Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

Bild:
<< vorherige Seite

Romans II. Buch.
und nur untersichtigen Blintzel-Augen/ langen Sa[x]-
börstigen Bärten und Haaren/ verschimmelten und
vermoderten Gestanck deß Leibs/ am langen Mantel/
der auf der einen Seiten länger herab hänget/ dann
auf der andern. Wer sie reden höret/ mag wol sagen/
daß sie nicht wissen/ wie es in der Welt zugehe/ noch
was die Welt sey. Sie pflegen keinen Fuß zu verse-
tzen/ noch die Nase zu schneutzen ohne Bedacht. Sol-
len sie auch etwas der Zeit und der Gelegenheit nach
verrichten/ so werden sie Beydes mit ihren langen
Rathschlägen versäumen. Sie geben für/ sie lehren
Weißheit/ da sie doch ihr gantzes Leben zubringen in
Unordnung/ und gleichsam in der Vorbereitung deß
Lebens. Fället ein Streit vor/ von der Ober-Stelle/
so wissen sie denselben ohn allen Aufschub zu schlich-
ten/ dann sie sich ohne Männigliches Versehen durch
einen unbedachtsamen Ehrgeitz woselbst zu setzen wis-
sen. Sie halten es für eine grosse Schmach/ und ver-
dreust sie sehr/ wann man sie anspricht/ und nicht zu-
vor einen Eingang oder Vorrede von ihrem herr-
lichen Ansehen und weit-berühmten Namen und
Thaten/ insonderheit aber einen geadelten/ hochge-
lehrten und großmächtigen Titul mit einem langen
dicken Fuchsschwantz und demüthiger tieffer Reve-
ren
tz vorher machet/ etc.

Thomas Overburius mahlet einen hoffärtigen
Schulmeister mit nachfolgenden Worten/ als mit
lebendigen Farben ab: Er tritt nach der Tabulatur
herein/ mit der einen Hand scandiret er Verse/ mit
der andern hält er seinen Schul-Scepter/ es dürffen
ihm keine Gedancken in Sinn kommen/ da nicht der
Nomitavus Casus das Verbum regierte/ er hat die Zeit
seines Lebens keinen Sinn oder Meynung/ dann er
gehet allein mit Worten um/ alle seine Ehre die suchet
er im Criticismo, und seine Exempel im Nizolio, seine

Phrases

Romans II. Buch.
und nur unterſichtigen Blintzel-Augen/ langen Sa[x]-
boͤrſtigen Baͤrten und Haaren/ verſchimmelten und
vermoderten Geſtanck deß Leibs/ am langen Mantel/
der auf der einen Seiten laͤnger herab haͤnget/ dann
auf der andern. Wer ſie reden hoͤret/ mag wol ſagen/
daß ſie nicht wiſſen/ wie es in der Welt zugehe/ noch
was die Welt ſey. Sie pflegen keinen Fuß zu verſe-
tzen/ noch die Naſe zu ſchneutzen ohne Bedacht. Sol-
len ſie auch etwas der Zeit und der Gelegenheit nach
verrichten/ ſo werden ſie Beydes mit ihren langen
Rathſchlaͤgen verſaͤumen. Sie geben fuͤr/ ſie lehren
Weißheit/ da ſie doch ihr gantzes Leben zubringen in
Unordnung/ und gleichſam in der Vorbereitung deß
Lebens. Faͤllet ein Streit vor/ von der Ober-Stelle/
ſo wiſſen ſie denſelben ohn allen Aufſchub zu ſchlich-
ten/ dann ſie ſich ohne Maͤnnigliches Verſehen durch
einen unbedachtſamen Ehrgeitz woſelbſt zu ſetzen wiſ-
ſen. Sie halten es fuͤr eine groſſe Schmach/ und ver-
dreuſt ſie ſehr/ wann man ſie anſpricht/ und nicht zu-
vor einen Eingang oder Vorrede von ihrem herꝛ-
lichen Anſehen und weit-beruͤhmten Namen und
Thaten/ inſonderheit aber einen geadelten/ hochge-
lehrten und großmaͤchtigen Titul mit einem langen
dicken Fuchsſchwantz und demuͤthiger tieffer Reve-
ren
tz vorher machet/ ꝛc.

Thomas Overburius mahlet einen hoffaͤrtigen
Schulmeiſter mit nachfolgenden Worten/ als mit
lebendigen Farben ab: Er tritt nach der Tabulatur
herein/ mit der einen Hand ſcandiret er Verſe/ mit
der andern haͤlt er ſeinen Schul-Scepter/ es duͤrffen
ihm keine Gedancken in Sinn kommen/ da nicht der
Nomitavus Caſus das Verbum regierte/ er hat die Zeit
ſeines Lebens keinen Sinn oder Meynung/ dann er
gehet allein mit Worten um/ alle ſeine Ehre die ſuchet
er im Criticiſmo, und ſeine Exempel im Nizolio, ſeine

Phraſes
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0865" n="845"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Romans <hi rendition="#aq">II.</hi> Buch.</hi></fw><lb/>
und nur unter&#x017F;ichtigen Blintzel-Augen/ langen Sa<supplied>x</supplied>-<lb/>
bo&#x0364;r&#x017F;tigen Ba&#x0364;rten und Haaren/ ver&#x017F;chimmelten und<lb/>
vermoderten Ge&#x017F;tanck deß Leibs/ am langen Mantel/<lb/>
der auf der einen Seiten la&#x0364;nger herab ha&#x0364;nget/ dann<lb/>
auf der andern. Wer &#x017F;ie reden ho&#x0364;ret/ mag wol &#x017F;agen/<lb/>
daß &#x017F;ie nicht wi&#x017F;&#x017F;en/ wie es in der Welt zugehe/ noch<lb/>
was die Welt &#x017F;ey. Sie pflegen keinen Fuß zu ver&#x017F;e-<lb/>
tzen/ noch die Na&#x017F;e zu &#x017F;chneutzen ohne Bedacht. Sol-<lb/>
len &#x017F;ie auch etwas der Zeit und der Gelegenheit nach<lb/>
verrichten/ &#x017F;o werden &#x017F;ie Beydes mit ihren langen<lb/>
Rath&#x017F;chla&#x0364;gen ver&#x017F;a&#x0364;umen. Sie geben fu&#x0364;r/ &#x017F;ie lehren<lb/>
Weißheit/ da &#x017F;ie doch ihr gantzes Leben zubringen in<lb/>
Unordnung/ und gleich&#x017F;am in der Vorbereitung deß<lb/>
Lebens. Fa&#x0364;llet ein Streit vor/ von der Ober-Stelle/<lb/>
&#x017F;o wi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie den&#x017F;elben ohn allen Auf&#x017F;chub zu &#x017F;chlich-<lb/>
ten/ dann &#x017F;ie &#x017F;ich ohne Ma&#x0364;nnigliches Ver&#x017F;ehen durch<lb/>
einen unbedacht&#x017F;amen Ehrgeitz wo&#x017F;elb&#x017F;t zu &#x017F;etzen wi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en. Sie halten es fu&#x0364;r eine gro&#x017F;&#x017F;e Schmach/ und ver-<lb/>
dreu&#x017F;t &#x017F;ie &#x017F;ehr/ wann man &#x017F;ie an&#x017F;pricht/ und nicht zu-<lb/>
vor einen Eingang oder Vorrede von ihrem her&#xA75B;-<lb/>
lichen An&#x017F;ehen und weit-beru&#x0364;hmten Namen und<lb/>
Thaten/ in&#x017F;onderheit aber einen geadelten/ hochge-<lb/>
lehrten und großma&#x0364;chtigen Titul mit einem langen<lb/>
dicken Fuchs&#x017F;chwantz und demu&#x0364;thiger tieffer <hi rendition="#aq">Reve-<lb/>
ren</hi>tz vorher machet/ &#xA75B;c.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#aq">Thomas Overburius</hi> mahlet einen hoffa&#x0364;rtigen<lb/>
Schulmei&#x017F;ter mit nachfolgenden Worten/ als mit<lb/>
lebendigen Farben ab: Er tritt nach der <hi rendition="#aq">Tabulatur</hi><lb/>
herein/ mit der einen Hand <hi rendition="#aq">&#x017F;candi</hi>ret er Ver&#x017F;e/ mit<lb/>
der andern ha&#x0364;lt er &#x017F;einen Schul-Scepter/ es du&#x0364;rffen<lb/>
ihm keine Gedancken in Sinn kommen/ da nicht der<lb/><hi rendition="#aq">Nomitavus Ca&#x017F;us</hi> das <hi rendition="#aq">Verbum</hi> regierte/ er hat die Zeit<lb/>
&#x017F;eines Lebens keinen Sinn oder Meynung/ dann er<lb/>
gehet allein mit Worten um/ alle &#x017F;eine Ehre die &#x017F;uchet<lb/>
er im <hi rendition="#aq">Critici&#x017F;mo,</hi> und &#x017F;eine Exempel im <hi rendition="#aq">Nizolio,</hi> &#x017F;eine<lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">Phra&#x017F;es</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[845/0865] Romans II. Buch. und nur unterſichtigen Blintzel-Augen/ langen Sax- boͤrſtigen Baͤrten und Haaren/ verſchimmelten und vermoderten Geſtanck deß Leibs/ am langen Mantel/ der auf der einen Seiten laͤnger herab haͤnget/ dann auf der andern. Wer ſie reden hoͤret/ mag wol ſagen/ daß ſie nicht wiſſen/ wie es in der Welt zugehe/ noch was die Welt ſey. Sie pflegen keinen Fuß zu verſe- tzen/ noch die Naſe zu ſchneutzen ohne Bedacht. Sol- len ſie auch etwas der Zeit und der Gelegenheit nach verrichten/ ſo werden ſie Beydes mit ihren langen Rathſchlaͤgen verſaͤumen. Sie geben fuͤr/ ſie lehren Weißheit/ da ſie doch ihr gantzes Leben zubringen in Unordnung/ und gleichſam in der Vorbereitung deß Lebens. Faͤllet ein Streit vor/ von der Ober-Stelle/ ſo wiſſen ſie denſelben ohn allen Aufſchub zu ſchlich- ten/ dann ſie ſich ohne Maͤnnigliches Verſehen durch einen unbedachtſamen Ehrgeitz woſelbſt zu ſetzen wiſ- ſen. Sie halten es fuͤr eine groſſe Schmach/ und ver- dreuſt ſie ſehr/ wann man ſie anſpricht/ und nicht zu- vor einen Eingang oder Vorrede von ihrem herꝛ- lichen Anſehen und weit-beruͤhmten Namen und Thaten/ inſonderheit aber einen geadelten/ hochge- lehrten und großmaͤchtigen Titul mit einem langen dicken Fuchsſchwantz und demuͤthiger tieffer Reve- rentz vorher machet/ ꝛc. Thomas Overburius mahlet einen hoffaͤrtigen Schulmeiſter mit nachfolgenden Worten/ als mit lebendigen Farben ab: Er tritt nach der Tabulatur herein/ mit der einen Hand ſcandiret er Verſe/ mit der andern haͤlt er ſeinen Schul-Scepter/ es duͤrffen ihm keine Gedancken in Sinn kommen/ da nicht der Nomitavus Caſus das Verbum regierte/ er hat die Zeit ſeines Lebens keinen Sinn oder Meynung/ dann er gehet allein mit Worten um/ alle ſeine Ehre die ſuchet er im Criticiſmo, und ſeine Exempel im Nizolio, ſeine Phraſes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/865
Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 845. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/865>, abgerufen am 22.07.2024.