Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653.

Bild:
<< vorherige Seite

Gesang.
beweget/ alle Sinne verliebet/ daß man vermei-
nen solte der Lufft seye mit einem holden Tufft er-
freulichst bestimmet/ und zu einem Bottschaffter
der angenemsten Zeitung gemachet. Eine wolge-
arte und geübte Stimme machet Lauten und
Geigen schweigen und kan mehr ohne Mühe/ als
aller Musicalische Werkzeug mit Mühe/ aus-
würken. Der durch füsse Ton reimt mit dem Ge-
genhall. Die Musica oder das Gesang wird ge-
bildet mit einem Erbarn langen Rocke/ auf wel-
chem die Musicalischen Linien gebremmt/ in der
Hand eine Laute/ auf dem Haubt eine Nachti-
gall in einem Lorbeerkrantz sitzend/ ist ein holdseli-
ges Weibsbild mit offnen Munde/ als singend
gemahlet.

Geschenk.

Gabe.

160. Geschmack.

Der erst und ältste aller Sinne/ nehrt und
vermehret unsre Leiber/ richtet Gutes und das
Böse/ dienet unsrer Lebens Wärme/ der Ge-
schmack prüfet die Unterscheidung deß zeitigen
und unzeitigen/ Früchte wehlet/ das dienliche
verwirfft das schädliche/ fasset ein sichres Ur-
theil/ wann das Gesicht/ der Geruch und das
Gehör ihre Unwissenhelt stillschweigend beken-
nen.

Der Geschmack wird gebildet als eine hold-

selige
P iij

Geſang.
beweget/ alle Sinne verliebet/ daß man vermei-
nen ſolte der Lufft ſeye mit einem holden Tufft er-
freulichſt beſtimmet/ und zu einem Bottſchaffter
der angenemſten Zeitung gemachet. Eine wolge-
arte und geuͤbte Stimme machet Lauten und
Geigen ſchweigen und kan mehr ohne Muͤhe/ als
aller Muſicaliſche Werkzeug mit Muͤhe/ aus-
wuͤrken. Der durch fuͤſſe Ton reimt mit dem Ge-
genhall. Die Muſica oder das Geſang wird ge-
bildet mit einem Erbarn langen Rocke/ auf wel-
chem die Muſicaliſchen Linien gebremmt/ in der
Hand eine Laute/ auf dem Haubt eine Nachti-
gall in einem Lorbeerkrantz ſitzend/ iſt ein holdſeli-
ges Weibsbild mit offnen Munde/ als ſingend
gemahlet.

Geſchenk.

☞Gabe.

160. Geſchmack.

Der erſt und aͤltſte aller Sinne/ nehrt und
vermehret unſre Leiber/ richtet Gutes und das
Boͤſe/ dienet unſrer Lebens Waͤrme/ der Ge-
ſchmack pruͤfet die Unterſcheidung deß zeitigen
und unzeitigen/ Fruͤchte wehlet/ das dienliche
verwirfft das ſchaͤdliche/ faſſet ein ſichres Ur-
theil/ wann das Geſicht/ der Geruch und das
Gehoͤr ihre Unwiſſenhelt ſtillſchweigend beken-
nen.

Der Geſchmack wird gebildet als eine hold-

ſelige
P iij
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0261" n="231[229]"/><fw place="top" type="header">Ge&#x017F;ang.</fw><lb/>
beweget/ alle Sinne verliebet/ daß man vermei-<lb/>
nen &#x017F;olte der Lufft &#x017F;eye mit einem holden Tufft er-<lb/>
freulich&#x017F;t be&#x017F;timmet/ und zu einem Bott&#x017F;chaffter<lb/>
der angenem&#x017F;ten Zeitung gemachet. Eine wolge-<lb/>
arte und geu&#x0364;bte Stimme machet Lauten und<lb/>
Geigen &#x017F;chweigen und kan mehr ohne Mu&#x0364;he/ als<lb/>
aller Mu&#x017F;icali&#x017F;che Werkzeug mit Mu&#x0364;he/ aus-<lb/>
wu&#x0364;rken. Der durch fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e Ton reimt mit dem Ge-<lb/>
genhall. Die Mu&#x017F;ica oder das Ge&#x017F;ang wird ge-<lb/>
bildet mit einem Erbarn langen Rocke/ auf wel-<lb/>
chem die Mu&#x017F;icali&#x017F;chen Linien gebremmt/ in der<lb/>
Hand eine Laute/ auf dem Haubt eine Nachti-<lb/>
gall in einem Lorbeerkrantz &#x017F;itzend/ i&#x017F;t ein hold&#x017F;eli-<lb/>
ges Weibsbild mit offnen Munde/ als &#x017F;ingend<lb/>
gemahlet.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Ge&#x017F;chenk.</hi> </head><lb/>
            <p>&#x261E;Gabe.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">160. Ge&#x017F;chmack.</hi> </hi> </head><lb/>
            <p>Der er&#x017F;t und a&#x0364;lt&#x017F;te aller Sinne/ nehrt und<lb/>
vermehret un&#x017F;re Leiber/ richtet Gutes und das<lb/>
Bo&#x0364;&#x017F;e/ dienet un&#x017F;rer Lebens Wa&#x0364;rme/ der Ge-<lb/>
&#x017F;chmack pru&#x0364;fet die <hi rendition="#fr">U</hi>nter&#x017F;cheidung deß zeitigen<lb/>
und unzeitigen/ Fru&#x0364;chte wehlet/ das dienliche<lb/>
verwirfft das &#x017F;cha&#x0364;dliche/ fa&#x017F;&#x017F;et ein &#x017F;ichres <hi rendition="#fr">U</hi>r-<lb/>
theil/ wann das Ge&#x017F;icht/ der Geruch und das<lb/>
Geho&#x0364;r ihre <hi rendition="#fr">U</hi>nwi&#x017F;&#x017F;enhelt &#x017F;till&#x017F;chweigend beken-<lb/>
nen.</p><lb/>
            <p>Der <hi rendition="#fr">Ge&#x017F;chmack</hi> wird gebildet als eine hold-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">P iij</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;elige</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[231[229]/0261] Geſang. beweget/ alle Sinne verliebet/ daß man vermei- nen ſolte der Lufft ſeye mit einem holden Tufft er- freulichſt beſtimmet/ und zu einem Bottſchaffter der angenemſten Zeitung gemachet. Eine wolge- arte und geuͤbte Stimme machet Lauten und Geigen ſchweigen und kan mehr ohne Muͤhe/ als aller Muſicaliſche Werkzeug mit Muͤhe/ aus- wuͤrken. Der durch fuͤſſe Ton reimt mit dem Ge- genhall. Die Muſica oder das Geſang wird ge- bildet mit einem Erbarn langen Rocke/ auf wel- chem die Muſicaliſchen Linien gebremmt/ in der Hand eine Laute/ auf dem Haubt eine Nachti- gall in einem Lorbeerkrantz ſitzend/ iſt ein holdſeli- ges Weibsbild mit offnen Munde/ als ſingend gemahlet. Geſchenk. ☞Gabe. 160. Geſchmack. Der erſt und aͤltſte aller Sinne/ nehrt und vermehret unſre Leiber/ richtet Gutes und das Boͤſe/ dienet unſrer Lebens Waͤrme/ der Ge- ſchmack pruͤfet die Unterſcheidung deß zeitigen und unzeitigen/ Fruͤchte wehlet/ das dienliche verwirfft das ſchaͤdliche/ faſſet ein ſichres Ur- theil/ wann das Geſicht/ der Geruch und das Gehoͤr ihre Unwiſſenhelt ſtillſchweigend beken- nen. Der Geſchmack wird gebildet als eine hold- ſelige P iij

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter03_1653
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter03_1653/261
Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653, S. 231[229]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter03_1653/261>, abgerufen am 26.11.2024.