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Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

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Romans I. Buch.
Meister gelernet hätte? Der Schüler sagt/ Ja. Darauf sagte
Timotheus: So must du mich dann doppelt bezahlen; Dann
ich muß erst arbeiten/ dir das Jenige abzugewöhnen/ was du
übel gelernet hast. Also thäte auch Antisthenes, als ein Vatter
ihn fragete: Was sein Sohn zu der Schul vonnöthen hätte?
Sagend: Ein neu Buch eine neue Feder/ und ein neu Schreib-
Täfelein. Womit er zu erkennen geben wolte/ daß der Jüng-
ling alle alte Sitten und böse Lehren ablegen müste.

Der Podesta sprach: Die böse angelernte Welt-Sachen
hindern auch die Frucht/ die man sonst in der Schul Christi brin-
gen könte. Darum saget der HErr JEsus: Wer mir nachfol-
gen wil/ der muß sich selbst verläugnen. Und Paulus: Wer-
det Narren/ auf daß ihr weiß möget werden. Wer wol lernen
und zunehmen wil/ der muß sich nach den Satzungen der Schul
richten; Also auch der Jenige/ so in Christi Schul guten Fort-
gang haben wil. Jn Pythagorae Schul musten die Schüler
5. Jahr still schweigen/ und 7. Jahr nur zuhören/ sonder Fragen.
Sie musten ihm so lang glauben/ sonder Ursachen zu fordern/ biß
sie alles gehöret hatten. Aber in Christi Schul wil man alsobald
reden und urtheilen/ ja/ überal die Ursachen wissen/ oder man wil
nicht glauben/ eben/ als ob die natürliche Ursachen eine Richt-
schnur deß Glaubens wären/ da doch der natürliche Mensch die
Geistliche Dinge nicht begreiffen kan.

Klingenfeld: Es gehet in Jndien bey den Brachmannen
auch so zu; Die Jungen dürffen in 5. Jahren in der Schulen
nicht ein Wort reden/ sondern/ wann sie einander etwas sagen
wollen/ so weisen sie es mit den Händen. Jn allen Persianischen
und Arabischen Schulen ist auch ein grosses Stillschweigen. Die
Lehrmeister wollen das Geplauder und Geschwätze der Jungen
nicht hören. Jn Holland gehet es anders zu/ wann die Schul-
meister allda so hart wären/ ihre Schulen solten bald ledig
stehen.

Der Printz: Wie hart und streng auch gleich die Heydnis.
Schulmeister gewesen sind/ so haben sie dannoch sehr viel Schü-
ler gehabt. Als Antistheues gefraget ward/ warum er so hart ge-
gen seine Schüler wäre/ gab er zur Antwort: Eben also thun
auch die Aertzte. Zu erkennen gebend/ daß die böse Sitten mit Ge-
lindigkeit nicht abzugewöhnen wären. Dieser Mann war so streng
und ernst hafftig/ daß es ihm sehr wol gelegen seyn muste/ wann
er Jemand lehren wolte. Er war dem Diogeni gar nicht gen o-
gen/ sondern/ wann er ihn an seiner Thür sahe/ so drohete er ihm/

mit
B b 3

Romans I. Buch.
Meiſter gelernet haͤtte? Der Schuͤler ſagt/ Ja. Darauf ſagte
Timotheus: So muſt du mich dann doppelt bezahlen; Dann
ich muß erſt arbeiten/ dir das Jenige abzugewoͤhnen/ was du
uͤbel gelernet haſt. Alſo thaͤte auch Antiſthenes, als ein Vatter
ihn fragete: Was ſein Sohn zu der Schul vonnoͤthen haͤtte?
Sagend: Ein neu Buch eine neue Feder/ und ein neu Schreib-
Taͤfelein. Womit er zu erkennen geben wolte/ daß der Juͤng-
ling alle alte Sitten und boͤſe Lehren ablegen muͤſte.

Der Podeſtà ſprach: Die boͤſe angelernte Welt-Sachen
hindern auch die Frucht/ die man ſonſt in der Schul Chriſti brin-
gen koͤnte. Darum ſaget der HErꝛ JEſus: Wer mir nachfol-
gen wil/ der muß ſich ſelbſt verlaͤugnen. Und Paulus: Wer-
det Narren/ auf daß ihr weiß moͤget werden. Wer wol lernen
und zunehmen wil/ der muß ſich nach den Satzungen der Schul
richten; Alſo auch der Jenige/ ſo in Chriſti Schul guten Fort-
gang haben wil. Jn Pythagoræ Schul muſten die Schuͤler
5. Jahr ſtill ſchweigen/ und 7. Jahr nur zuhoͤren/ ſonder Fragen.
Sie muſten ihm ſo lang glauben/ ſonder Urſachen zu fordern/ biß
ſie alles gehoͤret hatten. Aber in Chriſti Schul wil man alſobald
reden und urtheilen/ ja/ uͤberal die Urſachen wiſſen/ oder man wil
nicht glauben/ eben/ als ob die natuͤrliche Urſachen eine Richt-
ſchnur deß Glaubens waͤren/ da doch der natuͤrliche Menſch die
Geiſtliche Dinge nicht begreiffen kan.

Klingenfeld: Es gehet in Jndien bey den Brachmannen
auch ſo zu; Die Jungen duͤrffen in 5. Jahren in der Schulen
nicht ein Wort reden/ ſondern/ wann ſie einander etwas ſagen
wollen/ ſo weiſen ſie es mit den Haͤnden. Jn allen Perſianiſchen
und Arabiſchen Schulen iſt auch ein groſſes Stillſchweigen. Die
Lehrmeiſter wollen das Geplauder und Geſchwaͤtze der Jungen
nicht hoͤren. Jn Holland gehet es anders zu/ wann die Schul-
meiſter allda ſo hart waͤren/ ihre Schulen ſolten bald ledig
ſtehen.

Der Printz: Wie hart und ſtreng auch gleich die Heydniſ.
Schulmeiſter geweſen ſind/ ſo haben ſie dannoch ſehr viel Schuͤ-
ler gehabt. Als Antiſtheues gefraget ward/ warum er ſo hart ge-
gen ſeine Schuͤler waͤre/ gab er zur Antwort: Eben alſo thun
auch die Aertzte. Zu erkennen gebend/ daß die boͤſe Sitten mit Ge-
lindigkeit nicht abzugewoͤhnen waͤren. Dieſer Mañ war ſo ſtreng
und ernſt hafftig/ daß es ihm ſehr wol gelegen ſeyn muſte/ wann
er Jemand lehren wolte. Er war dem Diogeni gar nicht gen o-
gen/ ſondern/ wann er ihn an ſeiner Thuͤr ſahe/ ſo drohete er ihm/

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B b 3
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[389/0403] Romans I. Buch. Meiſter gelernet haͤtte? Der Schuͤler ſagt/ Ja. Darauf ſagte Timotheus: So muſt du mich dann doppelt bezahlen; Dann ich muß erſt arbeiten/ dir das Jenige abzugewoͤhnen/ was du uͤbel gelernet haſt. Alſo thaͤte auch Antiſthenes, als ein Vatter ihn fragete: Was ſein Sohn zu der Schul vonnoͤthen haͤtte? Sagend: Ein neu Buch eine neue Feder/ und ein neu Schreib- Taͤfelein. Womit er zu erkennen geben wolte/ daß der Juͤng- ling alle alte Sitten und boͤſe Lehren ablegen muͤſte. Der Podeſtà ſprach: Die boͤſe angelernte Welt-Sachen hindern auch die Frucht/ die man ſonſt in der Schul Chriſti brin- gen koͤnte. Darum ſaget der HErꝛ JEſus: Wer mir nachfol- gen wil/ der muß ſich ſelbſt verlaͤugnen. Und Paulus: Wer- det Narren/ auf daß ihr weiß moͤget werden. Wer wol lernen und zunehmen wil/ der muß ſich nach den Satzungen der Schul richten; Alſo auch der Jenige/ ſo in Chriſti Schul guten Fort- gang haben wil. Jn Pythagoræ Schul muſten die Schuͤler 5. Jahr ſtill ſchweigen/ und 7. Jahr nur zuhoͤren/ ſonder Fragen. Sie muſten ihm ſo lang glauben/ ſonder Urſachen zu fordern/ biß ſie alles gehoͤret hatten. Aber in Chriſti Schul wil man alſobald reden und urtheilen/ ja/ uͤberal die Urſachen wiſſen/ oder man wil nicht glauben/ eben/ als ob die natuͤrliche Urſachen eine Richt- ſchnur deß Glaubens waͤren/ da doch der natuͤrliche Menſch die Geiſtliche Dinge nicht begreiffen kan. Klingenfeld: Es gehet in Jndien bey den Brachmannen auch ſo zu; Die Jungen duͤrffen in 5. Jahren in der Schulen nicht ein Wort reden/ ſondern/ wann ſie einander etwas ſagen wollen/ ſo weiſen ſie es mit den Haͤnden. Jn allen Perſianiſchen und Arabiſchen Schulen iſt auch ein groſſes Stillſchweigen. Die Lehrmeiſter wollen das Geplauder und Geſchwaͤtze der Jungen nicht hoͤren. Jn Holland gehet es anders zu/ wann die Schul- meiſter allda ſo hart waͤren/ ihre Schulen ſolten bald ledig ſtehen. Der Printz: Wie hart und ſtreng auch gleich die Heydniſ. Schulmeiſter geweſen ſind/ ſo haben ſie dannoch ſehr viel Schuͤ- ler gehabt. Als Antiſtheues gefraget ward/ warum er ſo hart ge- gen ſeine Schuͤler waͤre/ gab er zur Antwort: Eben alſo thun auch die Aertzte. Zu erkennen gebend/ daß die boͤſe Sitten mit Ge- lindigkeit nicht abzugewoͤhnen waͤren. Dieſer Mañ war ſo ſtreng und ernſt hafftig/ daß es ihm ſehr wol gelegen ſeyn muſte/ wann er Jemand lehren wolte. Er war dem Diogeni gar nicht gen o- gen/ ſondern/ wann er ihn an ſeiner Thuͤr ſahe/ ſo drohete er ihm/ mit B b 3

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Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/403>, abgerufen am 22.11.2024.