umgestaltung in ihren praktischen Zielen vor
Augen sah, nahm der Staat dieselbe unter seine unmittelbare
Obhut, und machte das Postwesen zu einer fiskalischen An-
stalt. Diese Periode hatte ihre unläugbar gute Folgen, weil
das zu einem Privilegium des Staates erhobene Postwesen
die beschränkten örtlichen Privilegien in sich aufnahm und zu
einem Ganzen vereinigte. Gleichwohl legte diese anfänglich
wohlthätige Einrichtung den Grund zu spätern Mißständen.
Jndem der Staat aus finanziellen Gründen, welche die fiska-
lische Berechnung oft nach engem Gesichtskreise vorschrieb, sich
für unbedingt befugt hielt, der Gesellschaft Mittel und Wege des
Verkehrs unwiderruflich vorzuzeichnen, statt sich durch neue,
fühlbar gewordene Bedürfnisse des Lebens leiten zu lassen, trat
zwischen den Zwecken der Postverwaltungen und den Ansichten
des Publikums ein mehr und mehr unausgleichbarer Wider-
spruch hervor. Erst die Folgen der französischen Revolution
und die Wirkungen der auf amerikanischem Boden erwachsenen

allenthalben mit der Entwicklung menſchlicher Cultur gleichen
Schritt gehalten haben.

Jn den älteſten Zeiten als techniſches Beförderungsmittel
für die Zwecke der Herrſchenden aufgefaßt, und daher denſelben
dienſtbar, in den verſchiedenſten Formen auf Koſten der Völker
unterhalten, bald ſcheinbar verſchwindend, bald neu hervor-
tretend, hat es mit der Vermehrung der ſocialen Bedürfniſſe
allmählich andere Geſtalt gewonnen. Es iſt unverkennbar, daß
in dem Mittelalter die Keime des heute in ſo großartiger
Weiſe ausgebildeten Poſtweſens aus dem Antriebe der einzelnen
Körperſchaften und Jndividuen nach freier und ſchneller Be-
wegung hervorgegangen ſind. Erſt als man die unermeßliche
Wichtigkeit dieſer Umgeſtaltung in ihren praktiſchen Zielen vor
Augen ſah, nahm der Staat dieſelbe unter ſeine unmittelbare
Obhut, und machte das Poſtweſen zu einer fiskaliſchen An-
ſtalt. Dieſe Periode hatte ihre unläugbar gute Folgen, weil
das zu einem Privilegium des Staates erhobene Poſtweſen
die beſchränkten örtlichen Privilegien in ſich aufnahm und zu
einem Ganzen vereinigte. Gleichwohl legte dieſe anfänglich
wohlthätige Einrichtung den Grund zu ſpätern Mißſtänden.
Jndem der Staat aus finanziellen Gründen, welche die fiska-
liſche Berechnung oft nach engem Geſichtskreiſe vorſchrieb, ſich
für unbedingt befugt hielt, der Geſellſchaft Mittel und Wege des
Verkehrs unwiderruflich vorzuzeichnen, ſtatt ſich durch neue,
fühlbar gewordene Bedürfniſſe des Lebens leiten zu laſſen, trat
zwiſchen den Zwecken der Poſtverwaltungen und den Anſichten
des Publikums ein mehr und mehr unausgleichbarer Wider-
ſpruch hervor. Erſt die Folgen der franzöſiſchen Revolution
und die Wirkungen der auf amerikaniſchem Boden erwachſenen

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[395/0408] allenthalben mit der Entwicklung menſchlicher Cultur gleichen Schritt gehalten haben. Jn den älteſten Zeiten als techniſches Beförderungsmittel für die Zwecke der Herrſchenden aufgefaßt, und daher denſelben dienſtbar, in den verſchiedenſten Formen auf Koſten der Völker unterhalten, bald ſcheinbar verſchwindend, bald neu hervor- tretend, hat es mit der Vermehrung der ſocialen Bedürfniſſe allmählich andere Geſtalt gewonnen. Es iſt unverkennbar, daß in dem Mittelalter die Keime des heute in ſo großartiger Weiſe ausgebildeten Poſtweſens aus dem Antriebe der einzelnen Körperſchaften und Jndividuen nach freier und ſchneller Be- wegung hervorgegangen ſind. Erſt als man die unermeßliche Wichtigkeit dieſer Umgeſtaltung in ihren praktiſchen Zielen vor Augen ſah, nahm der Staat dieſelbe unter ſeine unmittelbare Obhut, und machte das Poſtweſen zu einer fiskaliſchen An- ſtalt. Dieſe Periode hatte ihre unläugbar gute Folgen, weil das zu einem Privilegium des Staates erhobene Poſtweſen die beſchränkten örtlichen Privilegien in ſich aufnahm und zu einem Ganzen vereinigte. Gleichwohl legte dieſe anfänglich wohlthätige Einrichtung den Grund zu ſpätern Mißſtänden. Jndem der Staat aus finanziellen Gründen, welche die fiska- liſche Berechnung oft nach engem Geſichtskreiſe vorſchrieb, ſich für unbedingt befugt hielt, der Geſellſchaft Mittel und Wege des Verkehrs unwiderruflich vorzuzeichnen, ſtatt ſich durch neue, fühlbar gewordene Bedürfniſſe des Lebens leiten zu laſſen, trat zwiſchen den Zwecken der Poſtverwaltungen und den Anſichten des Publikums ein mehr und mehr unausgleichbarer Wider- ſpruch hervor. Erſt die Folgen der franzöſiſchen Revolution und die Wirkungen der auf amerikaniſchem Boden erwachſenen

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Zitationshilfe: Hartmann, Eugen: Entwicklungs-Geschichte der Posten von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Leipzig, 1868, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hartmann_posten_1868/408>, abgerufen am 23.11.2024.