Hartmann, Moritz: Das Schloß im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [221]–262. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.leben. Es kann sehr langweilig sein in einem solchen Schloß. Im Schloßhof angekommen machte mir das Gebäude mit Einem Male einen unheimlichen Eindruck, und zwar gerade seiner Pracht und Schönheit wegen, denn gerade mit diesen Eigenschaften und mit der außerordentlichen Reinlichkeit, die hier überall herrschte, vertrug sich die Verlassenheit und Oede des Ganzen am wenigsten. Ueberall sah man die ordnende, sorgende und erhaltende Hand, aber nirgends war ein Mensch zu sehen. Fenster, Treppen, Erker, Balkone, Alles leer und unbelebt; im Hof und in den Nebengebäuden, geschaffen, um von zahlreicher Dienerschaft bevölkert zu werden, keine Seele. Wir stiegen die Treppe hinauf, und die Flügelthüren, die von da in einen gewaltig hohen und großen Saal führten, waren unverschlossen und wichen einem einfachen Drucke. Die Schritte wiederhallten in diesem Saale und in den zahlreichen Zimmern, die wir durchwanderten -- es war unendlich öde und einsam -- aber Staub, Moder, Spinneweben, die zu dieser Einsamkeit gepaßt hätten, fehlten überall. Alles war so gut und sorglich gehalten, als sollte die Herrschaft eben einziehen -- und wie ordentlich und reinlich, so prächtig waren auch Schmuck- und Hausrath: kostbare Möbel jeder Art, Seiden- und Ledertapeten, Holzgetäfel und Schnitzereien, Oelgemälde und Kupferstiche, selbst schön bemalte, im Stil des 17. Jahrhunderts gehaltene Plafonds. Auf meine leben. Es kann sehr langweilig sein in einem solchen Schloß. Im Schloßhof angekommen machte mir das Gebäude mit Einem Male einen unheimlichen Eindruck, und zwar gerade seiner Pracht und Schönheit wegen, denn gerade mit diesen Eigenschaften und mit der außerordentlichen Reinlichkeit, die hier überall herrschte, vertrug sich die Verlassenheit und Oede des Ganzen am wenigsten. Ueberall sah man die ordnende, sorgende und erhaltende Hand, aber nirgends war ein Mensch zu sehen. Fenster, Treppen, Erker, Balkone, Alles leer und unbelebt; im Hof und in den Nebengebäuden, geschaffen, um von zahlreicher Dienerschaft bevölkert zu werden, keine Seele. Wir stiegen die Treppe hinauf, und die Flügelthüren, die von da in einen gewaltig hohen und großen Saal führten, waren unverschlossen und wichen einem einfachen Drucke. Die Schritte wiederhallten in diesem Saale und in den zahlreichen Zimmern, die wir durchwanderten — es war unendlich öde und einsam — aber Staub, Moder, Spinneweben, die zu dieser Einsamkeit gepaßt hätten, fehlten überall. Alles war so gut und sorglich gehalten, als sollte die Herrschaft eben einziehen — und wie ordentlich und reinlich, so prächtig waren auch Schmuck- und Hausrath: kostbare Möbel jeder Art, Seiden- und Ledertapeten, Holzgetäfel und Schnitzereien, Oelgemälde und Kupferstiche, selbst schön bemalte, im Stil des 17. Jahrhunderts gehaltene Plafonds. Auf meine <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="0"> <p><pb facs="#f0017"/> leben. Es kann sehr langweilig sein in einem solchen Schloß.</p><lb/> <p>Im Schloßhof angekommen machte mir das Gebäude mit Einem Male einen unheimlichen Eindruck, und zwar gerade seiner Pracht und Schönheit wegen, denn gerade mit diesen Eigenschaften und mit der außerordentlichen Reinlichkeit, die hier überall herrschte, vertrug sich die Verlassenheit und Oede des Ganzen am wenigsten. Ueberall sah man die ordnende, sorgende und erhaltende Hand, aber nirgends war ein Mensch zu sehen. Fenster, Treppen, Erker, Balkone, Alles leer und unbelebt; im Hof und in den Nebengebäuden, geschaffen, um von zahlreicher Dienerschaft bevölkert zu werden, keine Seele. Wir stiegen die Treppe hinauf, und die Flügelthüren, die von da in einen gewaltig hohen und großen Saal führten, waren unverschlossen und wichen einem einfachen Drucke. Die Schritte wiederhallten in diesem Saale und in den zahlreichen Zimmern, die wir durchwanderten — es war unendlich öde und einsam — aber Staub, Moder, Spinneweben, die zu dieser Einsamkeit gepaßt hätten, fehlten überall. Alles war so gut und sorglich gehalten, als sollte die Herrschaft eben einziehen — und wie ordentlich und reinlich, so prächtig waren auch Schmuck- und Hausrath: kostbare Möbel jeder Art, Seiden- und Ledertapeten, Holzgetäfel und Schnitzereien, Oelgemälde und Kupferstiche, selbst schön bemalte, im Stil des 17. Jahrhunderts gehaltene Plafonds. Auf meine<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0017]
leben. Es kann sehr langweilig sein in einem solchen Schloß.
Im Schloßhof angekommen machte mir das Gebäude mit Einem Male einen unheimlichen Eindruck, und zwar gerade seiner Pracht und Schönheit wegen, denn gerade mit diesen Eigenschaften und mit der außerordentlichen Reinlichkeit, die hier überall herrschte, vertrug sich die Verlassenheit und Oede des Ganzen am wenigsten. Ueberall sah man die ordnende, sorgende und erhaltende Hand, aber nirgends war ein Mensch zu sehen. Fenster, Treppen, Erker, Balkone, Alles leer und unbelebt; im Hof und in den Nebengebäuden, geschaffen, um von zahlreicher Dienerschaft bevölkert zu werden, keine Seele. Wir stiegen die Treppe hinauf, und die Flügelthüren, die von da in einen gewaltig hohen und großen Saal führten, waren unverschlossen und wichen einem einfachen Drucke. Die Schritte wiederhallten in diesem Saale und in den zahlreichen Zimmern, die wir durchwanderten — es war unendlich öde und einsam — aber Staub, Moder, Spinneweben, die zu dieser Einsamkeit gepaßt hätten, fehlten überall. Alles war so gut und sorglich gehalten, als sollte die Herrschaft eben einziehen — und wie ordentlich und reinlich, so prächtig waren auch Schmuck- und Hausrath: kostbare Möbel jeder Art, Seiden- und Ledertapeten, Holzgetäfel und Schnitzereien, Oelgemälde und Kupferstiche, selbst schön bemalte, im Stil des 17. Jahrhunderts gehaltene Plafonds. Auf meine
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/hartmann_gebirge_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/hartmann_gebirge_1910/17 |
Zitationshilfe: | Hartmann, Moritz: Das Schloß im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [221]–262. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hartmann_gebirge_1910/17>, abgerufen am 16.02.2025. |