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Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653.

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Von Veränderung der Sprachen.
zu lesen ist/ in den schönen Lobreden/ deß umb
gantz Teutschland Wolverdienern/ Herrn
Schottelii/ die bey seiner neu aufgelegten
Sprachkunste vorgefüget zu finden.

9. Solcher Veränderungen Ursachen sind
fürnemlich folgende. Es wandlet die Spra-
che entweder die Aussprache der Wörter/ oder
die Wörter an sich selbsten. Die Ausrede der
Wörter beschihet anderst mit den Lippen an-
derst mit den Gaumen/ anderst mit der Keelen/
anderst zwischen den Zähnen/ anderst mit off-
nem Munde. Scaliger hat einem Engeländer
lang Lateinisch reden| hören/ und nichts darvo ver-
stehen können/ weil er die ihm sonst wol bekannte
Sprach nach seiner Mundart ausgeredet.

"Die Völker gegen Mittag/ welche zärt-
"lich und schwach find/ reden auch zärtlich
"und subtil: die Völker gegen Mitternacht/
"welche stark und ernsthafft sind/ pflegen grob
"und hart auszusprechen: Der gestalt daß
"keine Sprache nach der unterschiednen Aus-
"rede einen gantz andern Ton/ Klang und
"Verständniß bekommet; dann das gemeine
"Volk/ welches die meinsten Stimmen ma-
chet/ mehrmals der gantzen Sprache eine an-
dre Art angegossen: So gar/ daß nach Ver-

flüssung

Von Veraͤnderung der Sprachen.
zu leſen iſt/ in den ſchoͤnen Lobreden/ deß umb
gantz Teutſchland Wolverdienern/ Herrn
Schottelii/ die bey ſeiner neu aufgelegten
Sprachkunſte vorgefuͤget zu finden.

9. Solcher Veraͤnderungen Urſachen ſind
fuͤrnemlich folgende. Es wandlet die Spra-
che entweder die Ausſprache der Woͤrter/ oder
die Woͤrter an ſich ſelbſten. Die Ausrede der
Woͤrter beſchihet anderſt mit den Lippen an-
derſt mit den Gaumen/ anderſt mit der Keelen/
anderſt zwiſchen den Zaͤhnen/ anderſt mit off-
nem Munde. Scaliger hat einem Engelaͤnder
lang Lateiniſch redẽ| hoͤrẽ/ und nichts daꝛvõ ver-
ſtehen koͤñen/ weil er die ihm ſonſt wol bekannte
Sprach nach ſeiner Mundart ausgeredet.

“Die Voͤlker gegen Mittag/ welche zaͤrt-
„lich und ſchwach find/ reden auch zaͤrtlich
„und ſubtil: die Voͤlker gegen Mitternacht/
„welche ſtark und ernſthafft ſind/ pflegen grob
„und hart auszuſprechen: Der geſtalt daß
„keine Sprache nach der unterſchiednen Aus-
„rede einen gantz andern Ton/ Klang und
„Verſtaͤndniß bekommet; dann das gemeine
„Volk/ welches die meinſten Stimmen ma-
chet/ mehrmals der gantzen Sprache eine an-
dre Art angegoſſen: So gar/ daß nach Ver-

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[6/0038] Von Veraͤnderung der Sprachen. zu leſen iſt/ in den ſchoͤnen Lobreden/ deß umb gantz Teutſchland Wolverdienern/ Herrn Schottelii/ die bey ſeiner neu aufgelegten Sprachkunſte vorgefuͤget zu finden. 9. Solcher Veraͤnderungen Urſachen ſind fuͤrnemlich folgende. Es wandlet die Spra- che entweder die Ausſprache der Woͤrter/ oder die Woͤrter an ſich ſelbſten. Die Ausrede der Woͤrter beſchihet anderſt mit den Lippen an- derſt mit den Gaumen/ anderſt mit der Keelen/ anderſt zwiſchen den Zaͤhnen/ anderſt mit off- nem Munde. Scaliger hat einem Engelaͤnder lang Lateiniſch redẽ| hoͤrẽ/ und nichts daꝛvõ ver- ſtehen koͤñen/ weil er die ihm ſonſt wol bekannte Sprach nach ſeiner Mundart ausgeredet. “Die Voͤlker gegen Mittag/ welche zaͤrt- „lich und ſchwach find/ reden auch zaͤrtlich „und ſubtil: die Voͤlker gegen Mitternacht/ „welche ſtark und ernſthafft ſind/ pflegen grob „und hart auszuſprechen: Der geſtalt daß „keine Sprache nach der unterſchiednen Aus- „rede einen gantz andern Ton/ Klang und „Verſtaͤndniß bekommet; dann das gemeine „Volk/ welches die meinſten Stimmen ma- chet/ mehrmals der gantzen Sprache eine an- dre Art angegoſſen: So gar/ daß nach Ver- fluͤſſung

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Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter03_1653/38>, abgerufen am 24.11.2024.