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Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653.

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Wahn.
delhirn schwebender/ flüchtiger/ zweiffelhaffter
und nichtiger Wahn. Der Wahn ist das bald
Spiegelhelle/ bald ungestimm rasende Meer.
Der veränderliche Protheus/ der buntfärbige
Cameleon/ gleich dem unbeständigen Mond/ und
das Kennzeichen eines unrichtigen übelgegrün-
den trüben Gehirns. Daher kommet die Hals-
starrige Wahnwitz.

Der Wahn wird abgebildet durch eine noch
schöne/ noch häßliche Weibsperso/ die doch kühn
scheinet/ alles aus zurichten/ und deßwegen so
wol an den Schultern/ als in den Händen Flü-
gel hat. Auf ihrem Haubte kan ein Hertz gesehen
werden/ weil das dolle Haubt weist/ was in dem
Hertzen ist.

Wahre merx: waar verum: war erat.

Wahl electio: Wall vallum.

497. Wald.

Das lebendig grüne Gebäue/ welches nicht
nur die Natur/ sondern auch deroselben Knech-
tin die Kunst ausgepflantzet/ geheget/ begrünet/
die Aeste gewunden/ die Zweige gebunden/ bethrö-
net mit den Schatten/ den matten Schäfersgat-
ten/ die guldnen Sonnen Stralen/ mit schwa-
chen Liecht bemahlen/ das unterschiedne grün.
Die hocherhaben Aeste/ beschweret mit dem Neste
der Vögel leichten Last. So manche wilde Bau-
men/ gepeltzt mit Obs und Pflaumen/ die hal-

ten
G g v

Wahn.
delhirn ſchwebender/ fluͤchtiger/ zweiffelhaffter
und nichtiger Wahn. Der Wahn iſt das bald
Spiegelhelle/ bald ungeſtimm raſende Meer.
Der veraͤnderliche Protheus/ der buntfaͤrbige
Cameleon/ gleich dem unbeſtaͤndigẽ Mond/ und
das Kennzeichen eines unrichtigen uͤbelgegruͤn-
den truͤben Gehirns. Daher kommet die Hals-
ſtarrige Wahnwitz.

Der Wahn wird abgebildet durch eine noch
ſchoͤne/ noch haͤßliche Weibsperſõ/ die doch kuͤhn
ſcheinet/ alles aus zurichten/ und deßwegen ſo
wol an den Schultern/ als in den Haͤnden Fluͤ-
gel hat. Auf ihrem Haubte kan ein Hertz geſehen
werden/ weil das dolle Haubt weiſt/ was in dem
Hertzen iſt.

Wahre merx: waar verum: war erat.

Wahl electio: Wall vallum.

497. Wald.

Das lebendig gruͤne Gebaͤue/ welches nicht
nur die Natur/ ſondern auch deroſelben Knech-
tin die Kunſt ausgepflantzet/ geheget/ begruͤnet/
die Aeſte gewunden/ die Zweige gebunden/ bethroͤ-
net mit den Schatten/ den matten Schaͤfersgat-
ten/ die guldnen Sonnen Stralen/ mit ſchwa-
chen Liecht bemahlen/ das unterſchiedne gruͤn.
Die hocherhaben Aeſte/ beſchweret mit dem Neſte
der Voͤgel leichten Laſt. So manche wilde Bau-
men/ gepeltzt mit Obs und Pflaumen/ die hal-

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[475[473]/0505] Wahn. delhirn ſchwebender/ fluͤchtiger/ zweiffelhaffter und nichtiger Wahn. Der Wahn iſt das bald Spiegelhelle/ bald ungeſtimm raſende Meer. Der veraͤnderliche Protheus/ der buntfaͤrbige Cameleon/ gleich dem unbeſtaͤndigẽ Mond/ und das Kennzeichen eines unrichtigen uͤbelgegruͤn- den truͤben Gehirns. Daher kommet die Hals- ſtarrige Wahnwitz. Der Wahn wird abgebildet durch eine noch ſchoͤne/ noch haͤßliche Weibsperſõ/ die doch kuͤhn ſcheinet/ alles aus zurichten/ und deßwegen ſo wol an den Schultern/ als in den Haͤnden Fluͤ- gel hat. Auf ihrem Haubte kan ein Hertz geſehen werden/ weil das dolle Haubt weiſt/ was in dem Hertzen iſt. Wahre merx: waar verum: war erat. Wahl electio: Wall vallum. 497. Wald. Das lebendig gruͤne Gebaͤue/ welches nicht nur die Natur/ ſondern auch deroſelben Knech- tin die Kunſt ausgepflantzet/ geheget/ begruͤnet/ die Aeſte gewunden/ die Zweige gebunden/ bethroͤ- net mit den Schatten/ den matten Schaͤfersgat- ten/ die guldnen Sonnen Stralen/ mit ſchwa- chen Liecht bemahlen/ das unterſchiedne gruͤn. Die hocherhaben Aeſte/ beſchweret mit dem Neſte der Voͤgel leichten Laſt. So manche wilde Bau- men/ gepeltzt mit Obs und Pflaumen/ die hal- ten G g v

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Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653, S. 475[473]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter03_1653/505>, abgerufen am 26.11.2024.