Hartmann, Moritz: Das Schloß im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [221]–262. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.der Marquis lachte trotz der kritischen Lage in der er sich befand. Ich stutzte, ließ mit dem Vordringen gegen das Fenster in dem Maße nach, als der Widerstand sich minderte, und sah mich um; da stand Louison neben mir und ohrfeigte den Marquis mit solcher Schnelligkeit, solchem Ernst, solchem Eifer, daß es in der That unendlich komisch anzusehen war; daß ich selbst von dem allgemeinen Lachkrampf mitergriffen wurde und den Marquis fallen ließ. Seine beiden Wangen waren schon dunkelroth und angeschwollen; trotzdem wälzte er sich lachend auf dem Boden. Louison stand neben ihm, sah zornig auf ihn hinab, die einzige ernste Person der Gesellschaft, immer bereit, wieder über ihn herzufallen, was das Komische der Lage nur noch erhöhte. Sie hatte ein Händchen wie eine Herzogin, schaltete hier der alte Marquis ein -- o, ich erinnere mich ganz deutlich. Indessen hatte der Lärm unten im Garten und auf der Straße seinen Wiederhall gefunden, die Polizei kam, und da sie drei vornehme Herren und einen Savoyarden fand, überlegte sie sich's nicht lange, nach Art der Napoleonischen Polizei, fragte nur nach ihren Namen und führte mich als Gefangenen fort. Ich ging ganz ruhig, nie war mein Vertrauen in Louison größer als in dieser Stunde. Die Freunde riethen dem Marquis, mir wegen Mordversuchs einen Prozeß machen zu lassen, oder wenigstens dafür zu sorgen, der Marquis lachte trotz der kritischen Lage in der er sich befand. Ich stutzte, ließ mit dem Vordringen gegen das Fenster in dem Maße nach, als der Widerstand sich minderte, und sah mich um; da stand Louison neben mir und ohrfeigte den Marquis mit solcher Schnelligkeit, solchem Ernst, solchem Eifer, daß es in der That unendlich komisch anzusehen war; daß ich selbst von dem allgemeinen Lachkrampf mitergriffen wurde und den Marquis fallen ließ. Seine beiden Wangen waren schon dunkelroth und angeschwollen; trotzdem wälzte er sich lachend auf dem Boden. Louison stand neben ihm, sah zornig auf ihn hinab, die einzige ernste Person der Gesellschaft, immer bereit, wieder über ihn herzufallen, was das Komische der Lage nur noch erhöhte. Sie hatte ein Händchen wie eine Herzogin, schaltete hier der alte Marquis ein — o, ich erinnere mich ganz deutlich. Indessen hatte der Lärm unten im Garten und auf der Straße seinen Wiederhall gefunden, die Polizei kam, und da sie drei vornehme Herren und einen Savoyarden fand, überlegte sie sich's nicht lange, nach Art der Napoleonischen Polizei, fragte nur nach ihren Namen und führte mich als Gefangenen fort. Ich ging ganz ruhig, nie war mein Vertrauen in Louison größer als in dieser Stunde. Die Freunde riethen dem Marquis, mir wegen Mordversuchs einen Prozeß machen zu lassen, oder wenigstens dafür zu sorgen, <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="0"> <p><pb facs="#f0039"/> der Marquis lachte trotz der kritischen Lage in der er sich befand. Ich stutzte, ließ mit dem Vordringen gegen das Fenster in dem Maße nach, als der Widerstand sich minderte, und sah mich um; da stand Louison neben mir und ohrfeigte den Marquis mit solcher Schnelligkeit, solchem Ernst, solchem Eifer, daß es in der That unendlich komisch anzusehen war; daß ich selbst von dem allgemeinen Lachkrampf mitergriffen wurde und den Marquis fallen ließ. Seine beiden Wangen waren schon dunkelroth und angeschwollen; trotzdem wälzte er sich lachend auf dem Boden. Louison stand neben ihm, sah zornig auf ihn hinab, die einzige ernste Person der Gesellschaft, immer bereit, wieder über ihn herzufallen, was das Komische der Lage nur noch erhöhte.</p><lb/> <p>Sie hatte ein Händchen wie eine Herzogin, schaltete hier der alte Marquis ein — o, ich erinnere mich ganz deutlich.</p><lb/> <p>Indessen hatte der Lärm unten im Garten und auf der Straße seinen Wiederhall gefunden, die Polizei kam, und da sie drei vornehme Herren und einen Savoyarden fand, überlegte sie sich's nicht lange, nach Art der Napoleonischen Polizei, fragte nur nach ihren Namen und führte mich als Gefangenen fort. Ich ging ganz ruhig, nie war mein Vertrauen in Louison größer als in dieser Stunde. Die Freunde riethen dem Marquis, mir wegen Mordversuchs einen Prozeß machen zu lassen, oder wenigstens dafür zu sorgen,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0039]
der Marquis lachte trotz der kritischen Lage in der er sich befand. Ich stutzte, ließ mit dem Vordringen gegen das Fenster in dem Maße nach, als der Widerstand sich minderte, und sah mich um; da stand Louison neben mir und ohrfeigte den Marquis mit solcher Schnelligkeit, solchem Ernst, solchem Eifer, daß es in der That unendlich komisch anzusehen war; daß ich selbst von dem allgemeinen Lachkrampf mitergriffen wurde und den Marquis fallen ließ. Seine beiden Wangen waren schon dunkelroth und angeschwollen; trotzdem wälzte er sich lachend auf dem Boden. Louison stand neben ihm, sah zornig auf ihn hinab, die einzige ernste Person der Gesellschaft, immer bereit, wieder über ihn herzufallen, was das Komische der Lage nur noch erhöhte.
Sie hatte ein Händchen wie eine Herzogin, schaltete hier der alte Marquis ein — o, ich erinnere mich ganz deutlich.
Indessen hatte der Lärm unten im Garten und auf der Straße seinen Wiederhall gefunden, die Polizei kam, und da sie drei vornehme Herren und einen Savoyarden fand, überlegte sie sich's nicht lange, nach Art der Napoleonischen Polizei, fragte nur nach ihren Namen und führte mich als Gefangenen fort. Ich ging ganz ruhig, nie war mein Vertrauen in Louison größer als in dieser Stunde. Die Freunde riethen dem Marquis, mir wegen Mordversuchs einen Prozeß machen zu lassen, oder wenigstens dafür zu sorgen,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-15T10:58:35Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-15T10:58:35Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |