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Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653.

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V.
ob er der Strang nicht schauet' an/
der mich so führt gebunden/
Sie hieltens frey für Phantasey/
aus meinem Sinn erfunden.

8.
Der Strang hat mich mir selbst geraubt/
und richtet mein erhabnes Haubt/
den Himmel zu betrachten:
Was liebt die Welt/ Lust/ Ehr und Gelt
sah' ich nur zu verachten.
9.
Jch nahm die Feder in die Hand/
die führte mir besagtes Band/
fast sonder mein Besinnen:
das/ was ich schrieb'/ aus solchem Trieb/
kan ich nicht mehr beginnen.
10.
Mich dunkte daß in solchem Traum
der vor begrünte Lorbeer Baum
Wär gäntzlich abgehauen/
daß er ohn Ast der Erden Last
in Feuer war zu schauen.
11.
Jn dem erwacht' ich aus dem Schlaf
nicht wissend was der Traum betraf/
und doch nach vielen Denken/
sagt'ich bey mir/ es traumet dir/
was niemand sol bekränken.
12. Der

V.
ob er der Strang nicht ſchauet’ an/
der mich ſo fuͤhrt gebunden/
Sie hieltens frey fuͤr Phantaſey/
aus meinem Sinn erfunden.

8.
Der Strang hat mich mir ſelbſt geraubt/
und richtet mein erhabnes Haubt/
den Himmel zu betrachten:
Was liebt die Welt/ Luſt/ Ehr und Gelt
ſah’ ich nur zu verachten.
9.
Jch nahm die Feder in die Hand/
die fuͤhrte mir beſagtes Band/
faſt ſonder mein Beſinnen:
das/ was ich ſchrieb’/ aus ſolchem Trieb/
kan ich nicht mehr beginnen.
10.
Mich dunkte daß in ſolchem Traum
der vor begruͤnte Lorbeer Baum
Waͤr gaͤntzlich abgehauen/
daß er ohn Aſt der Erden Laſt
in Feuer war zu ſchauen.
11.
Jn dem erwacht’ ich aus dem Schlaf
nicht wiſſend was der Traum betraf/
und doch nach vielen Denken/
ſagt’ich bey mir/ es traumet dir/
was niemand ſol bekraͤnken.
12. Der
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[50/0082] V. ob er der Strang nicht ſchauet’ an/ der mich ſo fuͤhrt gebunden/ Sie hieltens frey fuͤr Phantaſey/ aus meinem Sinn erfunden. 8. Der Strang hat mich mir ſelbſt geraubt/ und richtet mein erhabnes Haubt/ den Himmel zu betrachten: Was liebt die Welt/ Luſt/ Ehr und Gelt ſah’ ich nur zu verachten. 9. Jch nahm die Feder in die Hand/ die fuͤhrte mir beſagtes Band/ faſt ſonder mein Beſinnen: das/ was ich ſchrieb’/ aus ſolchem Trieb/ kan ich nicht mehr beginnen. 10. Mich dunkte daß in ſolchem Traum der vor begruͤnte Lorbeer Baum Waͤr gaͤntzlich abgehauen/ daß er ohn Aſt der Erden Laſt in Feuer war zu ſchauen. 11. Jn dem erwacht’ ich aus dem Schlaf nicht wiſſend was der Traum betraf/ und doch nach vielen Denken/ ſagt’ich bey mir/ es traumet dir/ was niemand ſol bekraͤnken. 12. Der

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Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter03_1653/82>, abgerufen am 24.11.2024.