Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.Romans II. Buch. Academien zu vernehmen. Dieser begunte also seinenDiscurs wieder fortzusetzen/ sprach derowegen: WIe es scheinet/ so ist das Deponiren von den Gelehrten auch An
Romans II. Buch. Academien zu vernehmen. Dieſer begunte alſo ſeinenDiſcurs wieder fortzuſetzen/ ſprach derowegen: WIe es ſcheinet/ ſo iſt das Deponiren von den Gelehrten auch An
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Romans II. Buch.
Academien zu vernehmen. Dieſer begunte alſo ſeinen
Diſcurs wieder fortzuſetzen/ ſprach derowegen:
WIe es ſcheinet/ ſo iſt das Deponiren von den Gelehrten auch
zu Ungelehrten kommen/ dann was iſt das Haͤnſeln an-
ders/ als das Deponiren? Die Kauffleute zu Bergen in Nor-
wegen pflegen ihre Jungen/ in dem ſo genannten Waſſerſpiel
Jaͤhrlich einmahl/ biß ſie 8. Jahr alt ſind/ erbaͤrmlich zu geiſſeln/
daß ſie halb-geſchundenen Leuten aͤhnlich ſehen. Kirchnerus de
Republ. Diſp. 14. Hypoth 1. lit. a. Wann ſonſten einer mit den
Kauffleuten auf eine groſſe Kauff-Meſſe zum erſten mahl raͤy-
ſet/ ſo pflegen ſie ihn auch zu haͤnſeln. Solcher Geſtalt iſt ein
Ort zwiſchen Nuͤrnberg und Leipzig/ ohnweit Coburg/ der heiſ-
ſet Neuſtaͤttlein/ da pfleget man alle Neulinge zu haͤnſeln/ und
in dem Wald zwiſchen Herſchfeld und Berken/ der Thuͤringen
und Heſſen von einander ſcheidet/ da ſiehet man in der Hoͤhe an
der Land-Straffen einen groſſen Stein mit einem Loch auf der
Erden/ der das Nadel-Ohr heiſſet/ dardurch muͤſſen die Jenige
kriechen/ ſo niemahl da fuͤrbey gewandert ſind. Wann ein Frem-
der zum erſten mahl nach St. Goat, ſo eine Land-Graͤfliche Heſ-
ſiſche Stadt am Rhein/ kommet/ findet er daſelbſt ein angemach-
tes kupffernes Halß-Band/ in welches er ſeinen Halß ſtecken
muß/ und alsdann fraget man ihn/ ob er mit Waſſer oder Wein
wolle getaufft ſeyn? Waͤhlen ſie nun den Wein/ ſo muͤſſen ſie
ſich mit einer Wein-Collation bey der Geſellſchafft loͤſen. Haben
ſie aber nicht viel Geld/ und wollen mit Waſſer getauſſet ſeyn/
ſo wird ihnen ein Eymer voll Waſſers uͤbern Kopff geſchuͤttet.
Vorzeiten iſt dieſes Halß-Band von Bley geweſen/ und von
Carolo V. dahin verehret worden. Als die Koͤnigin Chriſtina
von Schweden hier durchraͤyſete/ verehrete ſie einen groſſen ſil-
bernen Kopff/ oder Becher hieher/ worauß man beym Haͤnſeln
den Wein zu trincken pfleget. Die Kauffleute ſind darbey offt
ſo ſtreng/ daß ſie auch die Studenten/ welche doch mit ihrer Pro-
feſſion nichts zu thun haben/ auch ſchon durch die Pedellen ge-
haͤnſelt ſind/ in ihrer Geſellſchafft zu haͤnſeln pflegen. Aber die
Studenten zu Gieſſen haben ihnen vor einigen Jahren das
Maaß wieder voll gemacht/ und etliche ſolcher fuͤrwitzigen
Kauffleute rechtſchaffen Jure Talionis gehaͤnſelt. Wann die
Handwercks-Meiſter einen Jungen in den Geſellen-Stand er-
heben/ ſo haben ſie auch eine Art deß Deponirens/ oder Haͤn-
ſelns/ aber es waͤre wol gut/ wann man ſolche Narren-Poſſen
mit einander einmahl abſchaffete/ wodurch die Jugend wenig
gebeſſert wird.
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Zitationshilfe: | Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 859. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/879>, abgerufen am 22.07.2024. |