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Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653.

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Mensch.
bleiben/ oder: dann vielmehr/ als er schreibt/ muß
ungeschrieben bleiben. Die Endschafft der Ge-
schöpfe/ deß Schöpfers Ebenbild/ der Himmel
und die Hölle/ nach dem er ist gewillt. Deß Höch-
sten Anwalt auf der Erden/ der/ wann er selb-
sten will/ den Engeln gleich kan werden. Das
Maß und Ziel der Natur/ der Herrscher aller
Thiere. Der Auszug aller Vollkommenheit/ dem
alles steht zu Dienst/ der Lufft voll Federvolk/ das
Feld voll reiffer Frucht/ die schwangre Regen-
wolk/ die nasse Wasserzucht/ der Baum muß sich
begrünen/ der Menschen Schar zu dienen/ daß er
sein gantzes Leben/ soll GOTTES Dienst erge-
ben. Jn dieser Welt ist keine Creatur/ die mit
Verstand durchforschet die Natur/ als nur deß
Menschen Kind/ dem alle Ding zu Dienst gege-
ben sind.

Der Mensch/ die kleine Welt/ ist weiß wie
Helffenbein/ gelat wie Marmolstein/ bunt wie
das Blumenfeld. Seine Sprach ist Engelhold/
sein Verstand ist wehrt wie Gold/ seine Augen
sind von fernen/ in dem Haubt wie helle Sternen.
Der Schlaff ist dieser Welte Nacht/ die Morgen
wann er auferwacht; es ändert der Gedanken
Wind/ und solches weist ein jedes Kind.

Herr/ wie daß du so gedenkest der sterblichen?
Wer ist es/ dem du schenkest so reiches Gut? was
sag' ich doch darvon/ daß deine Treu besucht den

Men-

Menſch.
bleiben/ oder: dann vielmehr/ als er ſchreibt/ muß
ungeſchrieben bleiben. Die Endſchafft der Ge-
ſchoͤpfe/ deß Schoͤpfers Ebenbild/ der Himmel
und die Hoͤlle/ nach dem er iſt gewillt. Deß Hoͤch-
ſten Anwalt auf der Erden/ der/ wann er ſelb-
ſten will/ den Engeln gleich kan werden. Das
Maß und Ziel der Natur/ der Herrſcher aller
Thiere. Der Auszug aller Vollkommenheit/ dem
alles ſteht zu Dienſt/ der Lufft voll Federvolk/ das
Feld voll reiffer Frucht/ die ſchwangre Regen-
wolk/ die naſſe Waſſerzucht/ der Baum muß ſich
begruͤnen/ der Menſchen Schar zu dienen/ daß er
ſein gantzes Leben/ ſoll GOTTES Dienſt erge-
ben. Jn dieſer Welt iſt keine Creatur/ die mit
Verſtand durchforſchet die Natur/ als nur deß
Menſchen Kind/ dem alle Ding zu Dienſt gege-
ben ſind.

Der Menſch/ die kleine Welt/ iſt weiß wie
Helffenbein/ gelat wie Marmolſtein/ bunt wie
das Blumenfeld. Seine Sprach iſt Engelhold/
ſein Verſtand iſt wehrt wie Gold/ ſeine Augen
ſind von fernen/ in dem Haubt wie helle Sternen.
Der Schlaff iſt dieſer Welte Nacht/ die Morgen
wann er auferwacht; es aͤndert der Gedanken
Wind/ und ſolches weiſt ein jedes Kind.

Herr/ wie daß du ſo gedenkeſt der ſterblichen?
Wer iſt es/ dem du ſchenkeſt ſo reiches Gut? was
ſag’ ich doch darvon/ daß deine Treu beſucht den

Men-
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[342[340]/0372] Menſch. bleiben/ oder: dann vielmehr/ als er ſchreibt/ muß ungeſchrieben bleiben. Die Endſchafft der Ge- ſchoͤpfe/ deß Schoͤpfers Ebenbild/ der Himmel und die Hoͤlle/ nach dem er iſt gewillt. Deß Hoͤch- ſten Anwalt auf der Erden/ der/ wann er ſelb- ſten will/ den Engeln gleich kan werden. Das Maß und Ziel der Natur/ der Herrſcher aller Thiere. Der Auszug aller Vollkommenheit/ dem alles ſteht zu Dienſt/ der Lufft voll Federvolk/ das Feld voll reiffer Frucht/ die ſchwangre Regen- wolk/ die naſſe Waſſerzucht/ der Baum muß ſich begruͤnen/ der Menſchen Schar zu dienen/ daß er ſein gantzes Leben/ ſoll GOTTES Dienſt erge- ben. Jn dieſer Welt iſt keine Creatur/ die mit Verſtand durchforſchet die Natur/ als nur deß Menſchen Kind/ dem alle Ding zu Dienſt gege- ben ſind. Der Menſch/ die kleine Welt/ iſt weiß wie Helffenbein/ gelat wie Marmolſtein/ bunt wie das Blumenfeld. Seine Sprach iſt Engelhold/ ſein Verſtand iſt wehrt wie Gold/ ſeine Augen ſind von fernen/ in dem Haubt wie helle Sternen. Der Schlaff iſt dieſer Welte Nacht/ die Morgen wann er auferwacht; es aͤndert der Gedanken Wind/ und ſolches weiſt ein jedes Kind. Herr/ wie daß du ſo gedenkeſt der ſterblichen? Wer iſt es/ dem du ſchenkeſt ſo reiches Gut? was ſag’ ich doch darvon/ daß deine Treu beſucht den Men-

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Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653, S. 342[340]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter03_1653/372>, abgerufen am 26.11.2024.