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Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

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Deß Academischen
auß einer freyen Herberge zu holen? Was dieser lose
Fuhrmann wieder mich angebracht/ stehet auf schwa-
chen Füssen: Er sagt/ ich sey ehrlich/ wie kan er mich
dann eines Diebstahls beschuldigen? Er nennet mich
einen Vogel/ da ich doch keine Federn habe/ und wäre
ich ein Vogel/ so hätte ich mich so leicht nicht greiffen
lassen/ das sind ja ungereimte Dinge. Der Mann ist
aberwitzig/ und nicht recht bey Verstand/ was sein
Pferd anlanget/ habe ich ihm solches nicht gestohlen/
sondern ein wenig an die Seite geführet/ biß ich das
Geld/ so mir der Fuhrmann gestohlen/ und dem
Roß einzuschlucken gegeben/ wieder aufgesammlet ha-
be/ wie ich dann schon etliche Pfenninge darvon in sei-
nem Außwurff gefunden habe. Darum lasset mich
loß/ und straffet vielmehr meinen Ankläger/ als einen/
der mir mein Geld gestohlen/ und seinem Pferd ein-
zufressen gegeben hat. Der Richter stund bestürtzet/
und wuste sich in diesen seltzamen Kumpen nicht zu
richten; Als aber der Fuhrmann auf seiner Rede be-
stund/ die Diener auch klageten/ daß er sich ihnen mit
Steinwerffen widersetzet/ da befahl der Richter/ daß
man den Gefangenen nach dem Stockhauß führen/
und dem Fuhrmann das Pferd alsobald wieder zu-
stellen solte. Ob nun gleich der Fuhrmann mit die-
sem Außspruch wol zufrieden/ so kunte sich doch Troll
keines Weges darein finden/ welcher über Gewalt
und Unrecht schryhe. Aber es wolte nichts helffen/ die
Gerichts-Diener nahmen ihn beym Arm/ und mar-
chi
rten mit ihm fort. Als sie nun auf die Strasse ka-
men/ da wurden sie vom Cavina und seiner Gesell-
schafft auß dem Fenster erblicket/ welcher/ samt den
andern/ alsobald herauß kamen/ und als ihnen Troll
seine Noth geklaget/ ersuchte Cavina die Gerichts-
Diener/ mit dem Gefangenen wieder nach dem Rich-

ter

Deß Academiſchen
auß einer freyen Herberge zu holen? Was dieſer loſe
Fuhrmann wieder mich angebracht/ ſtehet auf ſchwa-
chen Fuͤſſen: Er ſagt/ ich ſey ehrlich/ wie kan er mich
dann eines Diebſtahls beſchuldigen? Er nennet mich
einen Vogel/ da ich doch keine Federn habe/ und waͤre
ich ein Vogel/ ſo haͤtte ich mich ſo leicht nicht greiffen
laſſen/ das ſind ja ungereimte Dinge. Der Mann iſt
aberwitzig/ und nicht recht bey Verſtand/ was ſein
Pferd anlanget/ habe ich ihm ſolches nicht geſtohlen/
ſondern ein wenig an die Seite gefuͤhret/ biß ich das
Geld/ ſo mir der Fuhrmann geſtohlen/ und dem
Roß einzuſchlucken gegeben/ wieder aufgeſam̃let ha-
be/ wie ich dann ſchon etliche Pfenninge darvon in ſei-
nem Außwurff gefunden habe. Darum laſſet mich
loß/ und ſtraffet vielmehr meinen Anklaͤger/ als einen/
der mir mein Geld geſtohlen/ und ſeinem Pferd ein-
zufreſſen gegeben hat. Der Richter ſtund beſtuͤrtzet/
und wuſte ſich in dieſen ſeltzamen Kumpen nicht zu
richten; Als aber der Fuhrmann auf ſeiner Rede be-
ſtund/ die Diener auch klageten/ daß er ſich ihnen mit
Steinwerffen widerſetzet/ da befahl der Richter/ daß
man den Gefangenen nach dem Stockhauß fuͤhren/
und dem Fuhrmann das Pferd alſobald wieder zu-
ſtellen ſolte. Ob nun gleich der Fuhrmann mit die-
ſem Außſpruch wol zufrieden/ ſo kunte ſich doch Troll
keines Weges darein finden/ welcher uͤber Gewalt
und Unrecht ſchryhe. Aber es wolte nichts helffen/ die
Gerichts-Diener nahmen ihn beym Arm/ und mar-
chi
rten mit ihm fort. Als ſie nun auf die Straſſe ka-
men/ da wurden ſie vom Cavina und ſeiner Geſell-
ſchafft auß dem Fenſter erblicket/ welcher/ ſamt den
andern/ alſobald herauß kamen/ und als ihnen Troll
ſeine Noth geklaget/ erſuchte Cavina die Gerichts-
Diener/ mit dem Gefangenen wieder nach dem Rich-

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[946/0966] Deß Academiſchen auß einer freyen Herberge zu holen? Was dieſer loſe Fuhrmann wieder mich angebracht/ ſtehet auf ſchwa- chen Fuͤſſen: Er ſagt/ ich ſey ehrlich/ wie kan er mich dann eines Diebſtahls beſchuldigen? Er nennet mich einen Vogel/ da ich doch keine Federn habe/ und waͤre ich ein Vogel/ ſo haͤtte ich mich ſo leicht nicht greiffen laſſen/ das ſind ja ungereimte Dinge. Der Mann iſt aberwitzig/ und nicht recht bey Verſtand/ was ſein Pferd anlanget/ habe ich ihm ſolches nicht geſtohlen/ ſondern ein wenig an die Seite gefuͤhret/ biß ich das Geld/ ſo mir der Fuhrmann geſtohlen/ und dem Roß einzuſchlucken gegeben/ wieder aufgeſam̃let ha- be/ wie ich dann ſchon etliche Pfenninge darvon in ſei- nem Außwurff gefunden habe. Darum laſſet mich loß/ und ſtraffet vielmehr meinen Anklaͤger/ als einen/ der mir mein Geld geſtohlen/ und ſeinem Pferd ein- zufreſſen gegeben hat. Der Richter ſtund beſtuͤrtzet/ und wuſte ſich in dieſen ſeltzamen Kumpen nicht zu richten; Als aber der Fuhrmann auf ſeiner Rede be- ſtund/ die Diener auch klageten/ daß er ſich ihnen mit Steinwerffen widerſetzet/ da befahl der Richter/ daß man den Gefangenen nach dem Stockhauß fuͤhren/ und dem Fuhrmann das Pferd alſobald wieder zu- ſtellen ſolte. Ob nun gleich der Fuhrmann mit die- ſem Außſpruch wol zufrieden/ ſo kunte ſich doch Troll keines Weges darein finden/ welcher uͤber Gewalt und Unrecht ſchryhe. Aber es wolte nichts helffen/ die Gerichts-Diener nahmen ihn beym Arm/ und mar- chirten mit ihm fort. Als ſie nun auf die Straſſe ka- men/ da wurden ſie vom Cavina und ſeiner Geſell- ſchafft auß dem Fenſter erblicket/ welcher/ ſamt den andern/ alſobald herauß kamen/ und als ihnen Troll ſeine Noth geklaget/ erſuchte Cavina die Gerichts- Diener/ mit dem Gefangenen wieder nach dem Rich- ter

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Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 946. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/966>, abgerufen am 22.07.2024.