Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 2. Nürnberg, 1648.Die zwölffte Stund. rühmet ein berühmter Jtaliäner */ wie sie sol-che Erfindungen auf den Schauplatz ge- bracht/ daß noch die Griechen/ noch die Römer dergleichen niemals ausgesonnen. Aristoteles/ fähret er fort/ ist nicht mehr der Poeten Gesetzgeber. Euripides/ Aristo- phanes und Sophocles solten sowol von uns zu lernen haben/ als Plautus und Te- rentius/ etc. Die wolgesetzten Reimen/ von den schöngestalten Personen/ nach der lieblichen Mu- sic gesungen/ bezaubern gleichsam die Zuhörer/ und beherrschen alle ihre Gedanken. Hierinnen beste- het gewißlich die grosse Vollkommenheit erstbe- sagter Spiele. Etliche derselben werden Theils in ungebundener Rede verfasst/ oder doch in einer gar leichtflüssenden Reimart/ so solcher nicht un- gleich; ohn andre Music/ als bey den Chorliedern. Ein Exempel ist in H. Auspurgers Schäferey zu ersehen. Jns gemein aber werden Hirtengedich- te genennet alle die Geschichte/ welche theils hoher Personen Liebshändel unter verdeckten Namen beschrieben/ theils zu Traur- und Freudenbegäng- nissen mit sondern Erfindungen gewidmet seyn. Jn diesen ist wie in allen die Bescheidenheit zu ge- brauchen/ daß niemand dardurch geärgert werde. 11. Be- * Cante Majolano Bisaccioni nella pref. deli'
opere Theatrali. Die zwoͤlffte Stund. ruͤhmet ein beruͤhmter Jtaliaͤner */ wie ſie ſol-che Erfindungen auf den Schauplatz ge- bracht/ daß noch die Griechen/ noch die Roͤmer dergleichen niemals ausgeſonnẽ. Ariſtoteles/ faͤhret er fort/ iſt nicht mehr der Poeten Geſetzgeber. Euripides/ Ariſto- phanes und Sophocles ſolten ſowol von uns zu lernen haben/ als Plautus und Te- rentius/ etc. Die wolgeſetzten Reimen/ von den ſchoͤngeſtalten Perſonen/ nach der lieblichen Mu- ſic geſungẽ/ bezaubern gleichſam die Zuhoͤrer/ und beherrſchen alle ihre Gedanken. Hierinnen beſte- het gewißlich die groſſe Vollkommenheit erſtbe- ſagter Spiele. Etliche derſelben werden Theils in ungebundener Rede verfaſſt/ oder doch in einer gar leichtfluͤſſenden Reimart/ ſo ſolcher nicht un- gleich; ohn andre Muſic/ als bey den Chorliedern. Ein Exempel iſt in H. Auſpurgers Schaͤferey zu erſehen. Jns gemein aber werden Hirtengedich- te genennet alle die Geſchichte/ welche theils hoher Perſonen Liebshaͤndel unter verdeckten Namen beſchrieben/ theils zu Traur- und Freudenbegaͤng- niſſen mit ſondern Erfindungen gewidmet ſeyn. Jn dieſen iſt wie in allen die Beſcheidenheit zu ge- brauchen/ daß niemand dardurch geaͤꝛgert werde. 11. Be- * Cante Majolano Biſaccioni nella pref. deli’
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Die zwoͤlffte Stund.
ruͤhmet ein beruͤhmter Jtaliaͤner */ wie ſie ſol-
che Erfindungen auf den Schauplatz ge-
bracht/ daß noch die Griechen/ noch die
Roͤmer dergleichen niemals ausgeſonnẽ.
Ariſtoteles/ faͤhret er fort/ iſt nicht mehr der
Poeten Geſetzgeber. Euripides/ Ariſto-
phanes und Sophocles ſolten ſowol von
uns zu lernen haben/ als Plautus und Te-
rentius/ etc. Die wolgeſetzten Reimen/ von den
ſchoͤngeſtalten Perſonen/ nach der lieblichen Mu-
ſic geſungẽ/ bezaubern gleichſam die Zuhoͤrer/ und
beherrſchen alle ihre Gedanken. Hierinnen beſte-
het gewißlich die groſſe Vollkommenheit erſtbe-
ſagter Spiele. Etliche derſelben werden Theils in
ungebundener Rede verfaſſt/ oder doch in einer
gar leichtfluͤſſenden Reimart/ ſo ſolcher nicht un-
gleich; ohn andre Muſic/ als bey den Chorliedern.
Ein Exempel iſt in H. Auſpurgers Schaͤferey zu
erſehen. Jns gemein aber werden Hirtengedich-
te genennet alle die Geſchichte/ welche theils hoher
Perſonen Liebshaͤndel unter verdeckten Namen
beſchrieben/ theils zu Traur- und Freudenbegaͤng-
niſſen mit ſondern Erfindungen gewidmet ſeyn.
Jn dieſen iſt wie in allen die Beſcheidenheit zu ge-
brauchen/ daß niemand dardurch geaͤꝛgert werde.
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Zitationshilfe: | Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 2. Nürnberg, 1648, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter02_1648/114>, abgerufen am 07.07.2024. |