Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 2. Nürnberg, 1648.

Bild:
<< vorherige Seite

Die zwölffte Stund.
gerniß/ das ihnen nicht gegeben worden; massen
nichts so gut in der Welt/ das man nicht solte
mißbrauchen können/ und ist auch Gottes Wort
der bösen Auslegung nicht befreyet.

14. Jn Hirtenspielen werden allerhand Reim-
arten gebraucht/ nach Begebenheit der vorwesen-
den Händel. Hier könten aus Spanischen/ Fran-
tzösischen und Jtaliänischen Poeten etliche Proben
beygebracht werden: Welln aber diese Stunden
viel zu kurtz/ wollen wir nur eins aus vielen erweh-
len/ und betrachten/ das Landleben/ in einen Schä-
fergespräch zwischen Vranio und Ergasto/ zu
Nachfolge Sanazars in seiner Arcadia.

Vranid.
Wem kan doch das Bauerleben
grosse Lust und Freude geben?
wann zu erster Frülingszeit
die zuvor gefrorne Flut
schmeltzet von der Sonnen Glut/
wallt der Erden lauer Duft/
durch die ungesunde Luft.
Und der Regen ist nicht weit.
Ergasto.
Wem sol doch das Schäferleben
keine Lust und Freude geben?
wann

Die zwoͤlffte Stund.
gerniß/ das ihnen nicht gegeben worden; maſſen
nichts ſo gut in der Welt/ das man nicht ſolte
mißbrauchen koͤnnen/ und iſt auch Gottes Wort
der boͤſen Auslegung nicht befreyet.

14. Jn Hirtenſpielen werden allerhand Reim-
arten gebraucht/ nach Begebenheit der vorweſen-
den Haͤndel. Hier koͤnten aus Spaniſchen/ Fran-
tzoͤſiſchen und Jtaliaͤniſchen Poeten etliche Proben
beygebracht werden: Welln aber dieſe Stunden
viel zu kurtz/ wollen wir nur eins aus vielen erweh-
len/ und betrachten/ das Landleben/ in einẽ Schaͤ-
fergeſpraͤch zwiſchen Vranio und Ergaſto/ zu
Nachfolge Sanazars in ſeiner Arcadia.

Vranid.
Wem kan doch das Bauerleben
groſſe Luſt und Freude geben?
wann zu erſter Fruͤlingszeit
die zuvor gefrorne Flut
ſchmeltzet von der Sonnen Glut/
wallt der Erden lauer Duft/
durch die ungeſunde Luft.
Und der Regen iſt nicht weit.
Ergaſto.
Wem ſol doch das Schaͤferleben
keine Luſt und Freude geben?
wann
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0118" n="104"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die zwo&#x0364;lffte Stund.</hi></fw><lb/>
gerniß/ das ihnen nicht gegeben worden; ma&#x017F;&#x017F;en<lb/>
nichts &#x017F;o gut in der Welt/ das man nicht &#x017F;olte<lb/>
mißbrauchen ko&#x0364;nnen/ und i&#x017F;t auch Gottes Wort<lb/>
der bo&#x0364;&#x017F;en Auslegung nicht befreyet.</p><lb/>
        <p>14. Jn Hirten&#x017F;pielen werden allerhand Reim-<lb/>
arten gebraucht/ nach Begebenheit der vorwe&#x017F;en-<lb/>
den Ha&#x0364;ndel. Hier ko&#x0364;nten aus Spani&#x017F;chen/ Fran-<lb/>
tzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen und Jtalia&#x0364;ni&#x017F;chen Poeten etliche Proben<lb/>
beygebracht werden: Welln aber die&#x017F;e Stunden<lb/>
viel zu kurtz/ wollen wir nur eins aus vielen erweh-<lb/>
len/ und betrachten/ das Landleben/ in eine&#x0303; Scha&#x0364;-<lb/>
ferge&#x017F;pra&#x0364;ch zwi&#x017F;chen Vranio und Erga&#x017F;to/ zu<lb/>
Nachfolge Sanazars in &#x017F;einer Arcadia.</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <lg n="1">
            <head> <hi rendition="#c">Vranid.</hi> </head><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr">Wem kan doch das Bauerleben</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr">gro&#x017F;&#x017F;e Lu&#x017F;t und Freude geben?</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#et">wann zu er&#x017F;ter Fru&#x0364;lingszeit</hi> </hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">die zuvor gefrorne Flut</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">&#x017F;chmeltzet von der Sonnen Glut/</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">wallt der Erden lauer Duft/</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">durch die unge&#x017F;unde Luft.</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Und der Regen i&#x017F;t nicht weit.</hi> </l>
          </lg><lb/>
          <lg n="2">
            <head> <hi rendition="#c">Erga&#x017F;to.</hi> </head><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr">Wem &#x017F;ol doch das Scha&#x0364;ferleben</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr">keine Lu&#x017F;t und Freude geben?</hi> </l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">wann</hi> </fw><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[104/0118] Die zwoͤlffte Stund. gerniß/ das ihnen nicht gegeben worden; maſſen nichts ſo gut in der Welt/ das man nicht ſolte mißbrauchen koͤnnen/ und iſt auch Gottes Wort der boͤſen Auslegung nicht befreyet. 14. Jn Hirtenſpielen werden allerhand Reim- arten gebraucht/ nach Begebenheit der vorweſen- den Haͤndel. Hier koͤnten aus Spaniſchen/ Fran- tzoͤſiſchen und Jtaliaͤniſchen Poeten etliche Proben beygebracht werden: Welln aber dieſe Stunden viel zu kurtz/ wollen wir nur eins aus vielen erweh- len/ und betrachten/ das Landleben/ in einẽ Schaͤ- fergeſpraͤch zwiſchen Vranio und Ergaſto/ zu Nachfolge Sanazars in ſeiner Arcadia. Vranid. Wem kan doch das Bauerleben groſſe Luſt und Freude geben? wann zu erſter Fruͤlingszeit die zuvor gefrorne Flut ſchmeltzet von der Sonnen Glut/ wallt der Erden lauer Duft/ durch die ungeſunde Luft. Und der Regen iſt nicht weit. Ergaſto. Wem ſol doch das Schaͤferleben keine Luſt und Freude geben? wann

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter02_1648
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter02_1648/118
Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 2. Nürnberg, 1648, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter02_1648/118>, abgerufen am 22.12.2024.