Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653.

Bild:
<< vorherige Seite
Der reuige Kain.
Schmertz über alle Schmertz der henkert das Gewissen?
Schmertz über alle Schmertz/ der nicht stirbt mit dem
Tod?
Die Straff und Missethat sich so vergleichen müssen:
das Leben wird ein Tod und stets beharrte Noht.
Ja diesen Hertzenspfeil muß ich im Fluchten tragen:
Kein Ort in dieser Welt/ setzt mich in Sicherheit!
Zu Wasser und zu Land empfind' ich gleiche Plagen/
Die Zeichen Gottes Straff erhellen allezeit/
in meinem Angesicht. Mir ist mein langes Leben
lang-lang-erlangte Pein. Jch bin nicht/ der ich bin:
Weiß nicht ob Gottes Gnad wird endlich ob mir schweben
Weh dir/ der du voll Neids hägst einen Kains
Sinn!
III.
Der gehorsame Abraham.

Als ihm GOtt der HErr befohlen seinen einigen
Sohn Jsaac aufzuopfern.

Ach wie mache Tugendprob muß ein frommer Mann
erfahren!
Nun ich der Chaldoeer Reich hab vor kurtzverwichnen
Jahren/
als mein Vaterlad verlassen/ sicher und in voller Ruh
hier zu leben bey den Heyden/ kommt mir neues Lei-
den zu.
Meines Glaubens übung laufft wider alle Vater Liebe:
Warumb will der treue Gott daß mein Hertz sich so be-
trübe?
Er heischt von mir meine Freude/ meinen lieben
frommen Sohn/
und so werd' ich meines Erbens/ meines Hauses Eh-
renkron
von dem Höchsten selbst beraubt. Der mir Jsaac gegeben
will daß ich mit meiner Hand meinem Kinde nehm das
Leben.
Durch
Der reuige Kain.
Schmertz uͤber alle Schmertz der henkert das Gewiſſen?
Schmertz uͤber alle Schmertz/ der nicht ſtirbt mit dem
Tod?
Die Straff und Miſſethat ſich ſo vergleichen muͤſſen:
das Leben wird ein Tod und ſtets beharrte Noht.
Ja dieſen Hertzenspfeil muß ich im Fluchten tragen:
Kein Ort in dieſer Welt/ ſetzt mich in Sicherheit!
Zu Waſſer und zu Land empfind’ ich gleiche Plagen/
Die Zeichen Gottes Straff erhellen allezeit/
in meinem Angeſicht. Mir iſt mein langes Leben
lang-lang-erlangte Pein. Jch bin nicht/ der ich bin:
Weiß nicht ob Gottes Gnad wiꝛd endlich ob miꝛ ſchwebẽ
Weh dir/ der du voll Neids haͤgſt einẽ Kains
Sinn!
III.
Der gehorſame Abraham.

Als ihm GOtt der HErr befohlen ſeinen einigen
Sohn Jſaac aufzuopfern.

Ach wie mãche Tugendprob muß ein frommer Mann
erfahren!
Nun ich der Chaldœer Reich hab vor kurtzverwichnen
Jahren/
als mein Vaterlãd verlaſſen/ ſicher und in voller Ruh
hier zu leben bey den Heyden/ kommt mir neues Lei-
den zu.
Meines Glaubens uͤbung laufft wider alle Vater Liebe:
Warumb will der treue Gott daß mein Hertz ſich ſo be-
truͤbe?
Er heiſcht von mir meine Freude/ meinen lieben
frommen Sohn/
und ſo werd’ ich meines Erbens/ meines Hauſes Eh-
renkron
von dem Hoͤchſten ſelbſt beraubt. Der mir Jſaac gegebẽ
will daß ich mit meiner Hand meinem Kinde nehm das
Leben.
Durch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0542" n="512[510]"/>
              <fw place="top" type="header">Der reuige Kain.</fw><lb/>
              <l>Schmertz u&#x0364;ber alle Schmertz der henkert das Gewi&#x017F;&#x017F;en?</l><lb/>
              <l>Schmertz u&#x0364;ber alle Schmertz/ der nicht &#x017F;tirbt mit dem</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Tod?</hi> </l><lb/>
              <l>Die Straff und Mi&#x017F;&#x017F;ethat &#x017F;ich &#x017F;o vergleichen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en:</l><lb/>
              <l>das Leben wird ein Tod und &#x017F;tets beharrte Noht.</l><lb/>
              <l>Ja die&#x017F;en Hertzenspfeil muß ich im Fluchten tragen:</l><lb/>
              <l>Kein Ort in die&#x017F;er Welt/ &#x017F;etzt mich in Sicherheit!</l><lb/>
              <l>Zu Wa&#x017F;&#x017F;er und zu Land empfind&#x2019; ich gleiche Plagen/</l><lb/>
              <l>Die Zeichen Gottes Straff erhellen allezeit/</l><lb/>
              <l>in meinem Ange&#x017F;icht. Mir i&#x017F;t mein langes Leben</l><lb/>
              <l>lang-lang-erlangte Pein. Jch bin nicht/ der ich bin:</l><lb/>
              <l>Weiß nicht ob Gottes Gnad wi&#xA75B;d endlich ob mi&#xA75B; &#x017F;chweb&#x1EBD;</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#fr">Weh dir/ der du voll Neids ha&#x0364;g&#x017F;t ein&#x1EBD; Kains</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#fr">Sinn!</hi> </l>
            </lg>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#aq">III.</hi><lb/> <hi rendition="#b">Der gehor&#x017F;ame Abraham.</hi> </head><lb/>
            <argument>
              <p> <hi rendition="#c">Als ihm GOtt der HErr befohlen &#x017F;einen einigen<lb/>
Sohn J&#x017F;aac aufzuopfern.</hi> </p>
            </argument><lb/>
            <lg type="poem">
              <l>Ach wie mãche Tugendprob muß ein frommer Mann</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">erfahren!</hi> </l><lb/>
              <l>Nun ich der Chald&#x0153;er Reich hab vor kurtzverwichnen</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Jahren/</hi> </l><lb/>
              <l>als mein Vaterlãd verla&#x017F;&#x017F;en/ &#x017F;icher und in voller Ruh</l><lb/>
              <l>hier zu leben bey den Heyden/ kommt mir neues Lei-</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">den zu.</hi> </l><lb/>
              <l>Meines Glaubens u&#x0364;bung laufft wider alle Vater Liebe:</l><lb/>
              <l>Warumb will der treue Gott daß mein Hertz &#x017F;ich &#x017F;o be-</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">tru&#x0364;be?</hi> </l><lb/>
              <l>Er hei&#x017F;cht von mir meine Freude/ meinen lieben</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">frommen Sohn/</hi> </l><lb/>
              <l>und &#x017F;o werd&#x2019; ich meines Erbens/ meines Hau&#x017F;es Eh-</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">renkron</hi> </l><lb/>
              <l>von dem Ho&#x0364;ch&#x017F;ten &#x017F;elb&#x017F;t beraubt. Der mir J&#x017F;aac gegeb&#x1EBD;</l><lb/>
              <l>will daß ich mit meiner Hand meinem Kinde nehm das</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Leben.</hi> </l><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Durch</fw><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[512[510]/0542] Der reuige Kain. Schmertz uͤber alle Schmertz der henkert das Gewiſſen? Schmertz uͤber alle Schmertz/ der nicht ſtirbt mit dem Tod? Die Straff und Miſſethat ſich ſo vergleichen muͤſſen: das Leben wird ein Tod und ſtets beharrte Noht. Ja dieſen Hertzenspfeil muß ich im Fluchten tragen: Kein Ort in dieſer Welt/ ſetzt mich in Sicherheit! Zu Waſſer und zu Land empfind’ ich gleiche Plagen/ Die Zeichen Gottes Straff erhellen allezeit/ in meinem Angeſicht. Mir iſt mein langes Leben lang-lang-erlangte Pein. Jch bin nicht/ der ich bin: Weiß nicht ob Gottes Gnad wiꝛd endlich ob miꝛ ſchwebẽ Weh dir/ der du voll Neids haͤgſt einẽ Kains Sinn! III. Der gehorſame Abraham. Als ihm GOtt der HErr befohlen ſeinen einigen Sohn Jſaac aufzuopfern. Ach wie mãche Tugendprob muß ein frommer Mann erfahren! Nun ich der Chaldœer Reich hab vor kurtzverwichnen Jahren/ als mein Vaterlãd verlaſſen/ ſicher und in voller Ruh hier zu leben bey den Heyden/ kommt mir neues Lei- den zu. Meines Glaubens uͤbung laufft wider alle Vater Liebe: Warumb will der treue Gott daß mein Hertz ſich ſo be- truͤbe? Er heiſcht von mir meine Freude/ meinen lieben frommen Sohn/ und ſo werd’ ich meines Erbens/ meines Hauſes Eh- renkron von dem Hoͤchſten ſelbſt beraubt. Der mir Jſaac gegebẽ will daß ich mit meiner Hand meinem Kinde nehm das Leben. Durch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter03_1653
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter03_1653/542
Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653, S. 512[510]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter03_1653/542>, abgerufen am 22.11.2024.